- Was die App Wetter.com übers Konsum-Klima verrät
Die meisten nutzen die App Wetter.com auf dem Smartphone, um zu wissen, ob es regnen wird. Der Standortzugriff ermöglicht aber auch Analysen über unser Shopping-Verhalten. Wie das funktioniert und wo wir uns während Corona aufgehalten haben, verrät ein Geodata-Science-Experte der GfK.
Hendrik Wagenseil ist Experte für Geodata Science im Bereich Geomarketing bei der Gesellschaft für Gesellschaft für Markt- und Konsumforschung (GfK).
Herr Wagenseil, als privates Marktforschungsinstitut untersucht die Gesellschaft für Markt- und Konsumforschung (GfK) regelmäßig die Besucherfrequenzen in den deutschen Innenstädten. Wie machen Sie das eigentlich?
Wir erheben zusammen mit wetter.com seit Beginn des Jahres fortlaufend die Besucherfrequenzen in circa 1.000 Einkaufslagen in ganz Deutschland auf täglicher und wöchentlicher Ebene. Den Erhebungen liegen Messungen einer Smartphone-Applikation mit Ortsbezug zugrunde.
Sie können jeden Besucher wahrnehmen, der die Wetter.com-App auf dem Smartphone hat?
Nein, das ist selbstverständlich nicht möglich. Weder sehen wir einzelne Besucher noch einzelne App-User in unserem Datenstrom. Ortsbezogene Informationen werden vollständig anonymisiert erhoben und nicht personenbezogen gesammelt. Dies geschieht unter Beachtung der aktiven Einwilligung aller Teilnehmer sowie unter Beachtung aller gesetzlicher und datenschutzrechtlicher Bestimmungen. Die ortsbezogenen Daten werden dann in Bezug auf die von uns ausgewählten Lagen aggregiert und ausgewertet.
Welche Daten kommen denn bei Ihnen dann an?
Wir erhalten diese Daten zudem ausschließlich aggregiert – damit stellen sie wie bereits erwähnt statistische Werte dar, die beschreiben, wie viele Personen insgesamt innerhalb eines Zeitraums an einem Ort gewesen sind, ohne dass sich irgendwelche Rückschlüsse auf einzelne Personen ziehen lassen. Und auch diese Hochrechnung wird nur durchgeführt, wenn für die Berechnung ein gewisser Stichprobenumfang verfügbar ist, andernfalls weisen wir keine Werte aus.
Und trotzdem können Sie dann Aussagen darüber treffen, wie viele Menschen sich gerade wo aufhalten?
Es kommen verschiedene Gewichtungs- und Hochrechnungsverfahren zum Einsatz, sodass wir ausgehend von der Anzahl der Nutzer statistische Rückschlüsse auf die tatsächliche Besucherzahl ziehen können. Es handelt sich bei den von uns erhobenen Werten also um modellierte Werte, die wir durch entsprechende Kalibrierungen mit Referenzdaten geeicht haben.
Interessant sind Ihre Erhebungen, weil Sie Rückschlüsse auf unser Konsumverhalten zulassen. Inwiefern korrelieren denn die Besucheranzahl in den Innenstädten mit der tatsächlichen Kundenanzahl beziehungsweise dann mit den Umsätzen des Einzelhandels?
Die Daten sind – wo möglich – mit Erhebungen aus anderen Quellen, zum Beispiel Lasermessungen, Lichtschranken oder ähnliches geprüft und zeigen eine hohe Konsistenz hinsichtlich absoluter Höhe und hinsichtlich der zeitlichen Veränderung. Im Detail muss man bedenken, dass es keine 100 Prozent vergleichbaren Referenzdaten gibt. So werden bei punktuellen Zählungen Personen unter Umständen mehrfach gezählt, während unsere Messungen eindeutig sind. Zudem betrachten wir üblicherweise die Besucher eines größeren Gebietes, nicht nur diejenigen, die zum Beispiel eine gedachte Linie überschreiten.
Welche unterschiedliche Lagen definieren Sie dabei?
Derzeit konzentrieren wir uns auf stark besuchte Einkaufslagen in größeren Städten in Deutschland. Wir unterscheiden die drei Lagekategorien Innenstädte, Einkaufs- und Fachmarktzentren.
Was haben Sie in den vergangenen Monaten herausgefunden? Wie haben sich die Besucherströme seit Corona entwickelt?
Hier gab es durchaus interessante Beobachtungen. Natürlich hat die Besucherfrequenz in allen Lagen und Regionen durch die Einschränkungen im Zuge der Corona-Pandemie abgenommen. Allerdings gab es durchaus Unterschiede zwischen den genannten Lagekategorien und auch zwischen den einzelnen Bundesländern. Wir haben uns das auf aggregierter Ebene angeschaut und festgestellt, dass der Rückgang in Berlin besonders stark war auf im Mittel noch 40 Prozent der Vor-Corona-Besucherfrequenz in allen drei genannten Lagekategorien, während im direkt angrenzenden Brandenburg dagegen immerhin noch circa 57 Prozent erreicht wurden. Bezogen auf die einzelnen Lagen sind die Frequenzen in Innenstädten weniger stark zurückgegangen als in Shoppingcentern, die ja in der Regel komplett geschlossen waren. Am wenigsten „verloren“ haben Fachmarktzentren, wo die zumeist ansässigen Lebensmittelhändler und Drogerien (und je nach Bundeslandregelungen auch andere Einzelhändler) noch für eine gewisse Besucherfrequenz gesorgt haben.
Lässt sich prognostizieren, wie die weitere Entwicklung verlaufen wird?
Wir sehen seit dem Tiefpunkt des Lockdowns ab Mitte März eine stetige Erholung in allen Bereichen, unterbrochen von kleineren ferien- und feiertagsbedingten Schwankungen. In einigen Bundesländern ist das Niveau zu Jahresbeginn auch bereits wieder erreicht beziehungsweise sogar übertroffen, andere hinken in der Entwicklung noch hinterher. Für die weitere Entwicklung wagen wir noch keine Prognose, da die vorliegenden Daten keine belastbaren Rückschlüsse zulassen, sondern maßgeblich das weitere Infektionsgeschehen Einfluss haben wird.
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