- Die Sterne orakeln Schwarz-Grün
Was wissen Sterne und Planeten über den Ausgang der Bundestagswahl? Alexander Marguier hat sich erkundigt
Astrologie ist so etwas wie die esoterisch veranlagte Schwester der Demoskopie. In beiden Fällen handelt es sich um angewandte Orakel-Wissenschaften mit teilweise erstaunlicher Treffsicherheit. Die ihnen zugrunde liegende Methodik mag sich zwar in dem einen oder anderen Detail unterscheiden. Aber die Reaktionen der Betroffenen ähneln einander doch sehr: Auf schlechte Horoskope folgt bei den meisten Menschen der natürliche Reflex, die Sternendeuterei als kruden Unfug abzutun (genauso wie Politiker miese Umfragewerte regelmäßig auf die Inkompetenz der Meinungsforscher zurückführen).
Umgekehrt dürfte jedoch niemand laut widersprechen wollen, wenn ihm eine goldene Zukunft vorausgesagt wird – ob in der Liebe, in der Gesundheit oder eben an der Wahlurne. Das gilt für amtierende Ministerpräsidenten genauso wie für Kanzlerkandidaten, Gemüseverkäufer, Friseure, Theaterintendanten sowie überhaupt für uns alle. Irgendetwas muss also dran sein. Bleibt die Frage, ob man sich seinem Schicksal willenlos in die Arme werfen sollte. Oder ob demoskopische beziehungsweise astrologische Prognosen noch Raum lassen für das, was die Franzosen „corriger la fortune“ nennen.
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Ähnlich wie François Mitterrand, der vor wichtigen Entscheidungen eine Astrologin zu konsultieren pflegte, scheint auch Peer Steinbrück seine politische Agenda aktiv mit der Konstellation bestimmter Himmelskörper abzugleichen. Der bisher nach allgemeiner Wahrnehmung etwas glücklos agierende Merkel-Herausforderer wurde am 10. Januar 1947 geboren und ist somit Sternzeichen Steinbock. Prima für ihn, zumindest auf den ersten Blick. Denn das Jahreshoroskop 2013 der Fachzeitschrift Astrowoche macht Steinböcken Mut, dort steht zu lesen: „Jetzt ist der richtige Zeitpunkt, um nach einer Gehaltserhöhung oder einem neuen Aufgabengebiet zu fragen.“
Hallo! Als Anwärter für ein neues Aufgabengebiet hat Steinbrück sicherheitshalber ja bereits im vergangenen Herbst den Finger gehoben. Nur die Sache mit der Gehaltserhöhung kam unlängst nicht so gut an – womöglich hätte der Kandidat tatsächlich warten sollen, bis er selbst im Amt ist, um eine bessere Vergütung für den Job des Bundeskanzlers zu fordern. Leider werden Horoskope ja nie wirklich konkret, wenn man es gern genau wüsste. Jetzt sind Steinbrücks Umfragewerte also erst mal im Keller. Was nicht weiter schlimm ist, weil, siehe oben, Meinungsforschung in solchen Fällen doch nur dummes Zeug ist. So viel zur nicht immer ganz einfachen Wechselwirkung zwischen Astrologie und Demoskopie.
Seite 2: Was Merkels Horoskop verspricht
Und Angela Merkel, geboren am 17. Juli 1954 im Sternzeichen Krebs? Das Jahreshoroskop der Astrowoche gibt sich weniger zuversichtlich als Merkels eigene Partei, wenn es sibyllinisch notiert: „Beruflich ist 2013 alles drin. Allerdings müssen Sie etwas Geduld mitbringen, denn der Erfolg stellt sich nicht so schnell ein, wie Sie sich das wünschen.“
Ist das jetzt als Aufforderung zu verstehen, die Eurokrise noch etwas länger auszusitzen? Soll Merkel darauf warten, dass die FDP irgendwann einmal zur Besinnung kommt? Oder lieber gleich darauf setzen, dass Jürgen Trittin endlich doch die Union zu seinem bevorzugten Koalitionspartner erklärt? In dessen Jahreshoroskop (Löwe) heißt es immerhin vielsagend, 2013 gelte es, „die ideale Balance zwischen sinnvollen Neuerungen und bewährten Methoden zu finden“.
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Wer die Astrowoche dann noch nach der Zukunft von Trittins gutbürgerlich angehauchter Mitstreiterin Katrin Göring-Eckardt (Stier) befragt, weiß eigentlich schon heute, wer uns von nächstem Herbst an regieren wird: „2013 können Sie Ihre Talente endlich richtig einbringen! Und das Beste ist: Ihre Arbeit trägt Früchte. Sogar anspruchsvolle Projekte gehen Ihnen ganz leicht von der Hand und Sie erfahren viel Anerkennung.“
Nicht einmal Peer Steinbrück würde wohl leugnen, dass es sich bei Schwarz-Grün um ein „anspruchsvolles Projekt“ handelt. Der kann sich allenfalls noch mit dem Hinweis in seinem Horoskop trösten, dass Jupiter „Ihre Selbstheilungskräfte anregt“. Es sieht in der Tat so aus, als könnte Steinbock Steinbrück die noch brauchen.
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