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Prohibition - Gebt die Drogen frei

Der weltweite Krieg gegen die Drogen ist gescheitert. Wir brauchen mehr Sicherheit für die Konsumenten, bessere Kontrollen der Inhaltsstoffe und schlechtere Geschäftsgrundlagen für die internationalen Drogenkartelle

Autoreninfo

Marie Amrhein ist freie Journalistin und lebt mit Töchtern und Mann in der Lüneburger Heide.

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Vor einigen Wochen bei Pastor Fuhr zu Besuch. Eigentlich sollte es um die Prostituierten vor seiner Haustür gehen. In Berlin Schöneberg an der Genthiner Straße stand auch einst Christiane F., das berühmte Kind vom Bahnhof Zoo. Die 14-Jährige verkaufte ihren Körper, um sich so ihre Drogensucht zu finanzieren. Das war im Jahr 1978 – und bis heute hat sich an den Umständen nicht viel geändert.

Das läge, so platzte es dann während des Gesprächs aus Pastor Fuhr heraus, an unserer „irrsinnigen“ Drogenpolitik. Es ist nicht die Droge, die die Mädchen kaputt macht, es ist die Prohibition, schimpfte Fuhr und ich war mir auf einmal nicht mehr sicher, wo hier am dreckigsten Straßenstrich der Stadt die wirkliche Geschichte lag.

1978, als Christiane F. bei Pastor Fuhr im Viertel ihr Geld verdiente, zählten westdeutsche Behörden 430 Drogentote. 2011 waren es fast 1000.

Worüber Fuhr sich aufregt: Wäre Heroin nicht verboten, könnten es sich die drogenabhängigen Mädchen in der Drogerie auf Rezept holen. Von Ärzten aber wird nur Methadon zum Drogenentzug verschrieben. Heroin statt Methadon – das wäre, so haben mehrere Studien in den vergangenen  Jahren beim Therapievergleich der beiden Mittel herausgefunden: kostengünstiger und wirkungsvoller. Das war sicher keine erfreuliche Nachricht für die Pharmaindustrie, die erfolgreich die eine Droge durch die andere ersetzt hat. Sie entscheidet, welche Substanz legal und welche illegal ist. Ironie der Geschichte: Anfang des 20. Jahrhunderts verkaufte der Konzern Bayer das eigens hergestellte Heroin tonnenweise als bahnbrechendes Schmerzmittel in alle Welt.

Heute ist Heroin verboten – und der Bedarf an Methadon groß. Das Medikament hat die gleiche Wirkung wie Heroin, wird aber geschluckt. Damit entfällt der plötzliche Kick, an den sich der Süchtige so gewöhnt hat. Allerdings kann Methadon genau wie Heroin auch gespritzt werden – und dann bleibt der Kick. Außerdem wird der Entzug von Heroin als deutlich weniger schwer und langwierig beschrieben als der von der Alternative Methadon.

Neben der Junkieszene auf der Straße gibt es eine weitere Realität, an der Deutschlands Drogenpolitik vorbeiregiert. In den Bars und Clubs der Metropolen tummeln sich geistig Beschränkte, die am Nachmittag fair gehandelten Kaffee bestellen und sich anschließend auf dem schummrigen Kneipenklo Kokain durch die Nase ziehen. Koks, wegen dessen Herstellung,  Anbau und Verkauf Menschen sterben, vergewaltigt und verschleppt werden.

Eine internationale Kommission zur Drogenpolitik, bestehend aus ernstzunehmenden Akteuren  wie Kofi Annan, dem Ex-Generalsekretär der UN, und mehreren früheren Staatschefs aus Lateinamerika, empfahl den Vereinten Nationen schon vor zwei Jahren, die allgemeine Drogenprohibition zu lockern. Der Krieg gegen das Rauschgift sei gescheitert, hieß es damals wie heute: Weder werden weniger Drogen angebaut, noch würde weniger konsumiert. Polizei und Militär schaffen es in den Herkunftsländern nicht, den Drogenanbau- und Handel einzudämmen. 40 Millionen Euro für 100 Kilo Kokain. Viel zu lukrativ ist dieses Geschäft. Zum Beispiel für Joaquin Guzman Loera, den mexikanischen Drogenbaron, der es auf den 63. Platz der Forbes-Liste der weltweit mächtigsten Menschen geschafft hat.

Die Drogen zu legalisieren, entzöge dem Geschäft die wichtigste Grundlage. Weniger Geld für die Kartelle bedeutet weniger Waffen, weniger Anreiz für eine Karriere in der Drogenkriminalität, weniger Korruption. Der Drogenhandel würde zu einem Geschäft – mit Regeln.

In Europa gibt es erste Anzeichen für ein Umdenken. Die Niederlande dulden bestimmte Drogen und den Verkauf von weichen Drogen, Tschechien erließ Grenzwerte für den Eigenbedarf, der nicht bestraft wird. Jeder Tscheche darf heute fünf Hanfpflanzen anbauen. Der Vorreiter Portugal hat bereits 2001 sämtliche Drogen dekriminalisiert: Sie bleiben illegal und der Handel eine Straftat. Der Besitz aber wird als Ordnungswidrigkeit behandelt.

Zehn Jahre später kamen die Experten der Open Society Foundation in ihrem Bericht „Drug Policy in Portugal – The Benefits of Decriminalizing Drug Use“ zu dem Schluss: Die Kriminalitätsrate in der portugiesischen Drogenszene sank, der „offene und sichtbare Drogenkonsum“ ging zurück, die Zahl der HIV-Infizierten verringerte sich deutlich, die Rückfallquote von ehemaligen Süchtigen nach der Therapie auch. Und: Portugal wurde nicht zum Mekka für Drogentouristen.

Es gibt also seriöse Alternativen und ebenso ernstzunehmende Kritik an der Drogenprohibition wie sie auch in Deutschland herrscht. Im deutschen Parlament aber wird darüber kaum gesprochen. Fuhr weiß warum: „Damit ist hier kein Blumentopf zu holen“. Dabei läuft für den, der seine Augen nicht vor der Realität verschließt, alles in eine Richtung: Druckräume, Spritzenautomaten – all die kleinen und sinnvollen Schritte zur Entkriminalisierung Drogenabhängiger, bei denen sich die Politik bereits gegen große Empörungsstürme stellen musste, laufen heute ohne großes Aufsehen. Und trotzdem bleiben der Besitz und der Handel von Drogen verboten.

Daran ändern auch Meldungen nichts wie die über die vielen synthetischen Drogen, die den deutschen Markt überschwemmen. Zwischen 2000 und 2005 entdeckte man fünf neue Designerdrogen pro Jahr, 2011 waren es 49 – zehnmal so viele. Diese Substanzen können durch ihre molekulare Zusammensetzung für ihre Konsumenten weitaus gefährlicher werden als konservative Drogen. Und sie können legal in Headshops erworben werden. Die Hersteller müssen einfach mit Blick auf neue Gesetze flexibel sein und regelmäßig die chemische Zusammensetzung ändern.

Der weltweite Krieg gegen die Drogen ist gescheitert. Deutschlands Drogenpolitik ist gescheitert. Es spricht vieles dafür, etwas ganz Neues zu probieren.

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