Das letzte Rohr von Nord Stream 2
Ohne Nord Stream 2 wird es kalt im nächsten Winter: Spezialisten auf dem Verlegeschiff Fortuna nach dem Verschweißen des letzten Rohrs / dpa

Russland und die Ukraine-Krise - Helfen Sanktionen wirklich?

Die Erfahrung zeigt: Sanktionen verfehlen in der Regel ihr eigentliches Ziel, den Gegner zum Einlenken zu bewegen, und führen vielmehr zu Kollateralschäden für die eigene Wirtschaft. Auch Russland wird sich durch Sanktionen nicht in die Knie zwingen lassen. Bei einem Stopp von Nord Stream 2 etwa wären Deutschland und Europa die Hauptgeschädigten.

Autoreninfo

Klaus Mangold ist Manager und ehemaliger Vorsitzender des Ost-Ausschusses der deutschen Wirtschaft.

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Die derzeitige Diskussion über Maßnahmen gegenüber Russland hat erneut eine schwergewichtige Komponente in der Forderung nach Sanktionen. Dies gilt sowohl für Forderungen seitens der EU, vor allem durch Frau von der Leyen, als auch seitens der Bundesregierung.

In der bisherigen Wirtschaftsgeschichte, auch in den Beispielen der letzten Jahrzehnte von Sanktionen gegenüber Iran und Russland, aber auch schon im 19. und 20. Jahrhundert, zeigt sich immer wieder, dass solche Sanktionen ihr eigentliches Ziel verfehlen, nämlich den Adressaten zu einer Umkehr seines Handelns und Denkens zu veranlassen. In fast allen Fällen haben sich Sanktionen als ein stumpfes Schwert erwiesen und nicht das gewünschte Ergebnis erzielt. Vielfach haben sie auch in erheblichem Umfang zu Kollateralschäden für die eigene Wirtschaft geführt.

Wenn man auf die Wirkungsweise der letzten Sanktionen von EU und Bundesregierung sowie der USA anlässlich der Annexion der Krim schaut, wird dies nochmals deutlich unterstrichen. Sie haben keineswegs Russland über Wirtschaftssanktionen in die Knie gezwungen oder die Regierung veranlasst, ihre politische Strategie zu ändern. Kollateral hat die deutsche Wirtschaft im Verhältnis zu anderen Ländern überproportional stark gelitten. Die Exporte Deutschlands sind teilweise erheblich eingebrochen und haben z.B. durch das russische Embargo bei Lebensmitteln zu einer Stärkung der russischen Lebensmittelindustrie geführt. Letztlich hat Russland die Sanktionen, auch im Bereich etwa der Automobilzulieferindustrie, genutzt, um seine Industrie unabhängiger zu machen und zu stärken. In vielen Bereichen der russischen Industrie sind Lieferketten und Wettbewerbsverhältnisse gestärkt worden.

Russlands Wirtschaft ist weitgehend unabhängig vom Westen

Meine Einschätzung führt mich zu dem Schluss, dass auch jetzt mögliche Sanktionen verpuffen oder für uns erheblichen Schaden stiften würden. Das kann nicht der Sinn und Zweck von Sanktionen sein. Dies gilt z.B. für die Lieferung von Gas und anderen Rohstoffen, wo wir stark von russischen Lieferungen abhängig sind. Was würde passieren, wenn Russland – was es in den vergangenen Jahrzehnten, selbst bei schlimmsten Spannungen im Kalten Krieg nicht getan hat – beispielsweise die Gaslieferungen reduzieren würde? Auch Nord Stream 2 ist ganz stark auch in unserem nationalen und europäischen Interesse. Wir würden uns bei einem Stopp von Nord Stream 2 ins eigene Fleisch schneiden und unsere Energieprobleme, neben den Schwierigkeiten bei Strom, Kohle und Kernkraft, erhöhen. Ist dies im deutschen Interesse? Ich glaube, nein.

Russland ist auch gegenüber seiner wirtschaftlichen Verfassung bei der Krimkrise heute viel robuster aufgestellt. Die staatlichen Fonds sind mit über 600 Milliarden Euro hoch dotiert und haben ein hohes Potential, Krisen abzufedern. Die Wirtschaft ist unabhängiger geworden, was Lieferungen aus dem Westen anbetrifft, und auch die Sanktionen gegen Personen führen nicht zu den angestrebten Ergebnissen. Russland konnte sich in den letzten Jahren weitgehend gegenüber Sanktionen immunisieren, und das erstrebte Ziel der politischen, wirtschaftlichen und militärischen Schwächung wurde verfehlt.

Das Normandie-Format ist die richtige Plattform

Der oft diskutierte Ausschluss Russlands vom internationalen Zahlungssystem Swift würde die deutsche Wirtschaft ganz erheblich schädigen, wahrscheinlich sogar stärker als die russische. Maßnahme bei Swift sind kein geeignetes Instrument, auch wegen der großen Hürden, die bei Swift rechtlich schwierig gestaltbar sind.

