Andrzej Duda bleibt vor allem auf dem Land unangefochtener Sieger / dpa

Präsidentschaftswahlen in Polen - Pyrrhussieg für Andrzej Duda

Amtsinhaber Andrzej Duda gewinnt die Präsidentschaftswahl in Polen knapp gegen seinen liberalen Herausforderer Rafał Trzaskowski. Das Ergebnis zeigt, wie gespalten das Land ist. Nutzt Duda nun seine letzte Amtszeit, um sein Image zu rehabilitieren?

Arkadiusz Szczepański

Autoreninfo

Arkadiusz Szczepański, (geb. 1984), Slawist und Kulturwissenschaftler, Übersetzer, leitender Redakteur des deutsch-polnischen Portals DIALOG FORUM - Perspektiven aus der Mitte Europas.

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In einem Punkt sind sich die Kommentatoren in Polen einig: Die zweite Runde der Präsidentschaftswahlen war hinsichtlich der Wahlbeteiligung ein Fest der Demokratie. Diese betrug 68 Prozent und verfehlte die bisherige Rekordmarke von 1995 um nur 0,1 Prozent. Angesichts der weiterhin bestehenden pandemiebedingten Einschränkungen sowie der bereits laufenden Urlaubszeit zeugt dieses Ergebnis in der Tat von einer enormen gesellschaftlichen Mobilisierung, was mitunter dem in der finalen Phase aggressiv geführtem Wahlkampf geschuldet ist.

Zugleich ist der dreijährige Wahlmarathon (Kommunalwahlen 2018, Europa- und Parlamentswahl 2019) beendet, der Polen in einen politischen Dauerkampfmodus versetzt und die Spaltung der Gesellschaft mit dem Ergebnis vom Sonntag abermals zementiert hat. Vier Mal in Folge konnte das national-katholische Lager rund um die Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) gegen die oppositionellen linksliberalen Kräfte siegen. Für die Opposition beginnt nun eine weitere Zeit der Reflexion über die Ursachen der Niederlage. 

Kaum umsetzbare Wahlversprechen

Der seit 2015 einvernehmlich zwischen PiS und Präsident Andrzej Duda eingeschlagene Weg der Neujustierung Polens nach Innen und Außen kann nun bis zur kommenden Parlamentswahl im Jahr 2023 fortgesetzt werden. Und genau um diese Frage ging es letztendlich auch bei der gestrigen Entscheidungswahl.

Unabhängig von den Auftritten der beiden Kontrahenten, in denen diverse, durch die beschränkten Kompetenzen des Präsidentenamtes kaum umsetzbare Wahlversprechen verkündet wurden, war die Entscheidung für oder gegen eine weitere Amtszeit Andrzej Dudas ein Volksentscheid für oder gegen ein Polen, das auf eine feste Allianz mit der katholischen Kirche setzt, die EU-Mitgliedschaft auf rein wirtschaftliche Vorteile reduziert, eine nahezu devote Partnerschaft mit den USA anstrebt, die Tradition der Moderne vorzieht, die Staatsmedien zum Organ der Regierungspartei degradiert und die Unabhängigkeit der Justiz infrage stellt. Das Plebiszit haben Andrzej Duda und sein politisches Lager gewonnen, doch das knappe Wahlergebnis macht deutlich, dass die Zustimmung für ihren politischen Kurs weit davon entfernt ist, um in Euphorie zu verfallen.

Land vs. Stadt

Die ersten Statistiken der staatlichen Wahlkommission werfen ein schier paradoxes Licht auf den Wahlausgang. Der unterlegene Herausforderer Rafał Trzaskowski gewann in den meisten, nämlich zehn der 16 polnischen Woiwodschaften, holte mit großem Vorsprung die meisten Großstädte (61 Prozent) und verbuchte auch eine knappe Stimmmehrheit in kleinen und mittelgroßen Städten.

Doch Andrzej Duda bleibt auf dem Land unangefochtener Sieger, wo er 63 Prozent der Stimmen gewinnen konnte. Auch diese Wahl spiegelt somit den Verlauf der innerpolnischen politischen Front wie schon zuvor wider: Kosmopolitische Großstadt versus traditionsbewusste, vermeintlich abgehängte Provinz. Dass Polen hierbei kein Sonderfall ist, macht der Vergleich zu anderen westlichen Demokratien deutlich, wo ähnliche Entwicklungen zu verzeichnen sind.

