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Donald Trump und die Medien - Ein faustischer Pakt

Ob Donald Trump die heutigen Vorwahlen im US-Bundesstaat Wisconsin gewinnt, ist zwar noch unsicher. Fest steht aber schon jetzt, dass auch dieser Wahltag ein Fest für die amerikanischen Kabelnachrichtensender werden wird. Denn die werden erneut Kasse machen

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Markus Ziener ist Professor für Journalismus in Berlin. Zuvor berichtete er als Korrespondent aus Washington, Moskau und dem Mittleren Osten.

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Gerade eben noch hatte Donald Trump in einer TV-Diskussion die Debattenkultur der republikanischen Partei auf ein neues Niedrigniveau geführt, da baute sich schon CNN-Reporter Chris Cuomo vor dem New Yorker Geschäftsmann auf. Acht Minuten lang durfte Donald Trump unmittelbar im Anschluss an die Debatte im texanischen Houston noch einmal exklusiv und ungestört jene Dinge ins Mikrophon sprechen, die er in der vorausgegangenen Diskussion nicht unterbringen konnte. Nicht genug damit: Gerade mal 30 Minuten später schaltete CNN-Starmoderator Anderson Cooper Donald Trump noch einmal live zu seinem Expertenpanel. Erneut hatte Trump ausführlich Gelegenheit, nun auch noch das loszuwerden, was er bisher zweimal zu sagen versäumt hatte.

Sollte das nur ein Einzelfall gewesen sein? Ein unfairer Ausrutscher ausgerechnet jenes Kabelsenders, der sich in vergangenen US-Präsidentschaftswahlkämpfen stets um Objektivität bemüht hatte? Tatsächlich wiederholte sich die Vorzugsbehandlung von Trump nur drei Wochen später, am 10. März. Wieder durfte Trump direkt nach einer Debatte exklusiv mit Chris Cuomo sprechen. Wieder durfte der 69-Jährige seine eigene Performance preisen und die willfährigen Fragen des CNN-Reporters aufgreifen.

Die Bühne, die Trump damit geboten wurde, war Gold wert. Denn der richtige „spin“, der richtige „Dreh“, der einem Auftritt hinterher gegeben wird, entscheidet oft mindestens genauso über die Wahrnehmung beim Zuschauer wie die Präsentation in der Debatte selbst. Vor Jahren hatte die große Bedeutung dieser Post-Debatten-Analysen bereits eine Studie der Arizona State University festgestellt. Der „Spin“ veranlasse regelmäßig potenzielle Wähler, ihre Meinung zu den Kandidaten zu ändern, stellten die Forscher seinerzeit fest. Zwar mag sich das im Zeitalter von Social Media etwas verschoben haben. Dennoch bleibt: Wer die Lufthoheit über den Expertenrunden besitzt, der kann sogar noch einen schwachen Auftritt in der öffentlichen Wahrnehmung in einen Erfolg umdeuten. Und wer, wenn nicht der Medienprofi Trump, wüsste, wie man so etwas anstellt?

Dauer-Bühne für Trump: Es geht ums Geld
 

Nur: Warum macht sich CNN zum Werkzeug der Spin-Doktoren? Die Antwort ist einfach: Es geht ums Geld. Der Sender aus Atlanta, 1980 einst gegründet von Ted Turner und heute Teil des Medienunternehmens Time Warner, müht sich seit Jahren, den Sinkflug bei den Zuschauerquoten zu stoppen. Das frühere Cable News-Flaggschiff fiel 2013 und 2014 bei der Zuschauerpopularität auf jeweils historische Tiefststände. Den Spitzenplatz bei der Beliebtheit hatte der Sender schon 14 Jahre zuvor an die konservativen Fox News abgegeben - und nie wieder zurück erobert. Zwar verdiente CNN trotz seiner teuren Produktionen und einem weltweiten Korrespondentennetz noch immer Geld. Doch für die Muttergesellschaft Time Warner nicht genug: Sie hatte 2013 mit Jeff Zucker einen neuen CEO geholt, der sparen und erneuern sollte. Weltweit wurden Büros geschlossen, teure Mitarbeiter entlassen und die Programmstruktur überholt. Doch all die Sparbemühungen füllen die Kassen nicht annähernd so gut wie Donald Trump. Jedes Mal, wenn Trump auf Sendung ist, explodieren die Zuschauerzahlen.

Hatte 2014 das Wall Street Journal sogar noch darüber gegrübelt, ob CNN in der sich rasant wandelnden digitalen Medienwelt überhaupt noch einen Platz habe, so wurde 2015 plötzlich zum besten CNN-Jahr seit langem. Durch die extensive Wahlberichterstattung schossen die Einschaltquoten im vergangenen Jahr um sagenhafte 170 Prozent nach oben. „Diese Zahlen sind verrückt“, sagte Zucker bei einem Lunch mit US-Reportern im März. „Einfach nur verrückt." Dabei platzte der CNN-Chef regelrecht vor Freude. 200 000 Dollar kassiert CNN für einen 30-Sekunden-Werbespot, der während einer republikanischen Kandidatendebatte geschaltet wird. Das ist 40-mal so viel, wie CNN an einem durchschnittlichen Fernsehabend verlangen kann. Gleichzeitig erlebt die Webseite von CNN einen noch nie da gewesenen Boom und generiert über die Klickzahlen ebenfalls hohe Werbeeinnahmen. Zu verdanken haben dies CNN aber auch andere Kabelsender wie Fox oder MSNBC – einzig ihm: Donald Trump.

