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EU-Geschäftsgeheimnis-Richtlinie - Ein fatales Signal an Whistleblower

LuxLeaks, Panama Papers, Dieselgate: Hier haben Unternehmen Aktivitäten vertuscht, die ans Licht der Öffentlichkeit gehören. Doch anstatt Steuerschlupflöcher konsequent zu schließen, hilft die Politik den Unternehmen, solche Skandale in Zukunft noch einfacher geheimzuhalten

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Julia Reda war von 2010 bis 2012 Bundesvorsitzende der Jungen Piraten. Sie engagiert sich für europapolitische Themen und setzt sich für eine Vernetzung der Bewegung mit den internationalen Piratenparteien ein

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Unpassender hätte der Zeitpunkt kaum sein können. Gerade hatte das Europaparlament nach fünf Jahren zähen Verhandlungen die neue Datenschutzverordnung verabschiedet. Ohne die Enthüllungen von Whistleblower Edward Snowden hätten die Mitgliedstaaten einen so weitgehenden Datenschutz nicht akzeptiert.

Der letzte große Skandal, der durch einen Whistleblower aufgedeckt wurde, die Panama Papers, war noch keine zwei Wochen alt. Trotzdem haben die Europa-Abgeordneten am Donnerstag eine Richtlinie zum Schutz von Geschäftsgeheimnissen durchgewunken, die künftigen Whistleblowern zusätzliche Steine in den Weg legen könnte.

Geschäftsgeheimnisschutz ist keine neue Erfindung: Bisher sichert das deutsche Gesetz gegen den unlauteren Wettbewerb (UWG) Unternehmen einen Schutz vor Wirtschaftsspionage zu. Allerdings sind die Voraussetzungen, welche Betriebsinformationen überhaupt als Geschäftsgeheimnis gelten, vergleichsweise eng gefasst. Klar ist: Informationen über illegales oder unethisches Verhalten gehören nicht dazu.

Beliebige Informationen als Geschäftsgeheimnisse erklären


Das wird sich durch die soeben verabschiedete Richtlinie grundlegend ändern: Als Geschäftsgeheimnisse gelten nun alle Informationen, die jemand geheimhält, dem die Geheimhaltung wirtschaftlich nützt. Das heißt, Unternehmen und auch Einzelpersonen können in Zukunft beliebige Informationen zu Geschäftsgeheimnissen erklären, solange eine Veröffentlichungen einen finanziellen Schaden anrichten könnte. Das ist zweifelsohne der Fall, wenn das Bekanntwerden der Informationen rufschädigend ist. Der Anwaltskanzlei Mossack Fonseca beispielsweise haben die Panama Papers wohl kaum neue Kunden eingebracht.

Wenn ein Whistleblower solche Geschäftsgeheimnisse an eine Redaktion weitergibt oder eine Journalistin darüber berichtet, kann der Geschäftsgeheimnisträger sie verklagen. Zwar sieht die Richtlinie Ausnahmen vor, unter denen die Weitergabe von Geschäftsgeheimnissen durch Whistleblower oder die Medien gerechtfertigt sein können, aber diese sind vage formuliert – die Beweislast liegt zukünftig nicht mehr beim Unternehmen, das sich auf Geschäftsgeheimnisschutz berufen will, sondern bei der Person, die Informationen weitergibt.

Heikle Position von Whistleblowern


Ob die Ausnahme für Whistleblower im Falle eines Falles vor horrenden Schadensersatzforderungen schützt, ist zweifelhaft. Antoine Deltour, der Whistleblower, der für die Aufdeckung des LuxLeaks-Steuerskandals verantwortlich war, wandte sich kurz vor der Abstimmung im Europaparlament mit einem Plädoyer an die Abgeordneten: Ihn schütze die Whistleblower-Ausnahme nicht, denn bei seinen Enthüllungen ging es nicht um illegales oder ordnungswidriges, sondern lediglich um unethisches Verhalten. Es ist an Zynismus kaum zu überbieten, dass das gleiche Parlament, das Deltour noch im letzten Jahr den Europäischen Bürgerschaftspreis für seine Verdienste verliehen hat, seine Warnungen nun in den Wind schlägt und die ohnehin schon heikle rechtliche Position von Whistleblowern noch verschlechtert.

