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Griechenland-Krise - Schluss mit dem politischen Theater

Sie stehen sich scheinbar unversöhnlich gegenüber: Deutsche und griechische Politiker, wenn es um die Frage nach den Mitteln zur Lösung der Griechenlandkrise geht. Dabei hat keiner der Beteiligten ein echtes Interesse am Austritt Griechenlands aus der Eurozone

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Seit mehr als einer Woche sind wir jetzt Zeugen eines absurden Theaterstücks auf der politischen Bühne in Brüssel. Es geht um Griechenlands desaströse finanzielle Lage und ob es eine Tragödie bleibt oder ob es ein Happy End gibt, wird sich in den kommenden Tagen entscheiden. In den Hauptrollen bisher: der neue griechische Finanzminister Yanis Varoufakis und sein deutscher Amtskollege Wolfgang Schäuble, Jugend gegen Alter, Rebellion gegen Macht, soweit alles bekannt.

Mit großer Geste lässt man Verhandlungen über weitere Milliardenhilfen für Athen öffentlichkeitswirksam scheitern. Dem Publikum suggerieren beide Seiten, man habe bei diesem Pokerspiel das bessere Blatt in der Hand. Eine Fortsetzung der Austeritätspolitik mache er nicht mit, sagt Varoufakis. Das laufende Rettungsprogramm werde nur weitergeführt, wenn die neue griechische Regierung die Reformpolitik ihrer Vorgängerregierungen fortsetze, entgegnet Schäuble, sonst sei es eben vorbei. Die Griechen müssten dann raus aus der Währungsunion, Grexit.

Grexit: die teuerste Lösung
 

In Wahrheit sind die Verhandlungen noch lange nicht gescheitert, hinter den Kulissen wird in Brüssel ohnehin ununterbrochen weiter miteinander gesprochen, um einen Deal zu erreichen. Die Chancen dafür stehen gar nicht so schlecht, weil die Kontrahenten sachlich gar nicht so weit auseinanderliegen, wie sie vorgeben, und keiner der Beteiligten ein Interesse an einer Insolvenz des griechischen Staates Ende dieses Monats hat.

Denn eine Staatspleite der Griechen einhergehend mit einem Ausstieg aus der Eurozone wäre für alle Beteiligten die schlechteste und wohl auch teuerste Lösung. Für die Griechen und für ihre neue Regierung wäre der Ausstieg aus dem Euro eine Katastrophe, weil es vor einer Rückkehr zur Drachme zu einem Bankrun und einer Kapitalflucht ungeahnten Ausmaßes käme. Importe würden sich durch eine drastische Abwertung der neuen Drachme dramatisch verteuern. Dies würde die ohnehin schon siechende griechische Wirtschaft hart treffen, auch wenn der Tourismussektor profitieren könnte, weil sich Reisen nach Griechenland verbilligen würden.

Der Grexit birgt aber auch für die übrigen Mitglieder der Eurozone – inklusive Deutschland – erhebliche Gefahren. Die bisherigen Hilfskredite in Höhe von 50 Milliarden Euro müsste man in Berlin abschreiben. Mit einem Austritt Griechenlands, der rechtlich überhaupt nicht vorgesehen ist, veränderte sich aber auch der Charakter der Währungsunion. Es gäbe einen gefährlichen Präzedenzfall für einen Ausstieg. Die Bewohner anderer schwächelnder Eurostaaten könnten infolgedessen dazu übergehen, ebenfalls ihr Geld in die sichereren Länder der Eurozone zu transferieren. Das Geld flösse dann aus dem instabileren Süden in den vermeintlich sicheren Norden, also aus Portugal, Italien, Spanien und Frankreich nach Deutschland, Österreich und in die Niederlande. Ein solcher Kapitalfluss würde das europäische Finanzsystem noch weiter destabilisieren.

Was ist also zu tun? Der Verlauf der Eurokrise hat in den vergangen fünf Jahren gezeigt, dass die vor allem von Deutschland immer wieder propagierte Austeritätspolitik falsch ist. Die griechische Wirtschaftsleistung ist um 25 Prozent gesunken, die Bevölkerung musste hohe Lohneinbußen hinnehmen, die Investitionen liegen fast bei null, die Arbeitslosigkeit bei über 25 Prozent. Mehr sparen geht überhaupt nicht. Trotzdem ist die Schuldenquote der Griechen weiter angestiegen.

Vorbild Deutschland?
 

In Berlin will man weiteren Hilfen für Griechenland trotzdem nur bei einer Fortsetzung dieser falschen Politik zustimmen. Dafür kann es eigentlich nur zwei Argumente geben: Erstens ist es der eigenen Bevölkerung in Zeiten von Pegida und AfD leichter zu vermitteln, dass man den Griechen keine weiteren Schulden erlasse. Und zweitens ist man in der Bundesregierung offenbar noch immer davon überzeugt, dass Deutschland und seine Agenda-2010-Politik als Blaupause für eine ökonomische Erholung des Kontinents dienen könnten. Es ist zwar theoretisch möglich, die Wettbewerbsfähigkeit einer Volkswirtschaft durch einen Spar- und Reformkurs zu erhöhen und den daraus resultierenden Einbruch der Binnennachfrage durch steigende Exporte auszugleichen. Wie das aber gehen soll, wenn alle Länder der Eurozone gleichzeitig sparen und infolgedessen auch die Nachfrage nach Exporten einbricht, konnten Merkel und Schäuble bisher nicht erklären. Die Deutschen lassen bei ihrer eigenen Erfolgsgeschichte auch gerne die Tatsache unter den Tisch fallen, dass sie dabei extrem von der Einführung des Euro profitiert haben. Innerhalb der Eurozone sanken nämlich durch die gemeinsame Währung für viele Mitgliedsländer die Refinanzierungskosten und mit dem billigen Geld gingen sie in Deutschland auf Shoppingtour.

Sieht man daher mal von dem präpotenten, machohaften Auftreten der Herren Tsipras und Varoufakis ab, ist die Diskussion, die sie in der EU entfacht haben, eigentlich ganz erfrischend. Die neue griechische Regierung ist nicht reformunwillig, sie weiß, dass sie zuhause große Probleme zu lösen hat. Varoufakis hat mehrfach in Interviews betont, dass Griechenland auch unter der neuen Regierung einen positiven Primärhaushalt aufweisen wird, das heißt ohne die Zinszahlungen einen Haushaltsüberschuss erwirtschaftet. Die Vorschläge der Griechen, die Rückzahlung der Schulden an das eigene Wachstum zu koppeln und wachstumsfördernde Reformen vorzuziehen, erscheinen sinnvoll. Das würde die Durchführbarkeit der von den Gläubigern in Brüssel geforderten Strukturreformen erleichtern: die Verschlankung des Staatsapparats, die Verbesserung des Bildungssektors, die Vereinfachung von Unternehmensgründungen und die Bekämpfung der Korruption.

Ein Abschied von der Austeritätspolitik in Europa könnte nicht nur den Grexit verhindern, sondern die Eurozone als Ganzes aus ihrer Depression befreien. Davon hätten dann alle etwas, auch diejenigen, die sich jetzt noch dagegen wehren.

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