Der Schwerpunkt muss sich weg von Diskussionen über Sanktionen auf politische Gespräche, Diplomatie und sicherlich auch Geschlossenheit im Auftreten konzentrieren. Die EU muss endlich eine aktive Rolle übernehmen und sich viel stärker aktiv in Verhandlungen einbringen, um nicht zum Spielball zwischen USA, Russland und China zu werden Das Normandie-Format ist dafür die richtige Plattform. Dieses zu beleben, müsste eine der wichtigsten Prioritäten sein. Die Gespräche z.B. über eine effiziente Wasserstoffstrategie oder zu wissenschaftlichen Projekten sollten intensiviert werden, um auch hier, wie in der Diplomatie, den Dialog wieder zu beleben.

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Tomas Poth | Mo., 14. Februar 2022 - 17:00

Sanktionen werden kurzfristig Herausforderungen und Chancen zur Folge haben.
Sollte NS2 boykottiert werden, nicht in Betrieb gehen, dann müßte der Atom- und Kohleausstieg in Deutschland verschoben werden, um die Energieversorgung zu sichern.
Anderer Ersatz steht kurzfristig nicht zur Verfügung.
Das könnte man sogar als Chance sehen, auch zur Besinnung, um den ganzen Klimazirkus auf den Prüfstand zu stellen.
Das käme dieser Ampelregierung aber äußerst in die Quere oder.
Die jetzige Regierung kann sich hier also nur kompromißbereit gegenüber Russland zeigen und die Ukraine mit einem Trostpflaster auf Minsk II Linie bringen.

Brigitte Simon | Di., 15. Februar 2022 - 01:11

Ein guter Cloud von Scholz als letzter Gesprä-chspartner von Putin zurückzukommen.

In der Schule lernten wir einen Aufsatz so aufzubauen, daß der Schluß das aufzeigt, was wir erreichen wollten, somit in Erinnerung bleibt.

Schröders 3-wöchiger Besuch in Deutschland diente dazu, mit einflußreichen deutschen Po-litikern Gespräche in der Sache Ukraine/Ruß-land zu führen, eventuelle Arrangements zu be-sprechen mit Schulz, Platzeck, - Schwesig ge-meinsame Freundin und Geschäftspartnerin Putins und Schröders - beschließen für das
heutige Treffen der Staatsmänner. Beide kön-
nen ihr Gesicht wahren. und Scholz als Ver-hinderer eines eventuellen Krieges glänzen. Einen Krieg, den Putin nicht führen will wollte und auch nicht wird. Oder sollte er warten bis der Westen seine Soldaten und Kriegsgeräte in die-sem Land stationiert?

Es wird Zeit, daß die Ukraine für sich selber eintritt. Das Land mit der größten Korruption Europas.

Ernst-Günther Konrad | Di., 15. Februar 2022 - 08:39

Das sehe ich genau wie Sie Herr Poth. Sanktionen sind Erpressungen und es hat sich schon immer gezeigt, wer sich erpressen lässt, wird zum Opfer und das gar auf Dauer. Und ja, die Ampel und bes. die GRÜNEN können sich ihr Klimagedöns abschminken, wenn auch ihre Wähler frieren müssen. Ich bin nach wie vor überzeugt. Putin droht nur, marschiert nicht ein, der sog. Westen wird zur Diplomatie gezwungen und zu einem gewissen entgegenkommen und as war es. Wenn man die Msm liest, scheinen einige Journalisten in Putins Gedankenwelt eingedrungen zu sein, weil sie alle schon wissen, wann und wie er "zuschlägt".
Bis jetzt ist gar nichts passiert. Er verschiebt Truppen in seinem Land, wie andere Nato-Partner auch. D schickt Soldaten nach Litauen.
Andere Nato Staaten schicken ebenfalls Waffen und Soldaten in Nachbarländer. Bereitet der Westen einen Überfall auf Russland vor? Man könnte alles drehen und wenden wie man will.

Andre Möller | Di., 15. Februar 2022 - 09:39

Sanktionen sind arrogantes Gehabe von denkfaulen selbsternannten "Werte"-Menschen, die sich in einen Kokon eingewickelt haben und die Realitäten ignorieren, wo sie nur können. Der Westen ist auf der Verliererstraße - selbstgewählt und ganz freiwillig. Vernunftfrei und geistlos von Niederlage zu Niederlage.... Traurig. Ich hätte nie gedacht, dass der Westen so degenerieren könnte....

Brigitte Simon | Di., 15. Februar 2022 - 16:43

Nach wie vor leugnen die westlichen Staats-chefs, daß Putins Verhalten von legitimen Si-chertsbedenken geleitet sein könnte. Wie an-
ders soll er die im Herbst 2021 in der Ukraine stattgefundenen Militärmanöver der Nato mit ca. 6000 Soldaten sehen? Zusätzlich baut der Westen auf Wirtschaftssanktionen.

Solche Maßnahmen sind wenig effektiv. Ebenso harte Sanktionen. Westeuropäische Länder, inbesondere Deutschland, sehen da-
von ab. Sie befürchten, daß sich R. rächen um Deutschland, der EU, schweren wirtschaftli-chen Schaden zuzufügen. Sollte die USA ihre Verbündeten dazu bringen, in drastischer Form Maßnahmenzu ergreifen, würde Putin kaum nachgeben. Die Geschichte zeigt, daß Länder, die ihre strategischen Kern- interessen wahren wollen, auch schwerste Strafmaßnahmen hinnehmen.
Warum sollte Rußland eine Ausnahme von dieser Regel sein?