internationale-presseschau-akk-cdu-ruecktritt-times-guardian
Politikerin auf Abruf: Annegret Kramp-Karrenbauer / picture alliance

Internationale Presseschau zu AKK - Was ist das Orkantief ,Sabine‘ gegen den Sturm auf die CDU?

Die internationale Presse blickt sorgenvoll auf die Rücktrittsankündigung von Annegret Kramp-Karrenbauer. Dabei steht weniger die Personalie selbst als vielmehr die Zukunft und Orientierung der CDU im Fokus.

Cicero Cover 12-24

Autoreninfo

Hier finden Sie Nachrichten und Berichte der Print- und Onlineredaktion zu außergewöhnlichen Ereignissen.

So erreichen Sie Cicero-Redaktion:

Merkels Rückkehr aus dem politischen Ruhestand 

„Da die regulären Wahlen nur für den Stadtstaat Hamburg geplant sind, wo die Mitte-Links-Partei stark bleibt und die rechtsextreme Alternative für Deutschland (AfD) voraussichtlich weniger als 7 Prozent der Stimmen erhalten wird, versprach das letzte volle Jahr an der Macht Angela Merkel einen stabilen Weg in ihren politischen Ruhestand zu bieten. Ein guter Zeitpunkt, sich endlich auf die dringenden geopolitischen Herausforderungen zu konzentrieren: Trump, China, die Euro-Zone.

Stattdessen führte die Entscheidung einiger Delegierter ihrer Christlich-Demokratischen Union (CDU) in Ostdeutschland, sich über ein Parteiverbot für die Zusammenarbeit mit der AfD hinwegzusetzen, nicht nur zum Rücktritt der designierten Kanzlernachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer, sondern riss auch alle bestehenden Pläne für die deutsche Post-Merkel-Ära auf, wie sie aussehen könnte oder wann sie beginnen wird.“  (The Guardian, Großbritannnien) 

Untergräbt die politische Lähmung den Glauben an die Demokratie? 

„Je mehr die etablierten Parteien Zuflucht in instabilen großen Koalitionen suchen, um Populisten auszuschließen, desto mächtiger werden diese. Sind die Populisten jedoch Teil der Regierung wie beispielsweise in Österreich, Finnland oder Italien, fallen sie rapide in sich zusammen. Weil dann ihre allzu simplen Versprechungen auf die harten Entscheidungen des Regierens treffen. [...] Maßstab für etablierte Politiker muss letztendlich das sein, was eine effektive Regierung ermöglicht. Die wirkliche Gefahr besteht darin, dass eine anhaltende politische Lähmung den Glauben an die Demokratie untergräbt. Zersplitterung der politischen Landschaft erschwert die Koalitionsbildung, macht sie aber nicht unmöglich.“ (Times, Großbritannien) 

Hat Merkel ihr Gespür für die Macht verloren? 

„Das alles heißt: Angela Merkel kann ihre Partei nicht mehr hinter sich sammeln. Mehr noch, vielleicht scheint sie zum ersten Mal ihr Gespür für die Macht verloren zu haben. [...] Zudem war es eine große persönliche und politische Fehleinschätzung, ihr ganzes Gewicht für AKK in die Waagschale zu werfen, nur um dann zu sehen, wie diese Missgriffe, Fehler und Wahlniederlagen sammelte. Und jetzt, wo sie das korrigiert hat, muss sie erkennen, dass ihr Schritt womöglich zu schwach und zu spät kam.“ (Corriere della Sera, Italien) 

Friedrich Merz als Ultrarechten-Jäger

„Entweder wählen die Christdemokraten einen Vertreter der Mitte nach dem Vorbild von Bundeskanzlerin Angela Merkel. Er könnte ein Bündnis mit den Grünen schließen und die Kanzlerschaft eventuell ihrem beliebten Parteichef Robert Habeck überlassen. Oder aber die CDU beruft Merkels Intimfeind Friedrich Merz, um die Ultrarechten zu jagen und die Wähler zurückzuholen, die aus Enttäuschung über die Flüchtlingspolitik in Scharen zur AfD abgewandert sind.“ (Le Figaro, Frankreich) 

