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Cicero

Milliardäre - „Deutsche Unternehmer sind zu verklemmt“

Drogerieketten-Inhaber Dirk Roßmann fordert einen höheren Spitzensteuersatz, hält die neue Rundfunkgebühr für unsinnig und findet Uli Hoeneß‘ Verhalten gefährlich

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

So erreichen Sie Til Knipper:

Herr Roßmann, warum werden Eigentümer von Drogerieketten so häufig verhaltensauffällig?
Wie kommen Sie denn darauf?

Götz Werner propagiert seit Jahren die Einführung des bedingungslosen Grundeinkommens, Anton Schlecker geht als Marktführer wortlos pleite, und Sie fordern mitten im Bundestagswahlkampf höhere Steuern für Reiche?
Sie haben insofern recht, dass Götz Werner und ich uns häufiger in gesellschaftliche Debatten einmischen. Ich bin zwar in keiner Partei Mitglied, aber ich war schon immer ein politischer Mensch, der mitdenken und mitgestalten wollte. Wenn man das große Glück hat, erfolgreich zu sein und sehr viel Geld im Leben zu verdienen, dann erwächst daraus für mich auch eine Pflicht, sich gesellschaftlich einzubringen und sein Gesicht zu zeigen.
 
Also handelt es sich nicht um eine geschickte Marketingmaßnahme oder das Ausleben eines Rampensau-Gens?
Quatsch, glauben Sie ernsthaft, dass das Unternehmen Rossmann davon profitiert hat, als ich mich für den damaligen Bundespräsidenten Christian Wulff eingesetzt habe? Von den 1000 Zuschriften, die ich bekam, waren 800 vernichtend und nur 200 positiv.
 
Warum haben Sie es dann getan?
Ich habe mich einfach über die Art der Berichterstattung aufgeregt. Das war für mich ein Schockerlebnis, diese Hetzjagd, die die Medien veranstaltet haben. Es ging mir dabei gar nicht so sehr um Wulff, der mit Sicherheit auch Fehler gemacht hat. Aber Sie müssen das doch nur mal mit dem Fall Hoeneß jetzt vergleichen, der Steuern in Millionenhöhe hinterzogen hat. Ich kann nicht erkennen, dass dazwischen irgendwie differenziert wird, obwohl es bei Wulff um wesentlich kleinere Beträge ging. Die Frage, die mich aber noch viel mehr beschäftigt: Warum mischen sich so wenige Unternehmer in Deutschland öffentlich ein?
 
Haben Sie eine Theorie?
Ja, ich glaube, viele Unternehmer in diesem Land sind zu schüchtern und vielleicht ein bisschen zu verklemmt. 
 
Meinen Sie das ernst?
Ja, Politiker und Schauspieler müssen sich zwangsläufig ins Scheinwerferlicht der Öffentlichkeit begeben, um ihre Berufe ausüben zu können. Ich kenne aber viele Unternehmer, die als Person kein besonders ausgeprägtes Selbstbewusstsein haben. Die definieren sich nur über ihr Unternehmen, ihren Maschinenpark, ihr Vermögen, über das, was sie geschaffen haben. In diesem abgegrenzten Bereich gegenüber ihren Mitarbeitern oder am Verhandlungstisch treten sie auch sehr selbstsicher auf. In der Öffentlichkeit aber sind viele von ihnen unsicher, weil sie mit direkter Kritik nicht umgehen können. Das sind sie von ihren Mitarbeitern nicht gewohnt. Ich habe damit auch zu spät angefangen und musste den Umgang mit der Öffentlichkeit und den Medien erst mühsam erlernen.
 
Haben die Reichen in Deutschland nicht viel mehr Angst vor Neid als ein Problem mit ihrem Selbstbewusstsein?
Mag sein, dass auch Neid eine Rolle spielt. Wenn ich im Ausland bin, stelle ich aber ohnehin immer wieder fest, dass wir eine völlig verzerrte Selbstwahrnehmung haben. Nach einer aktuellen BBC-Umfrage ist Deutschland das beliebteste Land der Welt. Wir genießen also großes Ansehen in der ganzen Welt, aber das spiegelt sich in der Grundstimmung in Deutschland nicht wider. Es geht mir auch nicht um eine Nivellierung. Ich bin dafür, dass es Unterschiede gibt, und bin dagegen, dass alle das gleiche Gehalt bekommen und alle in identischen Häusern wohnen. Wenn die Schere zwischen den Reichen und den Armen aber immer weiter auseinanderklafft, ist das gefährlich. Wenn die Reichen sich dann auch nicht mehr an Gesetze halten, wie es der Fall Uli Hoeneß zeigt, der eigentlich ein Sympathieträger ist, macht das eine Gesellschaft fragil. Ich bleibe dabei: Wer mehr hat, der trägt auch eine höhere Verantwortung für den Zusammenhalt der Gesellschaft.
 
