- Moskau blickt nach Asien
Der Rubelkurs fällt, die Wirtschaft stagniert. Auch die westlichen Sanktionen setzen der russischen Wirtschaft zu. Allerdings sind die Kassen in Moskau gut gefüllt. Die Vertrauenskrise zwischen Russland und dem Westen führt jedoch dazu, dass der Kreml sich auf die Suche nach neuen Partnern macht
Während sich die Bewohner der Krim auf das Referendum über die Zukunft der Insel vorbereiteten, purzelten die Kurse des Rubels und des russischen Aktienindexes RTS: Zum 15. März erreichten beide – in Erwartung einer harschen westlichen Reaktion – ihren niedrigsten Stand seit der Weltwirtschaftskrise. Die Hiobsbotschaften für Russland waren damit nicht zu Ende: Kurz darauf senkten sowohl Standard&Poor's als auch Fitch den Ausblick für das Rating Russlands von stabil auf negativ. Fitch senkte später auch noch die Prognose für eine Reihe russischer Großbanken.
Dem Crash folg die Stabilisierung
Doch die Aufregung erwies sich als kurzfristig: Der Aktienindex RTS steigt seit Mitte März langsam aber sicher, der Rubel hat gegenüber Euro und Dollar wieder deutlich zugelegt. Auch die Abstufung der Prognosen wollen Experten nicht überbewerten: Derzeit bedeuten sie lediglich, dass es für die großen russischen Banken schwieriger wird, im Ausland Kapital zu leihen.
Die Erklärung für die Stabilisierung ist einfach: Eine harsche Reaktion des Westens auf die russische Annexion der Krim ist ausgeblieben, die Sanktionen haben nur einzelne Personen aus dem Umfeld des russischen Präsidenten getroffen. Was nun kommt, hängt davon ab, ob sich die Krise um die Ukraine weiter verschärfen wird.
Gerade hat die Weltbank dafür ihre Prognose abgegeben: Sollte sich die Krise um die Ukraine nicht verschärfen, wird das russische Wirtschaftswachstum 2014 bei 1,1 Prozent liegen – im Dezember war die Weltbank noch von 2,2 Prozent ausgegangen. Grund für die gedämpften Erwartungen sind allerdings nicht die Sanktionen, sondern der Vertrauensverlust von Investoren und Verbrauchern in die russische Wirtschaft sowie die Kapitalflucht, die laut Weltbank in diesem Jahr 85 Milliarden Dollar betragen könnte.
Für den Fall einer Zuspitzung der Krise zwischen dem Westen und Russland hält die Weltbank auch eine Rezession der russischen Wirtschaft für möglich, die Kapitalflucht könnte bis zu 150 Milliarden Dollar betragen. Die Prognosen des russischen Finanzministeriums bezüglich der Kapitalflucht ähneln jenen der Weltbank. Mehr Optimismus gibt es derzeit noch beim Wachstum: Das russische Wirtschaftsministerium rechnet mit einem Zuwachs von 2,5 Prozent in diesem Jahr, allerdings will es die Prognose im April aktualisieren.
Abhängigkeit vom Rohstoffgeschäft
Die Entwicklung ist nicht neu - Russland ist seit der Weltwirtschaftskrise von 2008 keine Boomwirtschaft mehr. Zwar wächst die Wirtschaft seit 2009 wieder, allerdings äußerst langsam, denn die oft angekündigte Modernisierung der Wirtschaft hat keine Früchte getragen. Das Grundproblem der russischen Wirtschaft bleibt die hohe Abhängigkeit von den Einnahmen aus dem Rohstoffgeschäft, insbesondere aus dem Export von Öl und Gas: Rohstoffe stehen für ca. 80 Prozent der russischen Exporte und finanzieren zu rund 50 Prozent den Staatshaushalt. Unternehmen investieren momentan kaum in neue Produktionsstätten, und auch die Verbraucher halten sich angesichts unsicherer wirtschaftlicher Perspektiven zurück.
Putins Wirtschaftskurs war in den vergangenen Jahren weniger auf wirtschaftliche Entwicklung denn auf Imagepolitik ausgerichtet: Der Staat investierte massiv in Prestigeprojekte wie die Olympischen Spiele in Sotschi, was auf die Wirtschaft nur wie ein Strohfeuer wirkte. Daneben erhöhte Putin nach seiner Wiederwahl massiv die Einkommen von Staatsangestellten, darunter Armeeangehörige, Lehrer und Ärzte – was 2012 und 2013 zum Haushaltsdefizit beitrug. Für 2014 hat das Finanzministerium nun einen Sparkurs verordnet.
Zukunft liegt in Ostasien
Allerdings steht der russische Staat auf vergleichsweise stabilen finanziellen Füßen: Die Staatsverschuldung ist mit zehn Prozent des BIP gering, der Außenhandelsüberschuss ist zweistellig und wird angesichts des gefallenen Rubelkurses noch wachsen. Zudem schafft Putin sich wie schon in den Jahren vor 2008 ein finanzielles Sicherheitspolster. Die Reserven in Fremdwährungen und Gold lagen Mitte März bei knapp unter 500 Milliarden Dollar. Hinzu kommen zwei Reservefonds, die aus den Öl- und Gaseinnahmen gespeist werden. Dort liegen insgesamt 120 Milliarden Euro.
Zu einer echten Gefahr für die russische Wirtschaft könnte eine Reduzierung der europäischen Gasimporte werden. Heute ist Europa Russlands wichtigster Abnehmer von Öl und Gas: Das seit den 70er Jahren aufgebaute Pipelinesystem von den Lagerstätten in die Abnehmerländer ist für Russland und Europa – insbesondere für Osteuropa - lebenswichtig. Auf Bestrebungen der EU-Länder, aus politischen Gründen die Abhängigkeit von russischem Gas zu senken, könnte Russland mit einer Ostwendung seiner Handelspolitik antworten. „Die ukrainische Krise könnte auf lange Sicht nützlich sein, weil es uns die Tür in die Zukunft öffnet, und die Zukunft der globalen Wirtschaft und der Politik liegt in Ostasien‟, schreibt etwa Wassili Kaschin in der russischen „Forbes ‟. Seit 2007 verhandelt Russland etwa mit China über eine Ausweitung der Gasexporte – Gazprom will über die nächsten drei Jahrzehnte 38 Milliarden Kubikmeter Gas pro Jahr nach China exportieren. Auch im Rüstungsbereich stehen Großprojekte mit China an, etwa die Lieferung von 48 Suchoi Su-35 Kampfjets. Im Mai reist Putin nach Peking: Dann wird sich zeigen, wie ernst es Russland mit seiner Hinwendung nach Osten meint.
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.