- Anmerkungen zum Verhältnis zweier Mächte
Borussia-Geschäftsführer Hans-Joachim Watzke hält den deutschen Fußball für bedrängt und unterfinanziert. Cicero-Chefredakteur Christoph Schwennicke kann das Wehklagen nicht nachvollziehen: Er versteht nicht, warum er die Polizeieinsätze bei den Spielen auch noch mitbezahlt
Dieses Mal soll es hier um eine Sache gehen, von der ich vorsätzlich und nachweislich nichts verstehe, dafür aber eine umso deutlichere Meinung dazu habe. Begonnen sei mit einem in diesem Land heiklen Geständnis, das gerade einen Mann leicht in die Nähe hormonell-viriler Insuffizienz rückt.
Ich mache mir nichts aus Fußball. Ich empfinde diesen Sport als reichlich ordinär, stumpfsinnig und maßlos überbewertet. Mein Leben ist reich an zusätzlichen Mußestunden, die der viril gesunde Mann hierzulande mit dieser Sportart zubringt. Passiv versteht sich. Als Konsument und damit Einzahler in ein System, das mir krank und korrupt erscheint.
Neulich habe ich trotz dieses mutmaßlichen Gendefekts meinerseits einen überaus anregenden Abend mit einer maßgeblichen Figur des Fußballbetriebs zugebracht: mit Hans-Joachim Watzke, Geschäftsführer des Fußball-Bundesligisten Borussia Dortmund. Und ich gestehe ohne Umschweife: Dieser Watzke hat mich beeindruckt und intellektuell stimuliert. Was für eine Freude, seine Sicht auf die Dinge in diesem Land auch über die Kreidelinie des Rasens hinaus zu erfahren und darüber zu diskutieren.
Der deutsche Fußball, unterfinanziert?
Man darf leider aus so einem Hintergrund nicht berichten. Sonst reden die Leute einfach nicht so erfrischend. Aber in Sachen Fußball habe ich aus den Einlassungen Watzkes und den beeindruckend kundigen Einwürfen der Berliner Kollegen zwei Erkenntnisse mitgenommen: Der deutsche Fußball wird leider – im Unterschied etwa zu England – erstens finanziell viel zu kurz gehalten und zweitens von den Ländern und Kommunen oft nicht hinreichend mit Autobahnausfahrten und anständiger Infrastruktur versorgt. Zweitens: Die ganze Spannung der Veranstaltung Bundesliga reduziert sich auf die Frage, ob immer eine Mannschaft am Ende Meister wird oder gelegentlich mit etwas Fortune doch eine zweite namens Borussia Dortmund. Nächstes Wochenende wird das, soweit ich das mitbekommen haben, wieder zugunsten der Immer-Gewinner ausgehen.
Während die anderen sich an dem Abend ob dieses traurigen Befundes, was die Spannung anlangt, in Fahrt redeten und die Gesichter zu glühen begannen, dachte ich darüber nach, ob das so stimmen kann, dass der Fußball hierzulande so stiefmütterlich behandelt wird. Man möge mich bitte korrigieren, aber es ist doch schon so, dass es sich bei diesen Klubs um streng nach privatwirtschaftlichen Regeln funktionierende Unternehmen handelt, die weder auf Subventionen des Staates Anspruch haben, noch Teile ihrer zum Teil gewaltigen Gewinne dort abgeben müssen? Und es ist auch nicht bekannt, dass der Fußball unter dem besonderen Schutz des Grundgesetzes stünde.
Gleichwohl verbringen jedes Wochenende viele zehntausend Polizeibeamte ihren Dienst damit, den reibungslosen Betreib der Fußballspiele und die öffentliche Ordnung an den Spielstätten und in den Innenstädten sicherzustellen. In einer Zeit, in der sich viele einig darin sind, dass es angesichts der akuten Terrorgefahr hinten und vorne an Polizisten mangelt.
Enormer Polizeibedarf
Ich erinnere mich an eine samstägliche Autofahrt auf der A 9 irgendwo nahe Ingolstadt auf dem Rückweg nach Berlin, als ein Konvoi von mindestens einem Dutzend grüner Mannschaftswagen mit Bamberger Kennzeichen offenkundig auf der Rückfahrt von einem Polizeieinsatz in München oder sonstwo war. Das war eine grüne Fußballkarawane und die halbe Polizeistation des Frankenstädtchens, das da auf Reisen war.
Also nahm ich all meinen Mut zusammen und stellte Hans-Joachim Watzke die Frage, ob es nicht komisch sei, einerseits zu barmen, zu wenig Unterstützung von Seiten des Staates zu bekommen, und andererseits dessen Sicherheitsapparat jedes verdammte Wochenende mit der größten Selbstverständlichkeit in Anspruch zu nehmen. Ob es zu viel verlangt wäre, dass sich die Fußballkonzerne an den Kosten dieser Veranstaltung beteiligten. (Zumal, das habe ich mich aber nicht getraut zu sagen, auch Fußballabstinenzler die Party jedes Wochenende mitbezahlen. Kostenpunkt: Knapp 40 Millionen Euro im Jahr, wie man liest.)
Es ist in dem Tumult nicht mehr zu unterscheiden gewesen, wer dann gesagt hat, in dieser Logik müsse man aber auch das Oktoberfest an den Kosten der Polizeieinsätze beteiligen. Bevor sich alle wieder wesentlicheren Fragen von Spielertransfers für zweistellige Millionensummen zuwandten.
Das mit dem Oktoberfest hat mich noch eine Weile beschäftigt. Ein Ereignis, das ich übrigens ebenso vorsätzlich meide wie Fußballstadien. Die Wiesn aber, so viel präzise Unterscheidung von Privatwirtschaft und Staat darf in aller Fußballbegeisterung schon sein, ist im Kern eine Veranstaltung der Stadt München – und nicht der örtlichen Bierbrauer.
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