Rauchen in er Öffentlichkeit
Rauchen wir bald nur noch im stillen Kämmerlein? / picture alliance

FDP-Politiker fordert strengeres Rauchverbot - „Herr Schinnenburg, ist die FDP die neue Verbotspartei?“

In Schweden gilt ein strenges Rauchverbot in der Öffentlichkeit. Ausgerechnet die Liberalen denken nun über härtere Regelungen auch in Deutschland nach. Ein Gespräch über Freiheit, ihre Grenzen und eigene Raucherfahrungen mit dem drogenpolitischen Sprecher der FDP, Wieland Schinnenburg

Bastian Brauns

Autoreninfo

Bastian Brauns leitete das Wirtschaftsressort „Kapital“ bei Cicero von 2017 bis 2021. Zuvor war er Wirtschaftsredakteur bei Zeit Online und bei der Stiftung Warentest. Seine journalistische Ausbildung absolvierte er an der Henri-Nannen-Schule.

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Wieland Schinnenburg ist Bundestagsabgeordneter der FDP und Sprecher der Fraktion für Drogen- und Suchtpolitik.

Herr Schinnenburg, Sie fordern ein deutlich strengeres Rauchverbot im öffentlichen Raum. Wollen Sie die FDP zur Verbotspartei machen?
Nein, mit Sicherheit nicht. Ich bin gegen ein generelles Rauchverbot in der Öffentlichkeit. Mir geht es um einen konsequenten Nichtraucherschutz. Der Staat muss eingreifen, wenn Menschen der Gefahr des Passivrauchens nicht ausweichen können. Zum Beispiel vor Schulen, Kitas und Spielplätzen, aber auch auf Bahnsteigen oder an Bushaltestellen. Zumindest, wenn es keinen abgetrennten Raucherbereich gibt.

Und vor Gaststätten, wie es jetzt in Schweden verboten ist?
Nein hier wollen wir kein Verbot. Vor Gaststätten kann man ausweichen oder zur Not in eine andere Gaststätte gehen.

Warum kann man vor Gaststätten ausweichen, auf Bahnsteigen oder Spielplätzen aber nicht?
Klar können Sie da auch ausweichen, aber am Ende müssen Sie auf dem Bahnsteig bleiben, weil sie auf den Zug warten. Immer kann dabei ein Raucher neben ihnen auftauchen. Insbesondere bei Regen können Sie etwa in einem Bushäuschen nicht ausweichen. Auf Spielplätzen geht es außerdem darum, dass die Leute oft ihre Zigarettenstummel in den Sandkasten werfen und damit Kinder gefährden. Da muss der Staat eingreifen.

Die Anzahl der Raucher nimmt immer weiter ab. Woher dieser plötzliche Aktionismus zum Schutz von Nichtrauchern?
Es ist ja gut, wenn die Raucherzahlen zurückgehen. Dadurch gibt es auch weniger Betroffene. Aber nach wie vor werden Menschen durch Raucher nicht nur belästigt, sondern in ihrer Gesundheit gefährdet. Der Schutz für jene, die sich nicht selbst schützen können, war schon immer notwendig. Das gilt für alle Bereiche, auch für den Straßenverkehr. Der Staat muss mich davor schützen, dass andere falsch, zu schnell oder betrunken fahren. Da würde keiner auf die Idee kommen, dass sich das schon von allein regelt.

Aber Abgasen kann man auch nicht ausweichen. Sie sind gegen Dieselfahrverbote, aber für Rauchverbote aus Gesundheitsgründen. Wägen Sie da richtig ab?
Wir sind sehr dafür, die Belastungen durch Stickoxide, Feinstaub und ähnliches stark zu verringern. Darum ist es auch nicht hinnehmbar, wie sich die Autohersteller mit ihrer Schummelsoftware verhalten haben. Da muss der Staat rigoros gegen vorgehen. Aber das Beispiel mit den Dieselfahrverboten hat in Hamburg dazu geführt, dass die Menschen die gesperrten Straßen umfahren und dabei noch mehr Schadstoffe ausstoßen.

Wieland Schinnenburg FDP
Wieland Schinnenburg, FDP /
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Man könnte doch die ganze Stadt sperren.
Das ist völlig illusionär. Es gibt Menschen, die sind aufs Auto angewiesen. Denen kann man das Autofahren nicht verbieten. Mithilfe von technischen Innovationen die Schadstoffe zu reduzieren, ist hingegen wichtig. Das passiert auch. Die Schadstoffbelastung nimmt überall ab.

