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Öffentlich-rechtliche Intendanten - Staatstragend, alternativlos, Raffkes

Kisslers Konter über maßlose Intendanten: Das Raffketum macht auch vor ARD und ZDF nicht Halt. Die Debatte um die Intendanteneinkünfte zeigt, dass die Anstalten sich zu wichtig nehmen und zu wenig leisten.

Alexander Kissler

Autoreninfo

Alexander Kissler ist Redakteur im Berliner Büro der NZZ. Zuvor war er Ressortleiter Salon beim Magazin Cicero. Er verfasste zahlreiche Sachbücher, u.a. „Dummgeglotzt. Wie das Fernsehen uns verblödet“, „Keine Toleranz den Intoleranten. Warum der Westen seine Werte verteidigen muss“ und „Widerworte. Warum mit Phrasen Schluss sein muss“.

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Ist es Zeit für eine Neiddebatte? Die Intendanten der öffentlich-rechtlichen Rundfunkanstalten verdienen also viel Geld. Ein Hamburger Nachrichtenmagazin hat nachgerechnet und neben stabilen Grundbezügen einen Kranz kommoder Zusatzverdienste ausfindig gemacht. Diese stehen in unmittelbarem Zusammenhang mit der zehrenden Tätigkeit als Intendant oder Intendantin. Wer den Posten ergattert hat, darf oder durfte sich freuen auf bis zu 60.000 Euro jährlich oben drauf. Das Jahresgehalt eines Angestellten gab es automatisch dazu für Monika Piel, ehemalige Chefin des Westdeutschen Rundfunks, weil sie in diversen Aufsichtsgremien saß. Kollege Thomas Bellut vom ZDF begnügte sich mit gut 30.000 Euro Nebeneinnahmen, bei MDR und NDR ließ man es mit 21.000 bis 27.000 Euro bewenden. Selbst der alles in allem recht überflüssige Saarländische Rundfunk polsterte den Spitzenjob mit zusätzlichen 16.000 Euro, risikolos und aufwandschonend.

Offenbar haben die Damen und Herren von der öffentlich-rechtlichen Elite nach der Devise gehandelt: Wer so wichtig ist wie ich, darf alles mitnehmen. Dem steht es zu, neben einem von der Bevölkerung zwangsalimentierten Salär von bis zu rund 350.000 Euro im Jahr weitere Scheine einzusäckeln. Dieses bedenkenlose Raffketum wirft ein bezeichnendes Licht auf das Selbstverständnis der Öffentlich-Rechtlichen, das von Selbstbedienung nicht weit entfernt ist. ARD und ZDF sind berauscht von ihrer eigenen Bedeutung. Sie halten sich, zumindest an der Spitze, für unverzichtbar, staatstragend, alternativlos.

So wie der peinliche TV-Werbespot zur Einführung der Haushaltsabgabe am Jahresanfang nach Eigenlob in großen Dosen roch, versprühen die Zahlen nun den Duft der sonst abgekanzelten Mitnahme-Mentalität, eines Turbo-Kapitalismus unter Umgehung der für Kapitalismus notwendigen Konkurrenz. Der vor einem halben Jahr allabendlich zu sehende Propaganda-Clip zeigte jene Realitätsausblendung, wie sie sich jetzt in den Zusatzeinkünften manifestiert. Darum ist es nicht Zeit für eine Neiddebatte, wohl aber für eine Debatte über das Missverhältnis von finanzieller Ausstattung und Qualität des öffentlich-rechtlichen Fernsehen, seiner insgesamt 22 Sender. Das Radio, das fahrlässigerweise zum Stiefkind der Anstalten verkümmert, ist ein anderes Feld.

 

Die fragliche Eigenwerbung, offenbar von einem latent schlechten Gewissen getrieben, mündete damals in ein dreifaches Bekenntnis. „Wir sind präzise Nachrichten“ sagten die Ansagerinnen Susanne Daubner und Petra Gerster lächelnd in die Kamera – als bestünde die Genauigkeit nicht oft genug darin, präzise die Arme zu heben, um Teil einer verwirrenden Infografik zu werden, um ganz zu verschmelzen mit einer grell herbeigepixelten Studiodekoration oder einem rasant geschnittenen Filmchen, um jeden Gedanken also zu verfüttern an den Augenreiz.

„Wir sind relevanter Talk“ sagten sodann Günther Jauch und Maybrit Illner – als seien deren Talk-Shows nicht längst nur als Unterhaltung und Comedy relevant, als trieben sie nicht die ewiggleichen Silbentouristen durch das flache Land der Soforterregung, der Spontanabwiegelung und des allgemeinen Verdachts. Schließlich durften Tom Buhrow, der als WDR-Intendant mittlerweile knapp 370.000 Euro verdient, und ZDF-Selbstdarsteller Claus Kleber „Wir sind umfassende Informationen“ verkünden – als sei das Themenspektrum vornehmlich des heute-journals nicht längst so weit und groß wie der Flaschenhals eines „kleinen Feiglings“: Koalitionsgeplänkel, Wetterkapriolen, fiese Gauner, lustige Leute, der moralische Zeigefinger und wieder retour.

Natürlich ist die Lage des privaten Fernsehens um keinen Deut besser. Dort sind Informationen jedweder Art mit der Lupe zu suchen, verblödet man gutgelaunt zwischen afrikanischen Eingeborenen und deutschen D-Promis. Die rund 7,5 Milliarden Euro Zwangsgebühren aber setzen die Öffentlich-Rechtlichen und nur sie unter einen doppelten Rechtfertigungsdruck: Sie müssen beständig zeigen, Tag für Tag, dass vorurteilsfrei aufklärende Berichterstattung ihnen wichtiger ist als Fußball, Tierwelt, Boulevard. Und sie müssen beweisen, dass sie mit dem Geld, das der Bürger ihnen anvertraut, weil er es anvertrauen muss, so umgehen, als wäre es ihr eigenes. In dieser Hinsicht gilt ein weiterer Spruch aus der 30-sekündigen Selbstbeweihräucherung im Fernsehspot: „Eine eigene Meinung kann man sich nur bilden, wenn man auch die Fakten kennt.“ Gut, dass wir verglichen haben.

 

 

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