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Poker um Zypern - Es droht die Krise der Angela Merkel zu werden

Das zyprische Parlament soll heute den nächsten Schritt gegen den eigenen Staatsbankrott unternehmen: Es geht um die Zwangsabgabe und Bankeinlagen. Im Poker um die Rettung des kleinen Euro-Landes wächst der Druck. Warum werden die Karten nicht auf den Tisch gelegt?

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Meier, Albrecht

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Vordergründig geht es nur ums Geld. Zypern muss die Summe von 5,8 Milliarden Euro aufbringen, bevor es von den Partnern in der Euro-Zone und vom Internationalen Währungsfonds (IWF) gerettet werden kann. Doch beim Zypern-Poker steht noch viel mehr auf dem Spiel – strategischer Einfluss im östlichen Mittelmeer, die Chancen deutscher Parteien im Bundestagswahlkampf und ein Geschäftsmodell im Süden der Insel, das sich überlebt hat. Klar ist dabei, wer die schlechtesten Karten hat: die kleine Inselrepublik mit ihren gerade mal 800 000 Einwohnern.

Woran hakt es bei den Verhandlungen zwischen Zypern und den Geldgebern?

Auch am Freitag ging es bei den Verhandlungen zwischen Zyperns Präsident Nikos Anastasiades sowie der Troika aus EU-Kommission, Europäischer Zentralbank (EZB) und dem IWF um die Frage, wie Zypern aus eigener Kraft 5,8 Milliarden Euro aufbringen kann. Nur unter dieser Voraussetzung wollen die internationalen Geldgeber den überlebenswichtigen Kredit in Höhe von zehn Milliarden Euro lockermachen. Dreh- und Angelpunkt der

Gespräche ist die Zwangsabgabe für in- und ausländische Inhaber zyprischer Konten, über die das Parlament in Nikosia voraussichtlich am heutigen Samstag abstimmen wird. Sie könnte erhoben werden, weil es der zyprischen Regierung trotz aller Bemühungen nicht gelang, die geforderte Summe von 5,8 Milliarden Euro aus anderen Quellen zusammenzukratzen. „Ich vermute, dass es zu der Zwangsabgabe kommt, weil wir sonst nicht auf den gewünschten Betrag kommen“, sagte ein zyprischer Diplomat am Nachmittag.

Genau diese Abgabe hatten die Abgeordneten im zyprischen Parlament aber noch am Dienstag abgelehnt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Anastasiades noch die Hoffnung, ein As in die Finger zu bekommen – in Gestalt neuer Finanzhilfen aus Moskau. Inzwischen hat sich diese Hoffnung zerschlagen; deshalb könnten auch die Abgeordneten der konservativen Partei Disy und der Zentrumspartei Diko, die Anastasiades unterstützen, über die Zwangsabgabe noch einmal nachdenken.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Stimmung in Zypern aufgeladen ist. Inhaltlich lässt sich zwar wenig gegen die Forderung der Troika sagen, dass Zypern seinen aufgeblähten Bankensektor verkleinern muss. Dennoch empfinden viele Zyprer die Forderungen der internationalen Geldgeber als Frontalangriff auf ihr Geschäftsmodell – ein Modell, das die Partner vor der Krise kaum kritisiert hatten.

Wie verhält sich Deutschland?

Bis Mitte der Woche war es noch die Zypernkrise von Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU). Er hatte der Lösung am Freitag letzter Woche zugestimmt, nach der auch Kleinsparer in Zypern eine Zwangsabgabe leisten müssen. Einer Lösung, die am Dienstag in Nikosia vom Parlament abgelehnt wurde und zum Ausbruch der aktuellen Krise geführt hat.

Nun droht es die Krise der Angela Merkel zu werden. Bisher galt das Vertrauen der Deutschen einer Kanzlerin, die ruhig und besonnen die Interessen der Deutschen vertreten und den Euro gerettet hat. Nun ist in Zypern ein chaotischer Fall eingetreten, und Merkel droht ihr überlegenes Macher-Image zu ramponieren. Am Freitagmorgen sorgte die Kanzlerin denn auch dafür, dass die Öffentlichkeit erfuhr, was sie in Sondersitzungen der Union und FDP gesagt hatte: Sie kritisiert den Umgang der kleinen Mittelmeerinsel mit den Euro-Partnern und lehnt Rentenzahlungen in den Rettungstopf strikt ab.