Womit wir bei Ihren Steuervorschlägen wären. Sie setzen sich für eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes von 42 Prozent auf 49 Prozent ein. Warum wollen Sie mehr Steuern zahlen?
Ich kenne einige vermögende Menschen. Acht von zehn reichen Leuten haben kein Problem mit der Idee, höhere Einkommenssteuer zahlen zu müssen. Die sehen das locker und liegen wegen der Reichensteuer schon jetzt bei einem Steuersatz von 45 Prozent.
 
Die Grünen haben einen ähnlich lautenden Vorschlag in ihrem Wahlprogramm: Ab 60 000 Euro soll man 45 Prozent zahlen, ab 80 000 Euro dann 49 Prozent. Sind diese Grenzen sinnvoll?
Ich halte sie für etwas niedrig, aber ich werde mich jetzt nicht von Ihnen auf einen bestimmten Betrag festnageln lassen. Die Grenzen muss die Politik selbst festlegen.
 
Haben Sie noch weitere Vorschläge?
Die Steuer auf Zinserträge sollte von 25 Prozent auf 30 Prozent erhöht werden. Bei den Krankenkassen sollte man überlegen, ob nicht alle verpflichtet werden, in die gesetzliche Krankenkasse einzuzahlen. Es hindert mich doch keiner, darüber hinaus auch noch private Zusatzversicherungen abzuschließen. Wenn jeder einzahlen muss, ließe sich der Beitragssatz von 14 Prozent auf 10 Prozent senken.
 
Also Bürgerversicherung und höhere Zinsertragssteuer, das stammt jetzt aus dem SPD-Wahlprogramm. Wollen Sie auch einen Mindestlohn von 8,50 Euro netto, wie Sozialdemokraten und Grüne ihn fordern?
 
Ich bin nicht gegen Mindestlöhne, solange dadurch keine Arbeitsplätze gefährdet werden. Bei uns verdient eine Verkäuferin im Monat etwa 2100 Euro brutto je nach Betriebszugehörigkeit. Das macht bei 150 Stunden im Monat einen Bruttolohn von 14 Euro. Damit liegt sie netto auch noch über den 8,50 Euro. 
 
Eben haben Sie noch Christian Wulff verteidigt, jetzt klingt es so, als wünschten Sie sich eine Neuauflage der rot-grünen Koalition?
Unsinn, ich vertrete vor allem bei den Themen Vermögens- und Erbschaftssteuer ganz andere Ansichten als die SPD und die Grünen.
 
Eine Wiedereinführung der Vermögenssteuer lehnen Sie demnach ab?
Davon halte ich überhaupt nichts, auch wenn selbst deren Befürworter das Betriebsvermögen davon ausnehmen wollen. Das linke Spektrum stellt sich das aber immer zu leicht vor. Die Abgrenzung von Privat- und Betriebsvermögen ist wahnsinnig kompliziert. Experten gehen davon aus, dass allein der Verwaltungsaufwand für die Erhebung einer Vermögenssteuer so hoch wäre, dass am Ende kaum etwas von den zusätzlichen Steuereinnahmen übrig bleiben würde. Das haben früher auch SPD und Grüne gewusst und unter Bundeskanzler Gerhard Schröder von einer Wiedereinführung abgesehen.
 
Und für die Erbschaftssteuer gilt das ebenfalls?
Wir haben ein sehr vernünftiges Erbschaftssteuerrecht in Deutschland mit einem Regelsteuersatz von 30 Prozent. Es gibt seit der Steuerreform 2008 die Möglichkeit, beim Übertragen eines Unternehmens auf die nächste Generation die Zahlung der Steuer zu vermeiden, wenn die Erben den Betrieb mindestens zehn Jahre weiterführen. Wer das ändern will, macht einen Fehler, weil dann die Substanz der Unternehmen besteuert wird. Daran kann keiner ein Interesse haben, weil dadurch viele Arbeitsplätze gefährdet werden.
 
