- Die Politik sollte besser vorbereitet sein
Deutschland wird älter, Deutschland schrumpft - überall hört man den pessimistischen Abgesang auf unseren Bevölkerungsstand. Acht Thesen für eine lebendigere Demographie-Debatte
1. Bisher schien es unabwendbar, dass die deutsche Bevölkerung in den kommenden Jahren stark schrumpft. Doch jetzt schafft die unerwartet starke Einwanderung eine neue Lage. Trotz niedriger Geburtenzahlen ist Schrumpfung kein unabwendbares Schicksal oder Naturgesetz.
2. Die Bevölkerung ist entgegen den Prognosen in den letzten beiden Jahren wieder gewachsen. Es gibt starke Indizien dafür, dass sich diese hohe Zuwanderung dauerhaft fortsetzen kann und für längere Zeit über den bisher erwarteten Zahlen liegt. Deutschland steht in Europa wirtschaftlich ausgesprochen gut da. Das Land bietet ein im EU-Vergleich sehr gutes Ausbildungs- und Forschungssystem, eine breit aufgestellte, wettbewerbsfähige Wirtschaft und eine insgesamt hohe Lebensqualität.
3. Es sollte auch weiterhin kein explizites staatliches Ziel geben, wie groß die Bevölkerung sein sollte. Aber Politik und Gesellschaft in Deutschland können daran arbeiten, dass die vielbeschworene "Willkommenskultur" Wirklichkeit wird. [[nid:54498]]
4. Es gibt gute Indizien dafür, dass sich weitere demografische Faktoren positiv ändern: Investitionen in Kinderbetreuung, ein neues Rollenverständnis von Vätern sowie ein sich ausbreitender allgemeiner Optimismus machen es möglich, dass in Deutschland wieder mehr Kinder zur Welt kommen als bisher erwartet. Auch Skandinavien und Frankreich erlebten eine Trendwende bei den Kinderzahlen. Gesündere Lebensstile und medizinischer Fortschritt könnten die Lebenserwartung stärker steigen lassen als erwartet. Wenn Deutschland wirtschaftlich stark bleibt, dürfte zudem die Zahl der Auswanderer zurückgehen – und die Anzahl der Rückkehrer steigen. Die Politik sollte auch auf ein Szenario gut vorbereitet sein, bei dem sich bisherige Annahmen als falsch erweisen.
5. Schrumpfungsprognosen dürfen keine eigene, negative Kraft entfalten. Sonst drohen weitere Wohnungsknappheit und Engpässe in der Infrastruktur. Wenn etwa in Sachsen-Anhalt die Wissenschaftsausgaben explizit wegen angeblicher sinkender Bevölkerungszahlen gekürzt werden, obwohl eine traditionsreiche Universitätsstadt wie Halle wächst, ist das bedenklich.
6. Ein mögliches Bevölkerungswachstum ändert nichts an zwei Entwicklungen – die Zahl der alten Menschen in Deutschland wird stark zunehmen und abgelegene Regionen werden sich zugunsten von Ballungsräumen leeren. Das sind und bleiben große Herausforderungen. Aber sie lassen sich leichter bewältigen, wenn die Gesamtgröße der Bevölkerung nicht sinkt.[[nid:54498]]
7. Deutschland hat eine besondere gesamteuropäische Verantwortung. Es braucht Zuwanderung wegen des erwarteten Fachkräftemangels. Und es hat Verantwortung dafür, dass sich auch andere EU-Staaten nach der Krise wieder positiv entwickeln. Dies wird der eigentliche Balanceakt für die deutsche Politik werden.
8. Die Demografie-Debatte sollte wieder lebendiger werden. Statt nur die erwartete generelle Schrumpfung vorzubereiten, sollten auch andere Optionen für die Zukunft debattiert werden. Dass Deutschland zu einem Magneten für junge, talentierte Menschen aus ganz Europa und anderen Weltregionen geworden ist, bietet eine große Chance für die gesellschaftliche, wirtschaftliche und demografische Zukunft.
9. Das aktuelle Ergebnis des Zensus, dass in Deutschland 2011 – also vor dem Beginn des neuen Zuwanderungsbooms – 1,5 Millionen Menschen weniger lebten als gedacht, ist nicht sonderlich überraschend. Die aktuellen Zahlen zeigen nur noch stärker, wie plausibel es ist, demographisches Wachstumspotential und die aktuelle Dynamik positiv auszunutzen.
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