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Saudi-Arabien vs. Iran - Kriegerisch wirken, ohne Krieg zu führen

Kolumne: Leicht gesagt. Die Angst vor einem Krieg zwischen Iran und Saudi-Arabien wächst. Zu Unrecht. Denn der Rauch der letzten Tage ist wohl dosierte Schau. An der Krise ist der Westen mit seinem Atom-Deal nicht unschuldig

Autoreninfo

Wulf Schmiese leitet das „heute journal“ im ZDF. Zuvor hat er als Hauptstadtkorrespondent, jahrelang auch für die FAZ, über Parteien, Präsidenten, Kanzler und Minister berichtet.

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Leicht gesagt, dass nun der Nahe Osten uns noch näher rücken wird: wenn die Regime in Teheran und Riad aufeinander losgehen. Angst macht schon ein bloßer Blick auf die Landkarte:  Syrien und der Irak – durch den IS angebrochen – liegen wie Nüsse in einer Zange zwischen den zwei mächtigsten Staaten am Golf: von oben drückt Iran und von unten Saudi-Arabien. Krieg zwischen denen würde die Flüchtlingszahlen erst Recht explodieren lassen.

Deshalb geht uns dieser Konflikt sehr viel an. Weil jedoch die Stimmungen ohnedies aufgeheizt und viele Sorgen berechtigt sind, ist jetzt Nüchternheit sinnvoll beim Analysieren dieser vermeintlich neuen Lage. Genau betrachtet gibt es trotz scharfer Wortgefechte und dem Kappen diplomatischer Drähte keine echten Kriegssignale. Auch ist die Situation nicht wirklich neu zwischen Iran und Saudi-Arabien.

Spannungen zwischen Iran und Saudi-Arabien haben lange Tradition
 

Immer wieder gab es derartige Spannungen, ausgelöst durch die ewige Glaubenskonkurrenz zwischen Schiiten und Sunniten. Schon einmal brach Riad die Beziehungen zu Teheran ab. 1988 war das, für drei Jahre, als Reaktion auf Unruhen, die iranische Schiiten auf einer Hadsch ausgelöst haben sollen. Diesmal ist es ein schiitischer Geistlicher, den die wahabitische, also ultra-sunnitische Führung in Riad für einen Aufrührer hielt und hinrichten ließ. Das führte bei den Schiiten im Iran zu gezieltem Protest.

Wie dosiert das Pulver in dem vielen Rauch war, wird weithin übersehen. Irans Revolutionsführer Ajatollah Ali Khamenei dröhnte, das saudische Regime werde rasch göttliche Vergeltung zu spüren bekommen. Was wie eine Kriegsankündigung klang und innenpolitisch wirken sollte, war tatsächlich eine Flucht ins Spirituelle. Sie mahnte Aufgebrachte faktisch zur Mäßigung, hieß so übersetzt: Gott wird die Saudis strafen, nicht wir.

Auch die Botschaftsstürmung, die mit Sicherheit vom Regime in Teheran initiiert war, wurde in gesetzten Grenzen gehalten: Flammen sollte es geben, starke Bilder des Protests; aber weder Verletzte noch Tote.

Die Gegenseite in Riad reagierte auf gleiche Weise nur halbstark, was allerdings erst auf den zweiten und dritten Blick erkennbar ist. Saudi-Arabien hat die diplomatischen Beziehungen abgebrochen und Irans Diplomaten des Landes verwiesen. Einige Staaten haben sich angeschlossen, vornehmlich Mitglieder des Golfkooperationsrats.

Bahrein, die Vereinigten Arabischen Emirate und auch Kuweit haben nun verkündet, die diplomatischen Verbindungen zu kappen. Sie hatten sich schon vor Jahrzehnten zu einem solchen Schritt selbst verpflichtet, sollte eine solche Lage eintreten. Denn dieser Rat entstand 1981 als Reaktion auf Irans schiitische Revolution von 1979. Es ist ein anti-persisches Bündnis der Araber mit vorgeschriebener Beistandspflicht.

Sechs Staaten bilden den Pakt: Saudi-Arabien inklusive seiner Anhängsel auf der Arabischen Halbinsel. Das sind Kuweit, Katar, Bahrain, die Vereinigten Arabischen Emirate und Oman. Aber nur ein einziges dieser Länder ist Riad direkt gefolgt: das kleine Bahrain. Die Führung Bahrains war das den Saudis allein deshalb schuldig, weil die seinerzeit im arabischen Frühling Panzer schickten, um das sunnitische Nachbarregime zu retten.

