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Schuldenkrise - Trügerische Ruhe an der Eurofront

Kanzlerin Merkel und Finanzminister Schäuble wollen die Probleme der Währungsunion bis zur Bundestagswahl aussitzen. Doch das ist eine riskante Strategie. Sogar aus Deutschland droht Gefahr

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Eric Bonse berichtet seit 2004 aus Brüssel über Europapolitik. Er betreibt auch den EU-Watchblog „Lost in Europe“.

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Offiziell ist das Thema längst abgehakt. Einen weiteren Schuldenschnitt für Griechenland werde es nicht geben, hatte die Bundesregierung schon im Dezember 2012 klargestellt. Erst wenn Athen „eines Tages wieder mit seinen Einnahmen auskommt, ohne neue Schulden aufzunehmen, dann müssen wir die Lage anschauen und bewerten“, sagte Kanzlerin Merkel. Das werde aber nicht vor 2014/15 der Fall sein, „wenn alles nach Plan läuft.“

Doch es läuft nicht nach Plan, ganz und gar nicht. Erst preschte Eurogruppenchef Jeroen Dijsselbloem vor - und machte den Griechen in einem viel beachteten Interview Hoffnung auf eine neue Umschuldung. Dann funkte der Internationale Währungsfonds dazwischen: Bei der Rettung Griechenlands sei von Anfang

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Das Loch beläuft sich nach Angaben des Spiegel auf 4,6 Mrd. Euro, eigentlich keine allzu große Summe. Dennoch könnte es für Merkel und Finanzminister Schäuble zu einer bösen Falle werden. Denn die Opposition in Berlin will die neuen Ungereimtheiten nutzen, um die Bundesregierung vorzuführen. „Die Wahrheit muss auf den Tisch“, fordert SPD-Haushaltsexperte Carsten Schneider. Merkel müsse den Bürgern noch vor der Wahl im September klipp und klar sagen, dass Griechenland zusätzliches Geld kosten werde.

Es ist nicht die einzige unangenehme Wahrheit, die Merkel gerne aussitzen würde, ganz im Gegenteil. Die Kanzlerin und ihr oberster Kassenwart haben, salopp formuliert, noch einige Leichen im Keller.

Seit dem Beginn der Eurokrise haben Merkel, Schäuble und die anderen Euro-Retter nämlich nicht nur in Griechenland massive Fehler gemacht. Fast alle Hilfsprogramme stehen auf wackeligen Füßen; spätestens nach der Bundestagswahl muss nachgebessert - und wohl auch Geld nachgeschossen - werden. Hier die Liste der Wackelkandidaten:

- Irland: Der Musterschüler der Euroretter möchte zwar noch in diesem Jahr an die Märkte zurückkehren. Doch ohne fremde Hilfe wird dies wohl nicht gelingen. Die Regierung in Dublin hat bereits mehrfach Hilfe beim Abbau des Schuldenbergs angemahnt, Berlin stellte sich taub. Die Europäische Zentralbank hat zwar Entlastung versprochen, doch auf Dauer dürfte das nicht ausreichen.

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- Portugal: Auch der ärmste Staat Westeuropas gilt in Berlin als Musterschüler. Doch der Widerstand gegen die von den Eurorettern verordnete drastische Rosskur wächst; gleichzeitig bleiben die versprochenen Sparerfolge aus. Bereits im letzten Jahr war deshalb von einem zweiten Hilfsprogramm die Rede; einige Experten rechnen sogar mit einen Schuldenschnitt nach griechischem Vorbild.

- Zypern: Das im Frühjahr hastig zusammengezimmerte Hilfsprogramm deckt nur einen Bruchteil des auf 23 Mrd. Euro geschätzten Hilfsbedarfs. Zudem dürfte die „Rettung“ in diesem Jahr zu einem Einbruch der Wirtschaftsleistung um 8,7 Prozent führen, schätzt der IWF. Es ist also nur eine Frage der Zeit, wann Zypern erneut Hilfen anfordern muss. Vermutlich wird auch ein Schuldenschnitt nötig.

- Slowenien: Das kleine Balkanland leidet, genau wie Irland, an einer schweren Bankenkrise. Doch die Slowenen wollen eine Schocktherapie wie in Zypern vermeiden und zögern deshalb einen Hilfsantrag an die Eurogruppe heraus. Sie ziehen es vor, die schmerzhaften Reformen selbst einzuleiten und umzusetzen - doch ob dies ohne eine Finanzspritze geht, ist völlig offen.

Letztlich gilt für alle Krisenländer, dass Europa nur Zeit gekauft, die Krise jedoch nicht gelöst hat. Die Konjunkturprognosen waren viel zu optimistisch, die Folgen des Sparkurses wurden unterschätzt, die Dauer und Tiefe der Krise auch. Zudem fehlen der Eurozone einige wichtige Instrumente, um die Währungsunion dauerhaft abzusichern - von gemeinsamen Anleihen bis hin zu einem eigenen Währungsfonds, der den IWF ablösen könnte.

Den Eurorettern ist dies durchaus bewusst. Im vergangenen Herbst haben EZB-Chef Draghi, EU-Kommissionspräsident Barroso und Ratspräsident Van Rompuy deshalb einen Masterplan für eine „vollständige Währungsunion“ ausgearbeitet, der die Versäumnisse beheben sollte. Eigentlich sollte dieser Plan schon im Januar in Kraft treten - rechtzeitig vor der Bundestagswahl in Deutschland und den Europawahlen im Frühjahr 2014.

Doch beim EU-Gipfel im Dezember setzte Merkel das Reformpapier der Präsidenten kurzerhand von der Tagesordnung ab. Kurz vor dem Wahljahr 2014 wollte sie nicht über Finanztransfers und neue Eingriffe reden. Seither ist das Thema tabu. Die Eurokrise wird - nicht zuletzt auf Wunsch der deutschen Wahlkämpfer - unter dem Deckel gehalten. Schlechte Nachrichten werden ausgeblendet, potentielle Hilfskandidaten auf bessere Zeiten vertröstet. „Wir sind nicht mehr im Krisenmodus“, heißt die frohe Botschaft der Spindoktoren Berlin. Doch sie ist trügerisch. Denn während man sich in Brüssel noch brav an die Wahlkampfpause hält, droht ausgerechnet aus Deutschland neues Ungemach: Die Verhandlung über die umstrittenen Anleihekäufe der Europäischen Zentralbank vor dem Bundesverfassungsgericht könnte „erhebliche Konsequenzen“ haben, warnte EZB-Direktor Jörg Asmussen.

Sollten die Richter der EZB in die Parade fahren, könnte die trügerische Ruhe an der Eurofront schnell vorbei sein. Dann wären nicht nur die Länder in Gefahr, die ohnehin schon gestützt werden müssen. Die dann zu erwartende Unruhe an den Anleihemärkten könnte auch wieder Italien, Spanien oder sogar Frankreich erfassen.

Wenn die EZB nicht mehr unbegrenzt an den Märkten intervenieren kann, könnten Spekulanten die Entschlossenheit der Euroretter aufs Neue testen. Dann wäre die Eurozone plötzlich wieder genau da, wie so nach den Worten Asmussens heute vor einem Jahr stand: „kurz vor dem Zerfall“.
 

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