- „Kaviar-Diplomatie“
Die PR der Despoten läuft auf Hochtouren: Kasachstan spannt europäische Ex-Botschafter und -Minister für seine Zwecke ein. Aserbaidschan kauft sich ein offenes Image mit dem Eurovision Song Contest und den ersten European Games. Die ex-sowjetischen Autokraten haben verstanden, dass den Europäern Rohstoffe wichtiger sind als Menschenrechte und dass sie käuflich sind
Der kasachische Präsident Nursultan Nasarbajew hat in seiner 24-jährigen Herrschaft etwas gelernt: Dass die Forderungen westlicher Politiker nach Demokratie und Menschenrechten Phrasen sind. Und dass diese Politiker käuflich sind. Und wie er haben auch die anderen Despoten in Zentralasien diese Lektion verstanden.
Mit Milliarden gekaufter Schein
Nasarbajew – genau wie sein aserbaidschanischer Kollege Ilham Alijew – fahren eine Doppelstrategie, um sich im Westen beliebt zu machen. Zum einen haben die Machthaber ein System des „gekauften Scheins“ perfektioniert. Internationale Events wie die asiatischen Winterspiele, die gerade stattfindenden Europaspiele oder der Eurovision-Liederwettbewerb sollen dem Land weltweit Glanz verleihen. Beide Länder sind reich an Gas- und Ölvorkommen. Für die Ausrichtung von Großveranstaltung greifen die Autokraten tief in die Staatskasse. So kosten die Europaspiele in Baku mehrere Milliarden Euro.
Zum anderen: Die Herrschenden gehen in Europa und den USA gezielt auf „Prominentenjagd“. Politiker, Wissenschaftler und Schauspieler aus dem Westen sollen die Autokraten preisen und Türen öffnen. In Aserbaidschan wird diese Methode „Kaviar-Diplomatie“ genannt.
Der ehemalige Bundesaußenminister Hans-Dietrich Genscher geriet 2013 in Kritik, als er bei einer Festveranstaltung im Berliner Hotel Adlon Gaidar Alijew lobte, den verstorbenen ersten Präsidenten Aserbaidschans - die Menschenrechtsverletzungen im Land erwähnte Genscher damals lieber nicht. In Aserbaidschan ist die Verehrung des Vaters des heutigen Präsidenten Staatskult. Genscher wehrte sich gegen die Vorwürfe. In der „Süddeutschen Zeitung“ sagte er, dass er sich aus innerer Überzeugung zu Aserbaidschans Außenpolitik geäußert habe, und nicht etwa, weil er dafür von irgendjemanden bezahlt würde.
Kasachstans Präsident Nasarbajew will als großer Staatsmann gesehen werden
Selbst Politiker aus der zweiten Reihe werden eingespannt in die Autokraten-PR. Karin Strenz, eine Hinterbänklerin der CDU im Bundestag, bezeichnete 2010 im aserbaidschanischen Fernsehen die dortigen Wahlen als demokratisch. Während die Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE) den Urnengang als nicht korrekt kritisierte.
Seit dem Zerfall der Sowjetunion beobachtet die OSZE die Wahlen auf dem Gebiet der ehemaligen Sowjetunion. In Aserbaidschan und in Kasachstan hat die OSZE keinen der bisherigen Urnengänge als auch nur ansatzweise demokratisch bezeichnet. Die Autokraten laden darum scheinbar unabhängige Organisationen als „internationale Beobachter“ ein, die dann die jeweilige Wahlfarce in den Staatsmedien loben und die Kritik der OSZE vor dem heimischen Publikum übertönen.
Kasachstans Diktator Nasarbajew will nicht nur daheim, sondern auch in Europa und den USA als ein großer Staatsmann gesehen werden. Er hat früh begriffen, dass „Menschenrechte“, „Medienfreiheit“ und „Demokratie“ bei Verhandlungen mit Politikern aus den USA und der europäischen Union die weichen Ziele sind und rasch hintangestellt werden. Die Rohstoffvorkommen, die geopolitische Lage und wirtschaftliche Abschlüsse wiegen schwerer.
Als der damalige und heutige deutsche Außenminister Frank-Walter Steinmeier(SPD) 2007 die EU-Zentralasienstrategie vorantrieb, setze Steinmeier die Zusammenarbeit mit den Despoten der Region unter das alte Motto der Entspannungspolitik: „Wandel durch Zusammenarbeit“. So sollten Demokratie und Rechtsstaatlichkeit befördert werden.
Dank dieser Argumentation erhielt Kasachstan trotz gravierender demokratischer Defizite 2010 die OSZE-Präsidentschaft. Der Wandel blieb aus. Ja, mehr noch – die Situation verschlimmerte sich.
Der „Wandel durch Zusammenarbeit“ ist gescheitert
Ein Jahr, nachdem Kasachstan der OSZE vorgestanden hatte, schossen kasachische Sicherheitskräfte einen Streik der Ölarbeiter zusammen. Die Freiräume einer unabhängigen Medienlandschaft, die es in Kasachstan in Ansätzen gab, werden bis heute systematisch eingeengt, Journalisten und Menschenrechtler verfolgt. Nasarbajew hüllt sich in einen wachsenden Personenkult.
Heute gibt es in Kasachstan weniger bürgerliche Freiheiten und weniger Rechtsstaatlichkeit als vor der EU-Zentralasienstrategie. Der „Wandel durch Zusammenarbeit“ ist gescheitert. Nasarbajew lernte, wie leicht sich Forderungen nach Demokratie und Rechtsstaatlichkeit ignorieren lassen. Von dieser Erkenntnis ist es dann nur noch ein kleiner Schritt, die Repräsentanten der westlichen Demokratien gleich einzukaufen.
Die Krise in der Ukraine zeigt aber, dass Demokratie und Rechtssicherheit alles andere als weiche politische Ziele sind. Ohne Demokratie gibt es keine starke Zivilgesellschaft, ohne eine starke Zivilgesellschaft sind die korrupten und autokratischen Regimes leichte Beute für Russland. Auch Kasachstan ist in Gefahr. An der Nordgrenze zu Russland lebt eine große russische Minderheit. Vor einem Jahr lobte der russische Präsident Wladimir Putin Nasarbajew als einen der besten Präsidenten überhaupt, da er es geschafft habe, einen Staat auf einem Gebiet zu gründen, das vorher keine Staatlichkeit gekannt habe.
In Kasachstan wurde das Lob als Drohung verstanden. Nach Nasarbajew Ableben, so fürchten viele Kasachen, steht die kasachische Staatlichkeit zur Disposition – und Putin vor der Tür.
Marcus Bensmann ist Reporter beim gemeinnützigen Recherche-Büro Correctiv.
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