Cover unserer Dezember-Ausgabe / Illustration: Michael Pleesz

Cicero im Dezember - Postliberal

Die zweite Amtszeit Donald Trumps wird schwere Auswirkungen nicht nur auf die Weltwirtschaft, sondern auch auf den politischen Betrieb in Berlin haben. Lesen Sie in der Dezember-Ausgabe von Cicero, worauf wir uns in Deutschland nun einstellen müssen.

Alexander Marguier

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Alexander Marguier ist Chefredakteur von Cicero.

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„Während die meisten, die heute in Europa das Sagen haben, eine zweite Trump-Präsidentschaft für etwas halten, das man fürchten muss, sage ich voraus, dass sie im Gegenteil langfristig zum Vorteil Europas sein wird“: Sätze wie diesen hört man seit der Wiederwahl des meistgefürchteten (hierzulande in weiten Kreisen wohl auch meistverachteten) Politikers der westlichen Hemisphäre eher selten. Er stammt von dem amerikanischen Politologen Patrick Deneen, der als Vordenker des neuen Trump-Vize JD Vance gilt und uns für diese Ausgabe ein überaus aufschlussreiches Interview gegeben hat.

Deneens Argument: Trump werde in Europa als Bedrohung gesehen, weil er die Fortführung der überholten Ordnung des Kalten Krieges infrage stellt, wonach die Vereinigten Staaten die Sicherheit Europas gewährleisten müssten. Mit anderen Worten: Die Europäer werden nicht umhinkommen, endlich erwachsen zu werden. Gut so, denn nur wer unabhängig ist, kann auch selbstbewusst auftreten.

Mischung aus Entsetzen und Beleidigtsein

Wer sich regelmäßig durch die heimische Presselandschaft arbeitet, konnte vor der US-Wahl den Eindruck gewinnen, die Bundesrepublik sei eine Art Swing State und könne entscheidend zum amerikanischen Wahlausgang beitragen. Dann kam es anders, als es den Kommentatoren zufolge hätte kommen dürfen – und seither herrscht eine Mischung aus Entsetzen und Beleidigtsein: Wie können diese Amis eigentlich nicht auf uns hören, wo die linksliberale „Berliner Republik“ doch so ein leuchtendes Vorbild für die ganze Welt ist? Genau das ist sie offenbar nicht, und der Kollaps der Ampelregierung hat in aller Schärfe offenbart, dass dieses Politikmodell nicht mal bei uns selbst noch tragfähig ist.

Deutschland muss sich auf harte Zeiten einstellen, und zwar in vielerlei Hinsicht. Womöglich steuert auch die Bundesrepublik auf ein „postliberales Zeitalter“ zu, in dem sich die Vereinigten Staaten nach der Analyse Deneens jetzt befinden. Auf jeden Fall wird die zweite Amtszeit Trumps schwere Auswirkungen nicht nur auf die Weltwirtschaft, sondern auch auf den politischen Betrieb in Berlin haben. Der Amerikaexperte Stephan Bierling zeigt in unserer Titelgeschichte auf, was da alles auf uns zukommt. Und der frühere Finanzminister Christian Lindner hält im Cicero-Interview fest, anstatt das amerikanische Volk belehren zu wollen, bräuchten wir vielmehr einen realistischen Blick auf die Außenpolitik und auf Donald Trump: „Umso mehr müssen wir uns jetzt um eine gemeinsame Gesprächsgrundlage bemühen, im Wissen darum, dass wir auch erst mal wieder attraktiv werden müssen als Partner für die USA.“

Auch das wird vielen nicht gefallen. Aber es ist unausweichlich. Zumindest für eine emanzipierte Nation, wie wir sie endlich sein müssen.

