Jaroslaw Kaczynski
Für Jaroslaw Kaczynski ist Demokratie lediglich eine Fassade / picture alliance

Jaroslaw Kaczynski - Ein einfacher Mann

Seit vier Jahren wird Polen faktisch vom PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski regiert, der die demokratischen Institutionen konsequent aushöhlt – jetzt hat seine Partei die Wahl gewonnen

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Der 70 Jahre alte Jaroslaw Kaczynski fungiert offiziell zwar nur als einfacher Abgeordneter im polnischen Sejm. Trotzdem ist Angela Merkel schon einmal nach Warschau geflogen, um mit ihm über die Zukunft Europas zu sprechen. Das hat seine Gründe, denn der Sejm orientiert sich sogar am Lebensrhythmus dieses einfachen Abgeordneten: Weil Kaczynski gern lange schläft, beginnen die Tagungen des Parlaments erst am späten Vormittag. Noch dazu hat der einfache Abgeordnete Kaczynski mehr Leibwächter als der Ministerpräsident. Obwohl die Bodyguards keine Polizeibeamte sind, dürfen sie übrigens trotzdem in Parlaments- und Regierungsgebäuden ihre Pistolen tragen.

Für die polnischen Nationalkonservativen ist dieser einfache Abgeordnete ein Heiliger. Kaczynski hat aus vielen unterschiedlichen rechten Strömungen und Splitterparteien mit eiserner Faust die kohärente und kraftvolle Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) erschaffen, die seit vier Jahren regiert und nach den Parlamentswahlen vom 13. Oktober sehr gute Aussichten hat, dies während der nächsten vier Jahre auch weiterhin zu tun. Obwohl Kaczynski keinen Platz auf der Regierungsbank hat, passiert in Polen so gut wie nichts ohne das Wissen des PiS-Vorsitzenden. Man könnte sogar den Eindruck gewinnen, dass Ministerpräsident Mateusz Morawiecki und sogar Staatspräsident Andrzej Duda den Befehlen Kaczynskis gehorsam folgen.

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Andreas Zimmermann | Fr., 11. Oktober 2019 - 10:37

Tja, wenn es denn alles wahr wäre, dann wäre das alles sehr bedenklich. Warum kommen mir allerdings die angeprangerten Auswüchse wie Gleichschaltung der Medien, Manipulation der Gesellschaft, Demokratie als Fassade und der Missbrauch von Polizei und Justiz zur Verfolgung von Gegnern usw. nur so bekannt vor? An welches Land erinnern mich derartige Zustände nur?

Ihre Parallelen zur DDR sind korrekt. Auch wenn die Zustände in Polen sich eher einer Diktatur von "Rechts" annähern, so wie auch in Ungarn.

Wie gut wir es dagegen in der BRD haben, scheinen viele zu vergessen. Hier können Sie jeden Tag gegen das System, die demokratischen Parteien, 16jährige Umweltaktivistinnen, ja die ganze Welt anschreiben, und es wird Ihnen nichts passieren. Sie können sich im Zeitungsladen um die Ecke mit systemfeindlicher Lektüre bis zur Halskrause eindecken. Und am Montag mit den Chaoten von Pegida wieder über Plätze marschieren und sich über das dekadente und multikulturell versuchte Deutschland ereifern, ohne dass Sie abends von Männern in Ledermänteln abgeholt werden. Soweit die Verfolgung von politisch Andersdenkenden...
Und falls Ihre Meinung tatsächlich Mehrheitsmeinung werden sollte, wonach es allerdings nicht aussieht, könnte sogar Frau Merkel aus der Regierung rausgewählt und die AfD in die Regierung hineingewählt werden.

Rudolf Stein | Fr., 11. Oktober 2019 - 17:06

Antwort auf von Gerhard Lenz

Ja, ich könnte das alles, was Sie schreiben. NUR: es kämen danach keine Männer mit Ledermänteln, sondern "besorgte" BürgerInnen, die mich zu Anfang umerzeiehn wollen, dann aber rasch ungemütlich werden. UND: es ist nicht sicher, ob ich als Unangepasster -vulgo Nazi - noch meinen Arbeitsplatz behalte. Die Gutmenschen würden mir, dem Schlechtmenschen, dann sagen, dass das allein mein eigener Fehler sei. Ja, ja, die Methoden des Regierens haben sich seit Jahrzehnten deutlich verändert, aber die Ziele sind die gleichen geblieben.