Ein starker Mann als Sieger eines Machtkampfs in der CDU 

„Der Rückzug von AKK, die von der Kanzlerin (Angela Merkel) selbst als Nachfolgerin ausgewählt wurde, wird einen Machtkampf innerhalb der Christdemokratie auslösen. Aus diesem wird ein Mann als Sieger hervorgehen, der sehr wahrscheinlich der meistgewählten Partei Deutschlands einen konservativen Anstrich verleihen wird. [...] Dieses neue Erdbeben innerhalb der CDU, das sich zu anderen wie dem von Thüringen oder dem wachsenden Einfluss der extremen Rechten auf die politische Agenda des Landes gesellt, zeigt ein Phänomen auf, das über die Christdemokratie hinausgeht: Eine Krise der traditionellen Parteien hat sich in Deutschland eingenistet.“ (El Periódico, Spanien

„Es braucht eine Klärung im Verhältnis zur Linkspartei und zur AfD“

„Mit dem Führungswechsel bietet sich der CDU deshalb auch eine große Chance. Die linken Parteien wollen der Öffentlichkeit einbleuen, die CDU habe mit dem Fanal in Thüringen einen gefährlichen Rechtsrutsch vollzogen. Die Partei braucht daher eine Persönlichkeit, die in einem solchen medialen Gewitter nicht gleich umkippt und die sich nicht an der Hysterie beteiligt.

Es braucht außerdem eine Klärung im Verhältnis zur Linkspartei und zur AfD. [...] Die Partei braucht deshalb eine selbstbewusste, bürgerliche Figur an der Spitze, die die Zusammenarbeit mit der AfD nicht sucht, aber auch nicht panisch reagiert, wenn er oder sie ungebeten Schützenhilfe der AfD erhält. Maßstab der CDU sollte die eigene Politik sein und nicht eine Strategie der Abgrenzung zur AfD.“ (Neue Zürcher Zeitung, Schweiz) 

Die Bundespolitik war eine Nummer zu groß für AKK 

„AKK wirft hin, sie war keine unerfolgreiche Ministerpräsidentin im Saarland – aber die Bundespolitik war eine Nummer zu groß für sie. Zudem wurde sie von vielen Parteifreunden weil er von Anfang an misstrauisch beäugt, Friedrich Merz hat dazu beigetragen.[...] Gleichzeitig sind beide, Merkel und AKK, nur noch Politikerinnen auf Abruf. Wie soll da in der Koalition etwas weitergehen? Es sind keine guten Aussichten für Deutschland.“ (Der Standard, Österreich) 

Die CDU findet keine Antworten auf die Herausforderung der AfD 

„Der Sturz von AKK ist der Höhepunkt einer wachsenden internen Kluft bei den Christdemokraten, die sich fast fünf Jahre nach der Flüchtlingskrise schwer tun, Antworten auf die Herausforderung der Alternative für Deutschland zu finden.[...] Das Versagen ist aber Angela Merkel selbst zuzuschreiben, die die lokalen CDU-Kräfte vor allem in den östlichen Ländern alleingelassen hat. [..] Solange Angela Merkels CDU so tut, als wenn die AfD mit Nazi-Prädikaten und moralischen Verurteilungen und nicht mit Ursachenbekämpfung und konkreter Politik eliminiert werden könne, wird Annegret Kramp-Karrenbauer kaum das letzte bürgerliche Skalp der AfD sein.“ (Berlingske, Dänemark) 

Was ist das Orkantief „Sabine“ gegen den Sturm auf die CDU? 

„Das politische System in Deutschland steckt in einer schweren Krise. Sie könnte sogar zum Ende der Regierung von Angela Merkel und zu vorgezogenen Wahlen führen. Am Montag kündigte Merkels Nachfolgerin Annegret Kramp-Karrenbauer unerwartet ihren Rückzug vom CDU-Vorsitz und ihren Verzicht auf eine Kandidatur bei den Wahlen 2021 an. [...] Während das Orkantief ,Sabine' über Deutschenland hinwegzog,[...] wurde am Montag klar: Ein viel zerstörerischer Sturm traf die Partei der Bundeskanzlerin Merkel.“ (Kommersant, Russland) 

Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.