Die Lage ist festgefahren

Für die jeweiligen politischen Gegenspieler in Polen dürfte es auch in Zukunft schwer werden, ihre Machtbasis weiter auszubauen. Dafür fehlt den liberalen Kräften bislang ein Konzept, um die Landbevölkerung für sich zu gewinnen, das national-katholische Lager hingegen muss sich fragen, wie sie künftig nicht nur stärker die Stadtbevölkerung anvisieren, sondern auch ihre Wählerbasis an sich erneuern kann. Denn die ersten Auswertungen zeigen, dass die Altersgruppen 18 bis 49 Jahre eindeutig für den liberalen Kandidaten gestimmt haben. Andrzej Duda hingegen konnte in der Altersgruppe 50+ punkten.

Bekanntlich ist nach der Wahl vor der Wahl. Die Auswertung des Wahlkampfes wird Polen noch eine ganze Weile beschäftigen. Doch Hoffnungen, dass die festgefahrene Lage in Polen, in der eine Hälfte der Bevölkerung in radikalem Widerspruch zu weltanschaulichen Überzeugungen der anderen Hälfte steht, sich in Zukunft entspannen kann, sehen nach diesem Wahlsonntag eher düster aus.

Eine vertane Chance

Beide Lager haben im Endspurt ihres Wahlkampfes – was nicht überrascht – auf die Mobilisierung ihrer Zielgruppen gesetzt und keinen ernsthaften Versuch unternommen, in Dialog mit den Zielgruppen des politischen Gegners zu treten. Die politische und mediale Debatte in Polen bleibt ein Monolog, mit verheerenden Folgen für die politische Kultur im Land, was das nicht stattgefundene TV-Duell zwischen beiden Kandidaten (beide traten separat vor „ihren“ Medienvertretern auf) am eindringlichsten versinnbildlicht hat.

Dass Herausforderer Rafał Trzaskowski nicht zum TV-Duell der staatlichen Medien gefahren ist, wird von einigen Politikbeobachtern als entscheidend für seine Wahlniederlage angesehen. Seine Absage war verständlich, denn der Staatssender TVP, der von Kritikern gerne mit dem nordkoreanischen Fernsehen verglichen wird, hätte keine faire Debatte garantiert. Doch in der Höhle des Löwen hätte sich der Herausforderer gut vorbereitet behaupten können, er hätte Gelegenheit gehabt, den Präsidenten vor seinem eigenen Publikum mit unbequemen Fakten zu konfrontieren. Eine vertane Chance.

Duda bleibt bis 2025 im Amt

Trzaskowskis Ausgangslage war natürlich schwieriger als die des Präsidenten, der sich der Unterstützung der staatlichen und regierungsnahem Medien sowie der Kirche sicher sein konnte. Umso mehr ist sein Wahlergebnis ein großer Erfolg für die Opposition, wobei im Hinterkopf behalten werden muss, dass ihn zahlreiche Anhänger der zuvor in der ersten Runde gescheiterten Kandidaten gewählt haben – nicht aus Sympathie, sondern allein aus Protest gegen die Politik Dudas und der Regierung.

Andrzej Duda, der bislang als willfähriger Unterstützer der Regierung seit 2015 den kontroversen Staatsumbau mitzuverantworten hat, wird nun bis 2025 im Amt bleiben. Für die Opposition bleibt dies in zweifacher Hinsicht ein düsteres Szenario. Sollte sie bei den Parlamentswahlen 2023 die jetzige Regierung vom Podium stürzen, so wird sie nicht am Präsidenten vorbeiregieren können.

Eine Chance für den Präsidenten

Auf der anderen Seite liegt nun alle Hoffnung – die vage bleiben muss –, die Regierung in ihrem Kulturkampf gegen die Moderne und die Aushöhlung des Rechtsstaats zu bremsen, ausgerechnet auf Andrzej Duda selbst. Die zweite Amtszeit ist seine letzte, was dem Präsidenten die Chance bietet, sich von seiner politischen Familie zu emanzipieren.

Die kommenden fünf Jahre muss er nicht mehr auf die Unterstützung von PiS bauen. Er könnte versuchen, sein Image einer Marionette in Händen des mächtigen Parteivorsitzenden und heimlichen Staatenlenkers Jarosław Kaczyński, zu rehabilitieren. Den Fokus seiner letzten Amtszeit müsste er dann darauf lenken, wie er künftig als Präsident in Erinnerung bleiben will. 