Kai-Oliver Hügle | So., 13. Oktober 2019 - 06:12

Antwort auf von Rudolf Stein

Ich weiß natürlich nicht, inwieweit Ihre "unangepassten" Meinungen mit dem GG und der FDGO vereinbar sind. Aber auch in einer wehrhaften Demokratie muss sich ein Extremist um seinen Arbeitsplatz eigentlich nur dann Sorgen machen, wenn er im öffentlichen Dienst tätig und mithin einer besonderen Treuepflicht unterworfen ist. Aber gerne können Sie Ihre Andeutungen natürlich erläutern. Kennen Sie jemanden, der schon mal Besuch von "besorgten" Mitbürgern/Gutmenschen hatte, die ihn "umerziehen" wollten und dabei "ungemütlich" wurden? Und falls ja, hat derjenige nicht Anzeige erstattet, z. B. wegen Hausfriedensbruch, Nötigung, Körperverletzung etc.?

Andreas Zimmermann | So., 13. Oktober 2019 - 09:34

Antwort auf von Gerhard Lenz

Schön das Sie die Möglichkeiten in einer Demokratie so klar benennen können. Ja, all das kann ich tun! Und Sie könnten rein gar nichts dagegen machen, wie immer... :-)

helmut armbruster | Fr., 11. Oktober 2019 - 10:47

wir verlieren England als EU-Mitglied, weil die EU nicht bereit war England machen zu lassen, was England wollte.
Bei Polen ist das anders. Da drückt die EU beide Augen zu. Warum? Wieso? Wer weiß das schon.
Fest steht, dass England ein wirklicher und spürbarer Verlust für die EU ist, während Polen nur ein Kostgänger ist.
Diese EU werde ich nie verstehen.

Ich habe da einige Fragen zu Ihrem Ausflug in die politische Theorie:
1) 1685? Lockes Two Treatises wurden vier Jahre später (1689), ein Jahr nach der Glorious Revolution, veröffentlicht. Und hat sich das politische System GBs seitdem nicht etwas verändert? Lockes Gewaltenteilung z. B. sah keine Judikative vor - also jene Instanz, die Boris Johnson kürzlich davon abhielt, das Parlament vorübergehend zu entmachten.
2) Falls Sie Hobbes meinen, wie genau wurde die EU 2007 zu einem "Leviathan", also einem Staat, in dem eine Regierung absolute, d. h. uneingeschränkte(!) Macht ausübt, um seine Bürger davor zu bewahren, sich gegenseitig umzubringen? Hat das mit dem Beitritt Bulgariens und Rumäniens zu tun?

Wojciech Kacpura | Sa., 12. Oktober 2019 - 02:44

Vor 2 Tagen habe ich meine Mutter in Polen besucht. Der Artikel scheint mir jedoch von einem anderen Land zu handeln. In der Presse,(davon ca. 80% in den Händen der deutschen Medienkonzerne) habe ich mich ausgiebig informieren können. Keine Spur von einer Gleichschaltung. Am wenigsten in der linksliberalen "Wyborcza" mit dem Leiter der Auslandsabteilung Herr Wielinski. Die Warschau unterscheidet sich nicht von einer anderen Stadt in Europa.Wahlplakaten der konkurrierenden Parteien hängen friedlich nebeneinander. In persönlichen Gesprächen hört man das normale Geschimpfe über Politik- aber nicht mit vorgehaltener Hand, dabei ist auch keiner verhaftet worden. Auch Herr Wielinski für seine Artikel in der "Zeit" oder "Welt" nicht. Die Mehrheit der Menschen ist für die PiS, weil deren Politik hat in Polen eine Balance zwischen der Gerechtigkeit und Freiheit des Einzelnen und der Gemeinschaft wiederhergestellt.

Ernst-Günther Konrad | So., 13. Oktober 2019 - 10:30

Noch 28 Staaten in der EU, vielleicht bald 27. Das bedeutet 27 Regierungen mit immer wieder wechselnden politischen Zielen und Ausrichtungen. Gerade auch unsere Regierung konnte nicht genug bekommen, alles und jeden hinein zu holen. Da wurden, wie im Falle Griechenland die Haushalte schön gerechnet und bei Unstimmigkeiten einfach mal weg geschaut und niemand, wirklich niemand kam auf die Idee sich mal zu fragen, wie man ein solches Sammelsurium an Staaten "führen" soll. Eine zeitlang ging das auch mit deutschem Geld gut, ließen sich die Visgradstaaten und andere "einkaufen". Jetzt haben sie den EU-Salat. Ein ehemals als friedensfördernder Wirtschaftszusammenschluss gedachtes Konstrukt, entzieht sich immer mehr die Stützpfeiler. Die Werte einer EWG, wobei De Gaulle auf die Nationen der Vaterländer baute und Adenauer nicht, er wollte ein vereinigtes Europa, sie werden inzwischen neu formuliert und da hat ein Kaczynski nach der Loslösung von Russland neue Karten in der Hand.