Christa Wallau | Di., 11. Februar 2020 - 13:22

der "Neuen Zürcher Zeitung" (NZZ) sind immer wieder wohltuend. Aus ihnen spricht derr Geist einer echten, gefestigten Demokratie.

"Berlinske" (Dänemark) trifft den Kern des Problems am besten: Die Merkel-CDU ist selber dafür verantwortlich, daß es so weit gekommen ist
in Deutschland: Unregierbarkeit durch Unfähigkeit und Nicht-Korrigieren von Fehlentscheidungen.

Man ist, wie es der Tagesspiegel beschrieb, offensichtlich in Sorge um Deutschland. Natürlich ist die NZZ mal wieder recht zurückhaltend in ihrem Urteil über die AfD, aber immerhin klug genug, nach einer zukünftigen Persönlichkeit zu verlangen, die "die Zusammenarbeit mit der AfD nicht sucht".
Der britische Independent berichtet von "Local CDU politicians in the state of Thuringia (who) had voted alongside the far-right AfD party to install a joint candidate. Die spanische Zeitung „El Periódico" befürchtet den Einfluss der "extremen Rechten" in Deutschland. Interessant die Formulierung der polnischen, konservativen Rzeczpospolita - sie sieht, man beachte die Adjektive, die CDU in Zukunft entweder näher an der Linken , die eine andere Vision der Welt hat, oder an der extremen (!!!) Rechten. Insgesamt wird der Aufstieg der AfD sehr kritisch beäugt. Alles nachzulesen beim Tagesspiegel, oder der jeweiligen Webseite der Tageszeitungen (wie z.B. beim Independent).

Soweit es die EU-Mitglieder sind, die schielen zunächst alle auf die deutschen Nettozahlungen, das ist ihr vorrangiges Interesse. Das möchten sie erhalten wissen, da orientiert man sich schon mal eher am deutschen Mainstream und betätigt sich als Echokammer, als daß man kritische Stimmen aufgreift.
Nicht überbewerten der Herr.

Eigentlich ein Armutszeugnis für unsere eigenen Medien liebe Frau Wallau! Vergeblich, Ausnahme im Cicero, suchte man nach nicht hysterischen, den politischen Weltuntergang beschwörenden Reminiszenzen in den ÖR-Anstalten, den Leitmedien
oder auch Politikwissenschaftlern und Chefhistorikern mit Schwerpunkt Weimarer Republik. Talkshow auf Talkshow, egal ob als Pressekonferenz;-) oder Betreutes Denken-Artikel aus der Presseanstalt. Alle pflegen diesen beflissen Alarmismus und ergehen sich darin, wie hoch gefährdet unsere Republik und Demokratie
durch eine Unterwanderung einer 15%, man könnte fast annehmen 50%-Partei sei. Sind wir nicht mindestens so souverän wie viele andere demokratische Staaten, deren Politiker/ Parteien dem selben Phänomen gegenüber stehen? Scheinbar nicht. Denn sonst wären die unsrigen nicht so auf die mediale Schützenhilfe oder Umfrageinstitute fixiert und angewiesen. Egal wie, Frau AKK hat sich der Rolle als
Prellbock für BK Merkel und CDU-K-Hasen entledigt. MfG

Josef Olbrich | Di., 11. Februar 2020 - 16:56

Es ist immer interessant zu lesen, wie wir aus dem Ausland betrachtet werden. Nur die Lösung liegt in unserer Hand, wir sind aufgerufen der Demokratie keinen Bärendienst zu erweisen, denn eine Kanzlerin, die eine demokratische Wahl "rückgängig" machen will, zeigt eigentlich aus welcher Schule sie kommt. Dass AAK nun den Vorsitz aufgibt, erscheint mir einleuchtend, denn wer im Hintergrund Fäden zieht, die andere bloßstellen, kann bei aller Menschlichkeit, nicht mehr als Führungsperson ernst genommen werden. Natürlich spielt die Linke jetzt die Karte als Demokratiebewahrer aus, doch gerade sie ist weit entfernt davon, denn sie kann ihre Vorstellungen nur, wie allgemein bekannt, durch Zwang durchsetzen. Vor 30 Jahren zertrümmerte ein Sturm ihren Staat - schon vergessen?