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Hubert Sieweke | Mo., 13. Juli 2020 - 20:09

wenn man die Stigmatisierung verfolgt. Da wird der Oppositionelle als LIBERALER!!?? dargestellt, obwohl er von der "ALLE GEGEN DUDA" Koalitiuon aufgestellt wurde, die alles andere als liberal sind. Die Opposition unter Tusk hatte doch lange in Polen die Macht inne und hat Polen damals in die Verschuldung gefahren.
Auch wird gerne gesagt, OIS und Duda seien rückwärtsgewandt und die Opposition sein liberal, modern und für alles sozialistische. Was hat der Bürgermeister von Warschau denn bisher für seine Stadt an Liberalität erreicht? Wie hat man damals triumphiert, als alle oppositionellen Parteien diesen Bürgermeister wählten, obwohl die einzelnen Parteien tief zerstritten sind. Nennenswertes hat es bisher nicht gegeben. Die Schwarz/weiß Berichte sind leider nicht das, was sich in Polen abzielt.

Thomas Hechinger | Mo., 13. Juli 2020 - 23:41

Die polnische Wahl war in der Tat ein Fest der Demokratie: Zwei Kandidaten mit unterschiedlichen Vorstellungen, wohin Polen gesteuert werden soll, und ein Volk, das diese Alternativen aufnimmt und sich knapp für eine Seite entscheidet. In Deutschland versteht man das nicht mehr. So geht nämlich Demokratie. Viel zu schnell wird bei uns der Begriff Spaltung in die Debatte geworfen. Was will man eigentlich damit bezwecken? Will man eine Regierung haben, die von 80 oder 90 Prozent des Volkes getragen wird? Gar von 100 Prozent? Nur damit man nicht von Spaltung reden kann? Den meisten, die so daherreden, ist gar nicht bewußt, daß sie implizit einer Diktatur das Wort reden.
Der Schönheitsfehler, daß die beiden Kontrahenten nicht im Fernsehduell gegeneinander angetreten sind, ist zu verschmerzen. Das 2017er-Duett - pardon! - ich meine natürlich: Duell Merkel gegen Schulz mit zwei Kandidaten, die im Prinzip dasselbe wollen, ist ein abschreckendes Beispiel, wie Demokratie nicht funktioniert.

Gerhard Lenz | Di., 14. Juli 2020 - 11:35

Antwort auf von Thomas Hechinger

war die Wahl in Polen zweifelsfrei nicht. In einer medialen Umgebung, in der die Opposition kaum vorkommt oder wenn, in eher unvorteilhaftem Licht erscheint, kann wohl schwerlich von einer fairen Auseinandersetzung die Rede sein.
Man kennt das ja aus Russland oder Ungarn, wo wirkliche Opposition kaum noch stattfindet.
Wenn dann auch noch der Amtsinhaber als Mitglied der Regierungspartei Wahlgeschenke verkündet - was gar nicht Sache des Staatspräsidenten ist - wird offensichtlich, um was für eine Art von Wahl es sich handelt.
Internationale Wahlbeobachter haben dies kritisiert, natürlich ohne irgendwelchen Folgen.
Polen hat sich längst zu einer "gelenkten Demokratie" zurückentwickelt, in der Wahlen nur noch den demokratischen Schein wahren sollen.

Andererseits ist das Ergebnis für einen Kandidaten, der erst im Mai mangels anderer Kandidaten aus Verlegenheit antrat, ein Riesenerfolg. Schafft es die demokratische Opposition, sich zu einigen, kann Duda bei der nächsten Wahl einpacken.

Kleine Korrektur: fast alle Zeitschriften und Zeitungen sind regierungskritisch und manche sogar PiS-feindlich. Eine der grössten Fernsehanstalten TVN ist sehr PiS kritisch und und und. Es ist also umgekehrt, die Opposition hat mehr Medien auf ihrer Seite als die Regierung. Leider ist diese falsche Behauptung, in Polen gäbe es keine Medienvielfalt immer wieder wiederholt. Eine schöne Legende, aber eben nur eine Legende.

Keine Angst. Präsident Duda wird in fünf Jahren auf jeden Fall das Feld räumen. Denn so steht es in Artikel 127 der polnischen Verfassung. Es ist immer wieder aufschlußreich, wie sich die Linken abmühen, der ungarischen oder polnischen Regierung autoritäres Verhalten und Unterdrückung der Pressefreiheit anzuhängen. Die Belege sind dann meist reichlich dünn. Dabei will ich den Befund nicht einmal abstreiten, er ist nur nicht spezifisch für diese Länder. Alle Regierungen dieser Welt wollen wiedergewählt zu werden. Und wenn sich die Gelegenheit bietet, sich ein günstiges Medienumfeld zu schaffen, greift man zu. In Deutschland sind die öffentlich-rechtlichen und die meisten privaten Medien fest in linksgrüner Hand und unterstützen die Regierungspolitik, die Opposition kommt dort nicht vor. Die Regierung instrumentalisiert den Verfassungsschutz, um die größte Oppositionspartei auszuschalten. Kümmern wir uns erst um unsere Probleme, dann können wir gerne mit dem Finger auf andere zeigen.