Der Spitzenreiter in der republikanischen Wählergunst wirkt wie ein Magnet, weil er alles zusammen ist: spontan, vorlaut, unkontrollierbar, beleidigend, rassistisch, aber auch mal entwaffnend ehrlich und stets bizarr in Mimik und Gestik. Die Vorstellung, dass einer wie Trump am Ende US-Präsident werden könnte, treibt Anhänger wie Gegner vor die Bildschirme. Für die TV-Sender bedeutet Trump „cash". Aber umgekehrt ist auch für Trump dieser Effekt bares Geld. Auf unglaubliche 1,9 Mrd. Dollar hat die New York Times kürzlich den Wert der Sendezeit geschätzt, die Trump bislang kostenlos gewährt worden ist. Diese Summe hätte Trump aufbringen müssen, hätte er diese „Airtime“ bei den Sendern kaufen müssen. Zum Vergleich: Ted Cruz, sein Hauptrivale, hat etwa 300 Millionen Dollar kostenlose Sendezeit bekommen; Hillary Clinton rund 750 Millionen Dollar. Mit anderen Worten: Jener Mann, der ohnehin kein Geldproblem hat, weil er selbst Milliardär ist, erhält noch einen satten kostenfreien Bonus.

Trump darf sogar für Wein und Steaks werben
 

Den vorläufigen Gipfel erreichten die Trump-Spiele am Abend des 8. März, als der Gewinner des Vorwahltages eine 45-minütige Pressekonferenz abhielt, die live von allen Nachrichtensendern im Kabel übertragen wurde. Darin machte Trump sogleich Werbung für eigene Produkte, für Wein und Steaks. Von Hillary Clinton, die zur gleichen Zeit ihre Siegesrede hielt, wollte niemand Notiz nehmen. „Das“, so die New York Times süffisant, „war wirklich etwas Neues“.

Trump weiß, wie wertvoll er für die Sender ist. Daher kann er auch (fast) alles verlangen. Wenn etwa Trump in einer politischen Sendung seine Meinung sagen will, dann ruft er beim Sender an und lässt sich ins Programm schalten. Diese so genannten „phone-ins“ produzieren inzwischen eine heftige Debatte darüber, ob es überhaupt zulässig sei, Trump auf diese Weise jetzt noch zusätzliche Sendezeit zu schenken. Manche Redakteure wehren sich dagegen, andere stehen unter dem Druck ihrer Unternehmen - und geben nach. Als am Tag der Anschläge in Brüssel CNN über den Terror berichtete, war Trump wieder live per Telefon dabei. Elf Minuten lang befragte Wolf Blitzer, einer der erfahrensten Journalisten bei CNN, Trump zu Moslems, Europa - und Verhörmethoden. Der enttäuschte den Sender nicht und redete markig der Folter das Wort. Hätte man den mutmaßlichen Drahtzieher der Terrorattacken von Paris im November, Salah Abdeslam, etwa mit Waterboarding gefoltert, so Trump, dann wären die Angriffe in Brüssel möglicherweise zu vermeiden gewesen. „Unter Folter hätte der bedeutend schneller ausgepackt“, sagte Trump zu Wolf Blitzer. CNN und Trump hatten wieder, was sie wollten: große Aufmerksamkeit und viele Zuschauer.

Trump-Berichterstattung: zu wenig Analyse, zu viel Hype
 

Dabei erfolgt die jetzt entbrannte öffentliche Diskussion über den unheiligen Pakt zwischen Trump und den Medien viel zu spät - und ist zu einem Gutteil scheinheilig. Die US-Medien (genauso wie das republikanische Establishment) haben seit dem Sommer 2015 Donald Trump vor allem als eine Klickund Quotenmine hofiert, nie aber in ihm einen ernsthaften Präsidentschaftskandidaten gesehen. Das Gejammer über das Monster, das die Medien zumindest mitgeschaffen haben, ist jetzt zwar groß; aber die Gier nach dem Geld noch immer größer.

Larry Sabato, Politikprofessor an der University of Virginia, wirft in seinem Blog „Crystal Ball“ seit Monaten einen kühlen Blick auf den Wahlkampf und die Statistik. Er macht den Medien den Vorwurf, dass diese bei Trump etwa den Faktencheck sträflich vernachlässigt hätten. „Trump treibt die Zuschauerzahlen so sehr nach oben, dass er viel zu wenig unter die Lupe genommen wird." Tatsächlich haben sich etliche von Trumps Aussagen als sachlich falsch erwiesen - und Zeitungen wie die Washington Post oder die New York Times berichten auch darüber. Doch in den elektronischen Medien findet diese genaue Analyse kaum oder gar nicht statt. „Die Journalisten opfern jeden ihrer Standards auf dem Altar der Quoten“, kritisiert Sabato. Und weiter: „Die Medien werden einiges zu erklären haben.“ Falls, ja falls Trump tatsächlich Präsident der USA werden sollte.

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