Als drogenpolitischer Sprecher der FDP befürworten Sie eine Legalisierung von Cannabis. Da wollen Sie die Zügel lockern. Dem Tabak machen Sie aber den Garaus?
Wir wollen Cannabis nur an Erwachsene legal abgeben. Und die können frei entscheiden, ob sie es konsumieren oder nicht. Das Gleiche bleibt dem Tabakkonsumenten ja unbenommen. Beides soll öffentlich konsumiert werden dürfen, aber eben ohne andere zu gefährden.

Wer soll das kontrollieren, die Polizei?
Das ist Sache der Länder, so wie es bei den Gaststättengesetzen schon geschehen ist. Aber es muss nicht gleich die Polizei anrücken, die haben wichtigere Aufgaben. Sollten Raucher auf persönliche Ansprache nicht reagieren, muss man zur Not eben den städtischen Ordnungsdienst rufen.

Wäre es nicht wichtiger, sich endlich um ein Tabakwerbeverbot in Deutschland  zu kümmern?
Kinowerbung und Plakate in ausreichendem Abstand von Schulen sind in der Tat nach wie vor erlaubt. Die FDP-Fraktion hat hierzu noch keine abgeschlossene Meinung. Meine persönliche Meinung als Gesundheitspolitiker ist es, Tabakwerbung vollständig zu verbieten.

Welche Partei kann der Marlboro-Cowboy von heute denn dann noch wählen? Treiben Sie mit solchen Vorhaben die Liebhaber des Liberalismus nicht in die Arme der AfD? Die spricht sich gegen solche Verbote aus.
Als FDP wollten wir noch nie totale Freiheit. Das wäre Anarchie. Wir wollen gemäß der Freiburger Thesen von 1971: Im Zweifel für die Freiheit, also lieber eine Regel weniger als eine zu viel. Die Freiheit der einen hört auf, wenn die Gesundheit der anderen gefährdet wird.

Beim Thema Auto aber sticht für Sie “A-nach-B -Kommen” die Gesundheit der Passanten und Radfahrer.
Sie werden keine völlig die Gesundheit nicht gefährdende Welt erreichen. Das geht nicht. Ich würde nie jemandem vorschreiben, lieber Zug statt Auto zu fahren. Wir müssen Anreize schaffen. Zum Beispiel, indem in der Bahn das Wlan funktioniert, das Bordrestaurant nicht ausfällt und vor allem nicht die Züge zu spät kommen. Dann passiert ein Umdenken automatisch, ohne Verbote.

Haben Sie selbst mal geraucht?
Nein, noch nie.

Auch nicht probiert?
Doch. Mit sieben oder acht Jahren hat meine Mutter, die damals noch rauchte, mich einmal ziehen lassen. Das war die beste Erziehungsmaßnahme, die sie je gemacht hat. Das war so schrecklich, dass ich von der Stunde an nie wieder rauchen wollte.

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Karsten Paulsen | Do., 4. Juli 2019 - 20:02

Ich hatte so gehofft in Zukunft die FDP wählen zu können. Das Nein zur Koalition mit den Grünen hatte mich beeindruckt. Aber alles was sie danach ablieferten zeigt, dass die jetzigen Parteimitglieder garnicht wissen wozu die FDP einmal stand: Für weniger Regulierung und weniger Verbote.

Stefan Forbrig | Do., 4. Juli 2019 - 20:08

Die EU fliegt uns gerade um die Ohren, in den Großstädten gibt es keine Wohnungen, eine Wirtschafts- und Finanzkrise zeigt sich am Horizont, die illegale Migration wird in keinster Weise bekämpft, die innere Sicherheit liegt am Boden uvm.
Und die FDP, statt vernünftig Oppositionspolitik zu betreiben, sorgt sich um Rauchverbote und die Grünen applaudieren dazu. Genau deshalb, und noch aus anderen Gründen, ist sie seit Jahren unwählbar.

