- Warum Ed Miliband keine Alternative zu Cameron ist
Ed Miliband will bei der britischen Unterhauswahl am Donnerstag Premier David Cameron ablösen. Aber was könnte Großbritannien von Labour erwarten? Wohl nicht so viel: Eine sozialdemokratische Regierung würde sich kaum von den Konservativen unterscheiden
Es wird wohl ein Kopf-an-Kopf-Rennen. Kurz vor Beginn der Unterhauswahl stehen Großbritanniens Premier David Cameron und sein sozialdemokratischer Herausforderer Ed Miliband in etwa gleichauf. Keine der zwei großen Parteien, die Conservative Party und Labour, können Umfragen zufolge alleine regieren, denn auch mehrere kleinere Parteien sind im Rennen: neben den etwas schwächelnden Liberaldemokraten sind die euroskeptische United Kingdom Independence Party (UKIP), die Grünen und die Scottish National Party (SNP) stärker als je zuvor. Die SNP könnte mehr als 90 Prozent der 59 schottischen Mandate für sich holen.
In dieser Situation möchte sich Labour ein unverwechselbares Image verpassen. Ob das gelingt, ist jedoch fraglich. Parteichef Miliband versprach in seinem Wahlkampf einen „verantwortungsbewussten Kapitalismus” – also eine Rückbesinnung auf die alten, sozialdemokratischen Wurzeln. Denn die „New Labour” von Tony Blair und Gordon Brown mit ihren neoliberalen Tendenzen ist bei den linksorientierten Wählern heutzutage recht unbeliebt.
Zurück zum „alten” Labour?
Diesen „Dritten Weg” der Sozialdemokratie hatten Gerhard Schröder und Tony Blair 1999 proklamiert. „Die Ansicht, dass der Staat schädliches Marktversagen korrigieren müsse, führte allzu oft zur überproportionalen Ausweitung von Verwaltung und Bürokratie”, hieß es in dem Schröder-Blair-Papier. Deshalb sei es die Aufgabe des Staates, ein „positives Klima für unternehmerische Selbständigkeit und Initiative” zu schaffen. Blair deregulierte die Märkte und überließ der Bank of England die Hoheit über die Leitzinsen. Damit signalisierte er den Finanzmärkten, dass er Margaret Thatchers Strukturwandel nicht aufhalten würde.
Unter Labour stieg nicht nur die Ungleichheit in der Gesellschaft. Auch die globale Wirtschaftskrise traf das Vereinigte Königreich recht hart. Die Wirtschaft schrumpfte um sieben Prozent, die Staatsverschuldung stieg sprunghaft an, das Haushaltsdefizit erreichte zeitweise zwölf Prozent des Bruttoinlandsproduktes.
Wachstum dank Sparpolitik
Erst in Camerons Regierungszeit erholte sich die britische Wirtschaft wieder. Sein Krisenmanagement war von einer strengen Sparpolitik geprägt, die die Kluft zwischen Arm und Reich noch weiter öffnete. Aber da die Wirtschaft Wachstumssignale zeigte, akzeptierte das der Großteil der Bevölkerung. Obwohl heute mehr Briten als in den Jahrzehnten zuvor schlecht bezahlte Jobs haben und sich immer mehr Menschen in Suppenküchen ernähren müssen, scheinen die meisten in Wirtschaftsfragen Cameron zu vertrauen.
Ironischerweise begründet Cameron seine schmerzhafte Wirtschaftspolitik damit, dass seine Vorgänger Blair und Brown verantwortungslos Geld geliehen und ausgegeben hätten. Ihm wiederum hätten sie die ungemütliche Aufgabe überlassen, der Wirtschaft wieder auf die Beine zu helfen.
Damit punktet er gegenüber Miliband, dem nichts anderes übrig bleibt, als selbst einen ausgeglichenen Haushalt zu versprechen. Wo er das Geld dafür einsparen wird, konkretisierte er nicht. Miliband versprach, die Ausgaben für Gesundheit, Bildung und Entwicklung nicht zu kürzen. Doch mit begrenzten Etats wird es nicht einfach sein, eine neue Sozialdemokratie aufzubauen.
Neben der Wirtschaft, wo ganz klar Cameron die Linie bestimmt, ist das Gesundheitssystem noch ein wichtiges Thema. Hier versprechen beide Kandidaten, die Versorgung zu verbessern. Wie sie das finanzieren wollen, ist noch offen.
An einem Punkt sind sich beide Parteien einig: Sie wollen an den Ausgaben für Einwanderer sparen. Miliband möchte, dass Einwanderer erst frühestens zwei Jahre nach ihrer Ankunft in Großbritannien Sozialhilfe erhalten. Tatsächlich hatte Labour im Wahlkampf versucht, mit ausländerfeindlichen Ressentiments Wähler zu gewinnen: Die Partei verteilte Becher mit der Aufschrift „Control on Immigration”.
Keine Treibkraft
Die Kampagne stieß bei den Wählern jedoch auf Desinteresse. Bei den jüngeren Briten nimmt die Wahlbeteiligung immer mehr ab, obwohl gerade sie diejenigen sind, für die die steigenden Mietpreise oder die schlecht bezahlten Jobs echte Probleme sind. Somit fällt auch eine weitere treibende Kraft eines Linksrucks aus. Dagegen sind die Rentner sehr enthusiastische Wähler: Cameron hat ihre Treue zusätzlich belohnt, indem er die Renten während der Krisenbekämpfung unberührt ließ.
Auf dieser Basis ist es fragwürdig, ob Miliband einen Anreiz dafür haben wird, seine eher linksorientieren Versprechen zu halten. Denn zu viele junge Stimmen kann er sowieso nicht verlieren, wenn er den Mindestlohn doch nicht etwas früher und spürbarer erhöht, als das die Tories versprochen haben, wenn er die kostenlose Kinderbetreuung nicht auf 25 Stunden pro Woche anhebt, oder die Steuern der wohlhabendsten ein Prozent nicht auf fünfzig Prozent erhöht.
Linke Partner ausgeschlossen
Rein rechnerisch könnte Labour mit der Scottish National Party koalieren. Dieses Bündnis wäre am nächsten an den 326 Sitzen dran, die für eine absolute Mehrheit nötig sind. Die SNP steht in vielen sozialen Fragen links von Labour. Aber Miliband hatte eine Kooperation mit der SNP ausgeschlossen: Eher verzichte er auf die Regierung, als einen Deal mit der schottischen Partei einzugehen, sagte er.
Die Grünen wären für eine Koalition zu klein, UKIP wiederum zu rechtspopulistisch. So könnte Milibands einzige Hoffnung bei den Liberaldemokraten liegen, die von 2010 bis 2015 zusammen mit den Tories regiert hatten. Deren Vorsitzender Nick Clegg versucht seine Partei sowieso als eine verantwortungsvollere Version der zwei Großen auszugeben. Er würde weniger Ausgaben kürzen als die Tories, aber auch weniger Geld ausgeben als Labour.
Clegg selbst schließt weder die Konservativen noch Labour als Koalitionspartner aus. Zuletzt ging er einen Schritt auf Cameron zu, indem er ankündigte, dessen Referendum über einen EU-Verbleib Großbritanniens mitzutragen, sofern der seine „roten Linien” akzeptiert. Die Liberaldemokraten stellen sich also auf mehrere Wochen Verhandlungen ein. Als Königsmacher könnten sie also solange pokern, bis jemand ihre Forderungen akzeptiert.
Das wiederum setzt Labour unter Druck. Für Miliband gäbe es also nur sehr wenig Gelegenheit, eine sozialdemokratische Politik zu machen.
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