Also wünschen Sie sich eine neue Große Koalition?
Es kommt nicht darauf an, was ich mir wünsche. Ich kann nur sagen, dass die Regierung Schröder und die Große Koalition unter Bundeskanzlerin Angela Merkel kluge und weitsichtige Unternehmenssteuerreformen durchgeführt haben. Davor war es gerade für Familienunternehmen schwierig, Eigenkapital für die Firma zu bilden. Als Exportland brauchen wir aber dringend finanziell gesunde Firmen, die investieren können, um international wettbewerbsfähig zu bleiben. Wie wichtig die Reformen waren, hat die Wirtschaftskrise gezeigt. Nur weil die Firmen vorher etwas Speck ansetzen konnten, sind wenige in die Insolvenz gegangen, als plötzlich die Aufträge wegbrachen. Mit dem alten Steuerrecht wären die Unternehmen in der Krise reihenweise kollabiert. So schnell hätten Sie gar nicht berichten können.
 
Sie engagieren sich seit mehr als 20 Jahren mit Ihrer Stiftung Weltbevölkerung als Entwicklungshelfer in Ostafrika. Warum stecken Sie nicht mehr Geld in diesen Bereich, statt eine Erhöhung des Spitzensteuersatzes zu fordern?
Für mein soziales Engagement suche ich mir Bereiche, wo ich mit relativ geringem finanziellen Aufwand viel erreichen kann. Viele Menschen haben keinen Zugang zu Verhütungsmitteln, dabei kostet es nur 13 Euro, ein Paar pro Jahr damit zu versorgen. Das ist ein Anliegen der Stiftung Weltbevölkerung, weil wir dadurch helfen können, unkontrolliertes Bevölkerungswachstum, Aids, ungewollte Schwangerschaften und die daraus resultierenden Probleme zu vermeiden.
 
In Ordnung, aber warum braucht der Staat noch mehr Geld? 2013 rechnet der Staat mit 615 Milliarden Euro an Steuereinnahmen – das ist Rekord.
Ihr Argument ist bekannt und auch nicht falsch. Wir sollten immer auch die Kosten­seite im Auge haben. Für mich ist es auch unfassbar, wie viel Geld bei Großprojekten wie dem Bau des Berliner Flughafens oder bei Stuttgart 21 verschwendet wird. Wenn der Bau unseres neuen Zentrallagers plötzlich das Doppelte kosten würde, könnte ich mir das nicht leisten. Sie dürfen auf der anderen Seite aber auch nicht vergessen, dass die Aufgaben des Staates sehr vielfältig und breit angelegt sind.
 
Gilt dasselbe nicht auch für die Aufgaben des öffentlich-rechtlichen Rundfunks in Deutschland. Warum wehren Sie sich mit Händen und Füßen gegen die Zahlung der neuen Rundfunkgebühr?
Ich erzähle Ihnen jetzt mal, wie das war: Ich war für ein Wochenende in einem Wellnesshotel im Spreewald. Abends guckte ich die „Tagesschau“ und erfuhr dort, dass die Firma Rossmann gegen die neuen GEZ-Gebühren klagt: „Das ist ja interessant“, dachte ich.
 
Sie wussten das gar nicht?
Nein, wir sind hier 20 Personen in der Geschäftsleitung mit klar abgegrenzten Kompetenzen. Der zuständige Geschäftsführer und unsere Anwälte hatten die Klage eingereicht. Es ist hier nicht so, dass alle erst loslegen, wenn der Boss eine Ansage macht. Nach meiner Rückkehr habe ich mir das erklären lassen und stehe voll hinter der Entscheidung.
 
Es soll um Mehrausgaben von etwa 200 000 Euro gehen. Ist das für die Firma Rossmann nicht mehr tragbar?
Es geht hier überhaupt nicht ums Geld, sondern, auch wenn das etwas pathetisch klingen mag, um Gerechtigkeit. Wir klagen gegen eine unsinnig Regelung, weil es nicht in Ordnung ist, dass ich plötzlich für jeden einzelnen Standort Rundfunkgebühren zahlen soll, obwohl wir in unseren Filialen weder Radio, Fernsehen noch Internet haben. Ich werde zu Unrecht häufig als streitlustig bezeichnet. Ich bin friedfertig, aber gegen Ungerechtigkeit habe ich mich schon immer gewehrt. 
 
 

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