Der Europäer war zuerst da: Silvio Berlusconi (l.) und Donald Trump / dpa

Antiamerikanismus im Zeichen von Trump - Das Land der Bösen und Blöden

Der Wahlsieg von Donald Trump ist ein gefundenes Fressen für die vielen Amerika-Verächter bei uns. Hatten sie es nicht schon immer gesagt: Die USA sind von einem unkultivierten Haufen bevölkert. Dabei werden die europäischen Parallelen zum Trumpismus gerne übersehen.

Autoreninfo

Der promovierte Politikwissenschaftler Ulrich Berls ist Fernsehjournalist und Autor. Von 2005 bis 2015 leitete er das ZDF-Studio München. Bei Knaur erschien sein Buch „Bayern weg, alles weg. Warum die CSU zum Regieren verdammt ist“.

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So sehr sich die politischen Parteien am linken und rechten Rand des Spektrums in Deutschland immer schon bekämpften, in einem waren und sind sie sich einig: Politik und Kultur der USA sind abscheulich. Dazu gibt es eine Traditionslinie von der Weimarer Republik bis in die Gegenwart. 

Sahra Wagenknecht beispielsweise sieht die USA als den Hauptschuldigen am Ukraine-Krieg, und ihr Ehemann Oskar Lafontaine hat ein Buch mit dem Titel „Ami, it’s time to go“ veröffentlicht. Auch am anderen Rand, in der AfD, ist die Mitgliederzahl im Amerika-Fanclub bescheiden. Björn Höcke nennt die USA eine „raumfremde Macht“, die in Europa nichts verloren habe (der Herr Oberstudienrat hat wohl ein bisschen Carl Schmitt gelesen). Eine große Zahl von AfD-Wählern meint in Umfragen, Deutschland sei ein Vasall der USA. Dennoch freut sich AfD-Chefin Alice Weidel über Trumps Sieg und meint sogar, sein Wahlkampf sei vorbildhaft für ihre Partei.

Der Ur-Trump aus Italien

Auch abseits der parteipolitischen Ränder, bis tief in die gesellschaftliche Mitte hinein, gibt es Vorbehalte gegen die USA; nicht nur politische, sondern besonders gerne auch kulturelle. Die Masse da drüben liest doch, wenn überhaupt, nur Micky Maus und schaut stumpfsinnige Soap-Operas – während hierzulande ja fast nur Kant gelesen und die Dramen von Goethe geschaut werden, möchte man entgegnen. Deshalb war dieser triumphale Wahlsieg von Trump jetzt auch für viele Amerika-Verächter ein weiterer Beleg dafür, dass das Überlegenheitsgefühl der Alten gegenüber der Neuen Welt durchaus begründet ist. Was für ein ungehobelter Maulheld und Wirrkopf ist doch dieser alte, neue US-Präsident Donald J. Trump. Gab es schon einmal einen derart unkultivierten Kandidaten für ein Spitzenamt in einer westlichen Demokratie?

Die traurige Antwort lautet: Ja. Und zwar im vielleicht kultiviertesten Land der Erde. Kein anderes Land hat jedenfalls so viele UNESCO-Weltkulturerbe-Stätten. Wir reden von einem Land, das für seine Architekten und Designer, seine Modemacher, seine raffinierte Küche, von einem Land, das als Inbegriff des guten Geschmacks weltberühmt ist, wir reden von Italien. Der Archetypus all der Donald Trumps unserer Tage war zweifellos Silvio Berlusconi. Die Parallelen zwischen Trump und Berlusconi sind frappierend: Beide haben Milliarden in der Immobilienbranche gemacht, beide waren Fernseh-Profis. Und – beide wurden wiedergewählt.

Das Phänomen „Trump“ ist keine amerikanische Erfindung, es gibt keinerlei Anlass für uns, höhnisch auf die USA herabzublicken. Rechtspopulismus hat alle Nationen des Westens erfasst. Man schaue sich doch nur einmal die Wahlergebnisse von Finnland bis Italien, von Frankreich bis Österreich an.

Globalisierung, der Niedergang alter Industrien, offene Grenzen, um nur drei Zumutungen der Gegenwart zu nennen, überfordern viele Menschen. Sie werden anfällig für Politiker, die ein Zurück versprechen. Die Parole der britischen Brexiteers war ja „Take Back Control“. Im Spielfilm über Trumps junge Jahre, „The Apprentice“, sagt der Hauptdarsteller, als er erstmals die Parole „Make America Great Again“ hört, das „Again“ in dem Spruch gefalle ihm am besten. Eine klitzekleine Szene in dem sehenswerten Film, die den Instinktpolitiker Trump auf den Punkt bringt.