Saudi-Arabien hat kein Interesse an Krieg
 

Die Vereinigten Arabischen Emirate stehen hingegen nur halbherzig bei, indem sie zwar ihre Diplomaten aus Iran abziehen – aber die für beide Seiten wesentlich wichtigeren Handelsbeziehungen durch einen Geschäftsträger aufrechterhalten. Und Kuweit belässt es bisher bei Worten – der saudische Botschafter ist nicht ausgewiesen worden. Auch hier also sorgt wohl dosiertes Pulver für mächtig viel Rauch.

Riad kann diese Dosierung Recht sein, denn es will möglicherweise kriegerisch wirken, ohne wirklich Krieg zu führen. Denn das steinreiche Saudi-Arabien hat derzeit gar keine militärische Kapazität, weil die Kämpfer im Jemen gebunden sind, dem Stellvertreterkrieg gegen den Iran. Einer der besten deutschen Nahost-Kenner, Guido Steinberg von der Stiftung für Wissenschaft und Politik, beruhigt im ZDF: „Es ist kaum vorstellbar, dass diese indirekte Auseinandersetzung in einen tatsächlichen Krieg mündet, beide sind dafür nicht stark genug.“

Riad will Iran in Schach halten, einzig und allein darum geht es. Neu jedoch ist das aggressive saudische Auftreten, vor dem jüngst schon der Bundesnachrichtendienst gewarnt hat  Das hat einerseits mit einem Generationswechsel zu tun. Der saudische Verteidigungsminister und Vize-Kronprinz gilt als provokativ und gefährlich.

Westen trägt Mitschuld
 

Andererseits ist der neue saudische Kurs aber auch die unmittelbare Folge eines westlichen Friedensversuchs. Jenem, an dem auch Deutschland gehörigen Anteil hat und auf den Außenminister Steinmeier enorm stolz ist: nämlich dem Atom-Deal mit Iran. „Für Jubel ist es zu früh“, berichtete Cicero bereits im April direkt von den erfolgreichen Verhandlungen aus Lausanne.

Nun werden die geostrategischen Folgen sichtbar: Seit der iranischen Revolution 1979 haben die USA den Part übernommen, Iran zu ächten. Wie heute stand damals auch eine Botschaftsbesetzung symbolisch für den Bruch. Doch mit wochenlanger Geiselnahme war sie wesentlich radikaler als die Stürmung der saudischen Botschaft vor wenigen Tagen. 36 Jahre lang hat sich das sunnitische Arabien darauf verlassen können, dass ein weithin vom Westen geächteter Iran wirtschaftlich schwach bleibt. Nach der Lösung des Atom-Streits gilt das nicht mehr. Der Fall der Sanktionen ist versprochen.

Das eben macht den Saudis Angst, die gerade selbst wegen des – selbst provozierten - Ölpreis-Absturzes in einer bisher ungekannten Wirtschaftskrise stecken. Ihr Motto ist jetzt: Wenn der Westen Iran nicht mehr sanktioniert, dann müssen wir es eben selbst tun.

Hier schließt sich der Kreis zu Israel. Auch dort wird der ewigen Schutzmacht USA vorgeworfen, leichtsinnig Iran zu entfesseln. Sunniten und Juden fühlen sich hier gleichermaßen verlassen vom Westen in ihrer gemeinsamen Sorge vor den Schiiten. Araber und Israelis verbindet nun der Boykott Irans. Auch wenn die Gefahr einer iranischen Atommacht Iran gebannt scheint, so die Argumentation in Riad und Jerusalem, steige die Gefahr einer schiitischen Regionalmacht. Die werde massiv mit konventionellen Waffen ihren Einfluss in der Region ausbauen wollen – Terroranschläge etwa durch die Hisbollah inklusive.

Direkten Krieg gegeneinander planen die Erzfeinde auf beiden Seiten des Golfs aber vermutlich nach wie vor nicht. Doch der indirekte Kampf gegeneinander kann heftiger werden, der Stellvertreterkrieg in religiös zerrissenen Nachbarstaaten wie dem Jemen, dem Irak und eben auch Syrien.

Die große Sorge vor allem der deutschen Regierung ist es, dass der konkrete Plan einer raschen Befriedung Syriens nun doch nur ein Traum bleibt. Aber auch hier gilt es, stets zu schauen, wie viel oder wenig Pulver tatsächlich den Rauch macht. 

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