Nach Teilnehmerberichten warnte sie das Land, die Grenzen der Troika aus Europäischer Union, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds zu testen. Zitiert wird Merkel mit dem Satz, Nikosia verhalte sich nach der Devise, lieber zu sterben, als auf Knien weiterzuleben. Auch Unionsfraktionschef Volker Kauder (CDU) sagte: „Wir können nicht akzeptieren, dass die Renten der Menschen verpfändet werden.“ Er betonte: „Wir wollen, dass Europa zusammenbleibt.“ Aber Zypern spiele gerade mit dem Feuer. Sollte es zwischen Euro-Gruppe und Zypern an diesem Wochenende noch eine Lösung geben, wird im Bundestag eine Sondersitzung während der Osterpause nicht ausgeschlossen.

Droht Zyperns Austritt aus der Euro-Zone? Zypern spekuliert darauf, dass Merkel es am Ende nicht zu einem Austritt des Landes aus der Euro-Zone kommen lassen wird – allein schon deshalb, um an den Finanzmärkten keine Zweifel an der Solidarität unter den Euro-Partnern aufkommen zu lassen. Andererseits kann sich der Inselstaat weniger denn je darauf berufen, systemrelevant für die Euro-Zone zu sein: Inzwischen hat sich die griechische Piräus-Bank als Käufer für die Filialen der angeschlagenen zyprischen Banken „Bank of Cyprus“ und „Popular Bank of Cyprus“ in Hellas gefunden; dadurch soll ein Überspringen der Zypern-Krise auf Griechenland, was viele Beobachter befürchteten, vermieden werden.

Kommt Russland am Ende doch noch ins Spiel?

Zyperns Finanzminister Michalis Sarris musste am Freitagmorgen wieder unverrichteter Dinge aus Moskau abreisen. Seit Mittwoch hatte er in Moskau nach neuen Geldquellen für die pleitebedrohte Inselrepublik gesucht. Doch es kam weder zu einem Abschluss zwischen Nikosia und Moskau über einen möglichen neuen Milliardenkredit noch zu einem Einstieg russischer Geldhäuser in zyprische Pleite-Banken oder einer Beteiligung Russlands bei der Ausbeutung der Gasvorkommen vor der Küste der Insel. „Die Verhandlungen sind beendet“, sagte Finanzminister Anton Siluanow nach den Gesprächen kühl.

Beobachter spekulieren allerdings darüber, dass Moskaus „Njet“ nicht endgültig ist. Die harte Haltung des russischen Finanzministers könnte vielmehr Bestandteil eines Plans sein, mit dem die Insel gefügig gemacht werden soll. Nach den Worten des russischen Ministerpräsidenten Dmitri Medwedew hat Moskau „die Tür nicht geschlossen“ – möglicherweise setzt der Kreml insgeheim darauf, dass die Verhandlungen zwischen Zypern und den übrigen Euro-Partnern am Ende noch scheitern könnten und Moskau dann wieder ins Spiel kommt.

Putins Wirtschaftsberater Sergei Glasjew hatte am Donnerstag einen neuen Kredit aus Russland sogar von einem Beitritt Zyperns zu der von Moskau dominierten Eurasischen Wirtschaftsgemeinschaft ehemaliger Sowjetrepubliken abhängig gemacht. Dabei verfolgt Moskau zwei strategische Ziele: Zum einen sollen mit einer Quasi-Übernahme der Insel die Einlagen russischer Oligarchen gerettet werden, auf deren Loyalität der Kreml angewiesen ist. Und zum anderen ist das kleine Zypern der perfekte Testballon für eine mögliche Rettung anderer kriselnder Staaten im Süden der EU. Denn die Risiken sind, selbst wenn das Experiment schiefgehen sollte, für Russland überschaubar.

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