Zitat: "kann Duda bei der nächsten Wahl einpacken"
Da kennen Sie sich aber nicht wirklich mit der polnischen Verfassung aus, Herr Lenz. Bei der nächsten Wahl zum Staatspräsidenten im Jahr 2025 wird Herr Duda nämlich aufgrund seiner dann abgelaufenen zweiten Legislazurperiode gar nicht antreten dürfen.

Herr Lenz, ist schon sehr komisch, was Sie da in bezug auf Polen schreiben. "Man kennt das ja aus Russland oder Ungarn, wo wirkliche Opposition kaum noch stattfindet." Soweit muss man eigentlich nicht gehen, oder? Bleiben Sie im Lande! "Polen hat sich längst zu einer "gelenkten Demokratie" zurückentwickelt" - ich kenne da noch ganz andere Beispiele, mir kommt das sehr bekannt vor!

Hr. Hechinger, ich verstehe Ihre Argumentation, so kann man es auch betrachten. Aber ist es dennoch nicht eine Spaltung in zwei Große Lager mit diametralen Vorstellungen, wie es auch in Brexit-England zuletzt gewesen ist.
Der Situations-Gegensatz im Vergleich zu Merkel/Scholz ist natürlich eklatant.
Es gibt hier Forenteilnehmer die sich vor der Demokratie fürchten, für die Demokratie nur in Form einer RotGrünen Zustimmungs-und Bekenntniskratie akzeptieren.

Ernst-Günther Konrad | Di., 14. Juli 2020 - 07:18

68 % Wahlbeteiligung, eine knappe Mehrheit für Duda. Das aus dem Artikel leichte Trauer heraus zu hören ist, weil der Herausforderer unterlag, meine ich zu erkennen.
" Dass Polen hierbei kein Sonderfall ist, macht der Vergleich zu anderen westlichen Demokratien deutlich, wo ähnliche Entwicklungen zu verzeichnen sind."
Schön, das auch mal festgestellt wird, dass Polen eine Demokratie ist und nicht, wie uns unsere "Staatsmedien" gerne suggerieren wollen, kurz vor der Diktatur steht. Die Polen haben knapp mehrheitlich entschieden und das gilt es zu respektieren, auch wenn Frau Merkel und Teile der EU gegen konservative Regierungen es deutlich schwieriger haben werden, sich mit allem durchzusetzen. Das Sie allerdings besonders erwähnen, dass sich Polen den USA besonders verpflichtet fühlt erstaunt mich schon. Die Polen haben einiges unter sowjetischer Herrschaft durchgemacht. Dass sie den Schulterschluss zur USA suchen ist doch mehr als verständlich. Merkel hat das bewusst ausgeblendet.

Kai Hügle | Di., 14. Juli 2020 - 16:27

Antwort auf von Ernst-Günther Konrad

Wie leichtfertig Sie wieder mit solchen Worthülsen wie "Staatsmedien" umgehen. Bitte informieren Sie sich über die Zustände in Polen (und Ungarn) und vergleichen Sie dies mit dem öffentlich-rechtlichen Rundfunk hierzulande. Ich empfehle folgenden - durchaus nicht unkritischen - Aufsatz:

https://www.bpb.de/apuz/276555/oeffentlich-rechtlicher-rundfunk-in-der-…

Darin ist eine wissenschaftliche Studie verlinkt, die ebenfalls sehr erhellend ist:

https://cmpf.eui.eu/media-pluralism-monitor/mpm-2016-results/

Spaßeshalber die Nachfrage: Sind nur die Journalisten objektiv-neutral, mit deren Standpunkten Sie übereinstimmen? :-)

Tomas Poth | Di., 14. Juli 2020 - 14:28

Bei gespaltener Gesellschaft kommt halt nichts anderes bei heraus. Letztlich ein Sieg. Größe zeigt sich wenn man auch Große Niederlagen (knappes Verfehlen) akzeptiert und nicht rumnörgelt.

Romuald Veselic | Di., 14. Juli 2020 - 16:20

Über 51 Pro der Stimmen, macht etwa drei Prozent Unterschied. Wie sieht das in den Landtagen vor Ort aus? Indem sich 3-Minderheitsparteien zusammen tun, und der Mehrheit ihre Ideologie aufzwingen, wo alles Vorrang hat, außer indigener Masse. Klientelismus pur.
Na ja, deutsche Sichtweise/Wahrnehmung, ist so schwerwiegend ist, wie die Meuterei der deutschen Gartenzwerge.