- Abgewertet und schikaniert
Kolumne Leicht gesagt: Die neue Aufsicht macht den Banken zu schaffen. Rating-Agenturen senken den Daumen. Für viele deutsche Banken könnte das gut gemeinte Vorhaben der EZB, mehr Strenge walten zu lassen, bedrohliche Folgen haben
Deutschlands Banker treffen sich in diesen Tagen zu ihren Hauptversammlungen. Keine wirklich schönen Treffen werden das diesmal sein, denn Konsequenzen aus der Bankenkrise zeigen Wirkung. Es sagte sich so leicht, die Banken an die Kandare nehmen zu wollen. Als vor drei Jahren die Finanzkrise fast den Euro gesprengt hatte, wurde eine gemeinsame Bankenaufsicht ersonnen.
Die Idee ist resolut umgesetzt worden. Seit einem halben Jahr kümmert sich nun die Europäische Zentralbank um diesen Job und ist – mit Sitz in Frankfurt – der größte Bankenaufseher der Welt. Doch für die vielfältige deutsche Bankenlandschaft könnte die Gefahr bestehen, dass über das Ziel hinaus geschossen wird.
Massenabstufung durch Rating-Agentur
Es begann Ende letzten Jahres mit einem gigantischen europäischen Stresstest, den fast alle geprüften deutschen Banken bestanden. Das allerdings hat die großen deutschen Geldhäuser nicht davor schützen können, nun von anderen üble Noten zu bekommen. Am Dienstagabend kam es zu einer regelrechten Massenabstufung europäischer Banken durch die amerikanische Ratingagentur Fitch.
Die Commerzbank ist danach um vier Stufen gestürzt von A+ auf BBB, was nur noch zwei Stufen vor Ramschniveau ist. Die Deutsche Bank rutschte um eine Stufe auf A und ihr Ausblick sei „negativ“, dröhnt es aus Chicago. Das einst so stolze größte deutsche Geldhaus scheint in vielerlei Hinsicht auf der Rutsche zu sein. Die Jahreshauptversammlung am Donnerstag droht zum Krisentreffen zu werden, zumal das langjährige Herrenhaus der Zunft bald das Privatkundengeschäft verlieren könnte.
Doch auch für Sparkassen und Genossenschaftsbanken sehen die Ratinganalysten keine goldene Zukunft. Als Grund für die miesen Ratings gelten ausgerechnet die neuen Bankenregeln. Die Agentur Fitch geht fest davon aus, dass Staaten nicht mehr bereit wären, Banken zu retten.
Die EZB-Aufseher könnten die Bankenvielfalt bedrohen
Nun mögen die deutschen Banken noch immer weit von Taumel und Niedergang entfernt sein. Doch die strengen neuen Aufsichtsregeln könnten mit dazu beitragen, dass sich die Vielfalt der Institute in Deutschland ändert. So wie die vielen französischen Käsehersteller in der Provinz durch EU-Standards ihr besonderes Geschäft bedroht sehen, bangen in Deutschland vor allem kleine und mittlere Banken um ihre Art.
Als die Pechsträhne der Deutschen Bank und der Commerzbank schon offensichtlich war, warnte der Sparkassen-Verbandschef Georg Fahrenschon vor „Klumpenrisiken“. Das sollte heißen: Wenn wir alle zu ähnlich sind, kann jede Krise zu einer katastrophalen Lawine werden.
Tatsächlich könnte die relative Stabilität der deutschen Banken und Kassen in der Vielfalt liegen. Doch die könnte durch die EZB-Aufseher bedroht sein. Denn die Aufseher wollen möglichst einheitliche Standards. Das Ziel ist ein einheitlicher Aufsichtsmechanismus, ein „Single Supervisory Mechanism“, SSM. Was erst einmal logisch klingt, weil eine Vergleichbarkeit in Europa eine gewisse Normung voraussetzt, ängstigt die Sparkassendirektoren.
Denn für die kleinen und mittleren Banken, zu denen vor allem die vielen Provinzsparkassen und Genossenschaftsbanken zählen, bedeutet SSM schlicht eine Überforderung in vielerlei Hinsicht. Das fängt schon mit sprachlichen Problemen an; die EZB will möglichst englischsprachige Auskünfte. Das größte Problem jedoch scheint zu sein, dass gleiche Maßstäbe an völlig unterschiedliche Größen angesetzt werden könnten.
Rechtmäßige Regeln für Großbanken, Schikane für die Kleinen
Zwar unterscheidet die EZB zwischen systemrelevanten und kleineren Banken. Die Riesen, das sind in Europa 120 Banken, werden von der EZB direkt beaufsichtigt. Um die kleinen und mittleren kümmert sich die EZB nur indirekt. Sie werden ganz offiziell als „Less Significant Institutions“ (LSI) bezeichnet, als weniger Relevante. Doch sie sind mit 3700 Banken in der Summe ganz wesentliche Pfeiler des Geldsystems. Davon stehen die meisten in Deutschland mit seiner öffentlich-rechtlichen Kassen-Tradition.
Wie gehabt soll über diese Banken die Bafin, die Bundesanstalt für Finanzdienstleistungsaufsicht, zuständig sein. Doch sie wiederum untersteht seit der europäischen Neuordnung der EZB. Die EZB also kann Anweisungen geben, die von der Bafin dann nach unten weitergereicht werden müssen. Die Betroffenen haben aber nicht mehr die Möglichkeit wie früher, mit ihren Aufsehern in Kontakt zu treten, um besondere Lagen zu erklären.
Diese vielen mittleren und kleinen Banken befürchten nun, für die großen Zocker büßen zu müssen. Was den Großbanken an neuen Transparenzregeln zu Recht auferlegt werde, sei für sie Schikane, die das Geschäft gefährden könnte. Nationale Traditionen und Eigenheiten spielten auf lange Sicht keine Rolle mehr.
Die EZB will alle Kreditdaten speichern
Als besonders triezendes Beispiel wird die geplante Datenerhebung genannt. Die EZB plant die Speicherung aller Kreditdaten. „Analytical Credit Dataset“, kurz: Ana-Credit soll dieses Großprojekt heißen, das Datenschützer ganz fertig machen wird, sobald es noch in diesem Sommer Gesetz geworden sein wird. Denn Banken sollen dann in einer bisher ungekannten Dimension Daten ihrer Kreditnehmer erfassen und weitergeben. Eine Liste mit 147 Feldern ist dann auszufüllen und abzusenden an diese gigantische neue Kredit-Datenbank.
Bislang wurden solche Daten an die Bundesbank gemeldet, aber erst bei Krediten ab einer Million Euro. In den kommenden Jahren soll diese Meldegrenze schrittweise auf 25.000 Euro gesenkt werden – was erheblichen bürokratischen Aufwand und enorme Folgekosten bedeutet. Und allen Ernstes soll das Ganze eines Tages schon für Mini-Kredite ab 100 Euro gelten, sofern diese Kreditnehmer mal säumig waren bei der Rückzahlung.
Die Bankenkrise hat gelehrt, dass die Finanzaufsicht viel strenger werden musste. Aber Europa sollte dennoch die Proportionen wahren und dafür sorgen, dass Aufseher und Beaufsichtigte nicht im Klein-Klein zu Fall kommen.
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