Heidemarie Heim | Do., 4. Juli 2019 - 20:13

Reanimiert man den guten alten Paffer mit Normaltabak und sein Raucherbein. Cannabisbenebelte sind ja auch so viel entspannter hinterm Steuer oder im Wartehäuschen. Zumindest bis der Stoff ausgeht! Ich werde nach der gesetzlichen Freigabe meinen Marlboro-Cowboy flott umgewöhnen auf das neue Kraut und dann bin ich mit- tiefenentspannt bevor ich kommentarmäßig hier abmeckere.;-))
Das waren noch Zeiten, als wir die 56km kurvenreiche Landstrasse im Brezl-Käfer meines Reval ohne Filter rauchenden Vaters zur Oma heizten, 5x unterbrochen durch zwei sich beim Kotzen abwechselnde Kinder auf der Rückbank;)
Beim Erholungs-Stopp in der nächsten Gastwirtschaft auf der Strecke,also in jedem Kaff`, bekamen wir dann regelmäßig die Enddröhnung an gesunder Luft bei Betreten des Gastraums wo sich die Stumpen rauchenden Mit-Gäste erst nach 5 Minuten aus ihren Rauchwolken materialisierten;)Wenigstens war man sich des Päckchen Salzstangen oder auch Erdnüsse zum Apfelsaft gewiss! Erst reiern,dann feiern;)

Alexander Mazurek | Do., 4. Juli 2019 - 22:32

… des Islam das Kalifat ist, so ist die Vollendung des "aufgeklärten" Liberalismus der Leviathan. Zwei Totalitarismen. Den "westlichen" haben protestantische Angelsachsen wie David Hume, Thomas Hobbes samt Darwin und Galton "wissenschaftlich" verursacht. Da ist mir das Christentum als Vollendung des Judaismus, so Emmanuel Levinas, lieber.

Gisela Fimiani | Do., 4. Juli 2019 - 23:01

Der Nanny-Politiker sorgt für Alle und Alles mit großem Wohlwollen. Wir werden zu bestens betreuten Kindern DEGRADIERT! Wovon soll all dieses uns wohl ablenken?

Ihre Frage ist berechtigt liebe Frau Famiani. Ich denke mal, es soll von der mangelnden Politik der FDP ablenken. Besser mal laut gegen die Raucher gemault, als gar nichts zu hören. Ich kam gerade von meiner Kippenpause auf meine Terrasse
zurück. Die ist im Freien. Wahrscheinlich stehen demnächst Kontrolleuere vor der Tür und verlangen, dass ich nicht mehr rauchen soll im Freien. CO² und Gesundheit und das ganze andere Gedöns.
Helmut Schmidt ( Kettenraucher)ist fast 97 Jahre geworden. Dem will ich nacheifern. Obwohl, will ich mir diese Politik noch 36 Jahre antun?

Jürgen Keil | Fr., 5. Juli 2019 - 09:37

Wann endlich kommt die Helmpflicht für Autofahrer, der Grätendetektor im Fischrestaurant und die Atemschutzmaske für Fußgänger. Die Welt ist ja so gefährlich.

Ernst-Günther Konrad | Sa., 6. Juli 2019 - 12:45

Antwort auf von Jürgen Keil

Die Helmpflicht kommt, wenn der Sicherheitsgurt für Fußgänger eingeführt wird.
Wenn wir eine Atemsteuer bezahlen und ganz konkret, werden wir schon bald eine Sterbesteuer bezahlen müssen?
Ich denke uns beiden würden noch eine Menge "blöder" Sachen einfallen, nur habe ich Angst, wir könnten da Ideengeber werden.
Alle Gute Herr Keil.

Frank Domnick | Fr., 5. Juli 2019 - 13:52

Ich finde es richtig und wichtig, dass die FDP bei den zentralen, wesentlichen Herausforderungen unserer Zeit, die kritisch für unsere Zukunft sind, klare Kante zeigt. War lange überfällig. Ich hin sicher, dass sie mit diesem Ansatz, furchtlos gegen Widerstände aufzuklären, schnell weit mehr als 30% Zustimmung finden wird.

Brigitte Simon | So., 7. Juli 2019 - 19:20

Soeben mußte ich meine wohlverdiente Zigarette
vorzeitig ausdrücken. Es klingelte an der Haustür.
Der Staat, vertreten durch Herrn Schinnenburg
mit hoch erhobenem Zeigefinger, stand davor.

Ein wohliges Gefühl, der Staat schützt mich vor
mir selbst. Das ist eine neue Zigarette wert.