 

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Andreas Turnwald | Fr., 22. November 2024 - 08:18

Lindners erstem zitierten Satz zu einem realistischen Blick auf die Außenpolitik kann ich zustimmen. Dazu gehört aber auch, anzuerkennen, dass die USA Deutschland bewusst schaden will: Gemäß der George-Friedman-Maxime des Keils zwischen Deutschland und Russland haben die USA die Northstream Pipeline sprengen lassen (Biden:"We will put an end to it")und dadurch die deutsche Wirtschaft sabotiert.
Die Biodefense-Operation Covid19 wurde ebenfalls auf US-Boden vorbereitet. Warum Lindner dann trotzdem die USA als Partner haben will, ist unverständlich.

Urban Will | Fr., 22. November 2024 - 09:27

ihrem eigenen Kosmos. Und wären unsere 0815-Nichtskönner-ÖR- und andere Medien nicht Teil dieses Kosmos, gäbe es diese Wirrköpfe schon längst nicht mehr.
Man kann Menschen nicht auf Dauer mit Blödheit, Arroganz und Naivität zumüllen und den Anspruch stellen, den Rest der Welt auch noch belehren zu können. Und noch dauerhaft das Land zu regieren. Die Kandidatur Habecks war der Gipfel dieser Weltfremdheit.
Trump war nur eine kleine Lektion für diese Geisterfahrer, die große wären unter 5% nicht nur für die Linke, sondern auch für Grüne, SPD und unter 10% für die duckmäuserische CDU. Von der FDP ganz zu schweigen. Was das dann bedeuten würde, kann sich jeder selbst ausrechnen.
Das wird aber so nicht kommen.
Ebenso wenig wie es kommen wird, dass diese gespielte Demokratie, dieses von Idioten gesteuerte Narrenschiff, „erwachsen“ wird. Im Gegenteil, sie wird unter Fritzel noch kindischer und naiver und dümmer werden.
Erst der Eisberg wird es richten, auf den man unter Volldampf zuhält.

Norbert Heyer | Fr., 22. November 2024 - 10:12

Unsere Medien haben Trump derartig niedergeschrieben und seine Konkurrentin in höchsten Tönen gelobt - sie sollten sich schämen und in sich gehen. Es ist ein Gebot der Fairnis, dass man über Wahlen in anderen Ländern sachlich und fair informiert. Bei dieser US-Wahl hat man über Trump Kübel voller Dreck ausgeschüttet - jetzt wird er Präsident und wir stehen als die grössten Verlierer allein auf weiter Flur. Reichte nicht schon die schädigende Außenpolitik von Baerbock, um uns überall zur Lachnummer zu machen? Jetzt wird Trump uns zeigen, wo der Barthel den Most holt. Er wird die Unterstützung der Ukraine zurückfahren und er wird Europa zwingen, militärisch sich gefälligst selbst zu verteidigen. Biden hat noch kurz vor Dienstende der Ukraine zugestanden, Russland massiver anzugreifen. Das ist ein klarer Affront, um durch eine mögliche Kriegsausweitung dem neuen Präsidenten einen miserablen Start zu bescheren - eben ein schlechter und hinterhältiger Akt des eingeschränkten Nochpräsidenten

Walter Bühler | Fr., 22. November 2024 - 12:01

Ich nerve bestimmt viele Leser mit meiner Aversion gegen die inflationär auftretenden "Telekom"- bzw. Post-Theorien.
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Aber es stört mich schon sehr.

Wer sagt, wir würden in ein "post-liberales" Zeitalter kommen, der setzt ja zunächst einmal voraus, wir würden jetzt noch in einem liberalen Zeitalter leben.

Davon sehe ich aber nichts, es sei denn, man würde unter "liberal" dasselbe verstehen wie woke Queer-Denker, Rauschgifthändler oder Bordellbetreiber.
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Und ich kratze mich am Kopf, wenn man nach den vergangenen drei Jahren ausgerechnet Herrn Lindner als einen Fachmann in Fragen der wahren "Liberalität" betrachtet.
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Abgesehen davon findet aber der letzte Satz meine volle Zustimmung: „Umso mehr müssen wir uns jetzt um eine gemeinsame Gesprächsgrundlage [mit der US-Regierung unter Trump] bemühen, im Wissen darum, dass wir auch erst mal wieder attraktiv werden müssen als Partner für die USA.“

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