Antipolitiker

Es sind oft Nicht-Politiker, die heutzutage antreten. Schon Berlusconi agierte einst nach dem Motto „Wählt mich, denn ich bin kein Politiker“. Der Hass auf die Eliten ist das einigende Band all dieser Bewegungen, westlich und östlich des Atlantiks. Bei Donald Trump manifestiert sich das augenblicklich in den geradezu disruptiven Nominierungen für sein Kabinett. Eine Wrestling-Managerin als Bildungsministerin, ein Impfgegner als Gesundheitsminister usw. Man muss an Steve Bannon, den sinistren Berater aus Trumps erster Amtszeit, zurückdenken, der von der „Zerstörung des Staates von innen heraus“ faselte.

Das System der Fachleute, Technokraten, Berufspolitiker, das gesamte administrative Establishment soll weggefegt werden. In Washington rechnet man am 21. Januar, am Tag nach der Amtseinführung des 47. Präsidenten, mit der Entlassung von zehntausenden Spitzenbeamten. Mehr noch als seine bizarre Erscheinung ist es diese Radikalität, die Trump 2.0 so spektakulär macht. Aber noch viel wichtiger: Es ist die Funktion der Vereinigten Staaten als „Unverzichtbare Nation“, die Rolle als globale Wirtschafts- und Militärmacht Nummer eins, die dazu verführt, den Morbus Trump isoliert zu betrachten.

Spätdemokratie

Das brutale Mehrheitswahlrecht der USA, die Präsidialdemokratie, das Zweiparteiensystem vergröbern nur einen Trend, den es auch in Europa und bei uns in Deutschland gibt: Tiefes Misstrauen gegenüber der Expertokratie, ein Abscheu vor den Altparteien (die heutigen US-Republikaner sind keine Grand Old Party mehr), ein abgrundtiefer Hass auf die Mainstream-Medien – das sind alles transatlantische Phänomene.

Wie tief der Zorn auf „das System“ sitzt, zeigt sich, wenn Skandale, ja sogar Vorstrafen der Reputation mancher Kandidaten eher nützen als schaden. Das Polizeifoto, das den finster blickenden Donald Trump abbildet, als ihm in Georgia der Prozess gemacht wurde, war als T-Shirt-Aufdruck ein gigantischer Verkaufshit. Den zigfach rechtskräftig verurteilten Silvio Berlusconi – ein letztes Mal sei an ihn erinnert – nannten sie liebevoll „Il Cavaliere“. Lieber ein Gauner, der nicht so tut, als wäre er ein Heiliger, statt des verlogenen Packs, sei es in Rom, Berlin, Brüssel oder Washington, das meint, sich als Hüter von Moral und Rechtstaatlichkeit aufspielen zu dürfen.

In der Politikwissenschaft werden seit den 1990er Jahren unter der Überschrift „Postdemokratie“ die Auflösungsprozesse unseres liebgewonnenen demokratischen Systems thematisiert. Vielleicht wäre ja auch der Begriff „Spätdemokratie“ zutreffend – hüben wie drüben, nicht nur im Land der Bösen und Blöden, sondern auch bei uns. 

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Romuald Veselic | Mo., 25. November 2024 - 18:32

freue, dass Donald, der 47.POTUS ist, das haben Sie, Herr Berls, exakt zusammengefasst.

Und zwar, ich bin es total überdrüssig immer die gleichen dämlichen Visagen der "Profi"-Politiker zu sehen u den von ihnen verbalen Müll täglich zu hören. Es ist nur 1 andere Version der blöden Leninschen Werke, die wir tagein-tagaus, uns im Realsozismus anhören müssten; bis einer das Radio Jerewan fragte:
"Wisst ihr, wie erkennt man 1en echten Kommunisten?"
"Im Prinzip ja. Besonders dann, wenn er beim Lesen von/über Lenin - Orgasmus bekommt."

Bei "uns" (D) ist das ähnlich, indem Lenins Werke durch Klimarettung/Wärmepumpe ersetzt wurden.

Ich kann's nicht mehr hören(!). 😖

Ich sehe, wie das Land mental und physisch bachruntergeht. Deshalb interessiert mich das nicht. Besonders dann nicht, wenn ich infolge des Willkommenssyndroms, tot werde. 😈

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