Das Signal an die Europäische Bevölkerung ist fatal: Die Reichsten in unserer Gesellschaft entziehen sich ihrer Verantwortung für die Allgemeinheit. Die Politik reagiert nicht mit der konsequenten Schließung von Steuerschlupflöchern, sondern gibt Unternehmen neue Instrumente an die Hand, solche Skandale vor der Öffentlichkeit geheimzuhalten. In einer Zeit, in der nationalistische und EU-feindliche Parteien europaweit auf dem Vormarsch sind und die Presse durch tätliche und verbale Angriffe eines rassistischen Mobs zunehmend unter Druck gerät, sollten wir alles daran setzen, investigativen Journalismus als eine der Säulen unserer freien Gesellschaft zu stärken! Stattdessen geben wir den Europafeinden Argumentationsstoff an die Hand, dass sich die EU ohnehin nur um Wirtschaftsinteressen schere. Dabei zeigen internationale Finanzskandale wie LuxLeaks und die Panama Papers deutlicher als je zuvor, dass wir der Steuerflucht nur durch transnationale Kooperation Herr werden können, dass wir soziale Gerechtigkeit global angehen müssen.

Die USA haben viel Kritik für ihren Umgang mit Whistleblowern wie Chelsea Manning und Edward Snowden geerntet – nicht zuletzt von europäischen Abgeordneten. Es wird Zeit, dass wir uns an unseren eigenen Worten messen und Whistleblower europaweit gesetzlich unter Schutz stellen. Nur, wenn die europäischen Institutionen als Anwalt der Bevölkerung auftreten, können wir das Vertrauen in das europäische Projekt zurückgewinnen.

Der öffentliche Aufschrei kam zu spät


Für die Geschäftsgeheimnis-Richtlinie lässt sich das Rad nun nicht mehr zurückdrehen. Bis zum Inkrafttreten muss nur noch der Rat der nationalen Regierungen das Gesetz absegnen, im Anschluss haben die Mitgliedstaaten zwei Jahre Zeit, die Richtlinie in ihr nationales Recht zu integrieren. Dann heißt es in Deutschland, Schadensbegrenzung zu betreiben, damit die neuen Regeln die Medien nicht unnötig einschränken. Die Richtlinie erlaubt es den Mitgliedstaaten, einen noch weitgehenderen Geschäftsgeheimnisschutz einzuführen als von EU-Ebene vorgegeben. Das gilt es unbedingt zu verhindern!

Auch verwandte Gesetze wie die zur Informationsfreiheit gehören auf den Prüfstand. Denn sie stellen den Geschäftsgeheimnisschutz bislang grundsätzlich über das Informationsinteresse der Öffentlichkeit. Wenn in Zukunft alles ein Geschäftsgeheimnis sein kann, müssen Behörden viel sorgfältiger prüfen, ob eine Informationsfreiheitsanfrage nicht trotzdem beantwortet werden sollte, weil das Recht auf Informationsfreiheit überwiegt. Nur eine Stärkung der Auskunftsrechte der Öffentlichkeit kann die schädlichen Folgen der Geschäftsgeheimnis-Richtlinie teilweise abfedern.

Um das zu erreichen, muss die Öffentlichkeit das Gesetzgebungsverfahren vom Anfang bis zum Ende aufmerksam verfolgen. Auf europäischer Ebene kam der öffentliche Aufschrei zu spät. Viele Abgeordnete konnten nicht mehr umgestimmt werden – obwohl sich am Ende unter anderem der Deutsche Gewerkschaftsbund und einige Medien gegen die neue Richtlinie stellten. Es gilt jetzt zu verhindern, dass die Umsetzung der Richtlinie in Deutschland genauso leise vonstatten geht wie der Entwurf der Richtlinie in der EU.

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