- Vom Ehemann im Stich gelassen, vom Staat abgeschoben?
Sie hat zwei Jobs, spricht deutsch und engagiert sich in der Kirche. Trotzdem sollen die Philippinin Gloria Yosores und ihr Sohn nun abgeschoben werden. Macht sich der Staat zum Komplizen eines Mannes, der seine Frau loswerden will?
Eigentlich hätte es so weit nicht kommen brauchen. Der Konflikt hätte entschärft werden können, wenn die entscheidenden Männer rechtzeitig die richtigen Entscheidungen getroffen hätten. Dazu wären Vernunft und Männlichkeit gefragt gewesen. An beidem hat es in dieser Geschichte gefehlt. Jetzt sind sie alle – der Landrat von Günzburg, die Bezirksregierung Schwaben, der bayerische Innenminister und die Härtefallkommission des Freistaates – tief hineingestolpert wie Schlafwandler, um ein in diesem Jahr populäres Bild zu bemühen.
Ein Angestellter der Stadt Augsburg reist 2010 auf die Philippinen und heiratet eine elf Jahre jüngere alleinerziehende Frau. Die Philippinin und ihr kleiner Sohn ziehen zu dem Mann nach Krumbach im bayerischen Teil Schwabens. Nach zwei Jahren und zehn Monaten ehelicher Lebensgemeinschaft trennt sich der deutsche Mann. Damit verfehlen Gloria Yosores und ihr Sohn Joseph ein eigenständiges Aufenthaltsrecht. Das bekommen ausländische Ehepartner von Deutschen erst nach drei Jahren Lebensgemeinschaft.
Die Behörden wollen die Philippinin und ihren Sohn nun abschieben. Sie berufen sich auf den Rechtsstaat. Das klingt korrekt und unanfechtbar. Dabei sind im Fall Yosores tiefgreifendere Fragen aufgeworfen: darf sich der Staat zum Komplizen eines deutschen Ehemannes machen, der seine ausländische Frau nach zeitlich begrenztem Eheglück wieder auf die andere Seite des Erdballs loswerden will?
Scheineheparagraf: Instrument im Kampf gegen illegale Migration
Paragraf 31 des Aufenthaltsgesetzes soll der Bekämpfung von Scheinehen dienen. Aus der Sicht des Gesetzgebers ist der Paragraf ein Instrument im Kampf gegen die illegale Migration. Im Jahre 2011 hat die schwarz-gelbe Koalition die Bestimmungen verschärft und die Mindestdauer der Ehe, die dem ausländischen Gatten ein eigenständiges Aufenthaltsrecht gewährt, von zwei auf drei Jahre erhöht.
Von einer Scheinehe kann im Fall Yosores allerdings keine Rede sein. Bereits am Tag der Trennung wusste das zuständige Landratsamt Günzburg Bescheid. Kein anderer als der deutsche Ehemann ließ der Behörde die Information zukommen. Als wolle er das Amt auf die ausländerrechtlichen Konsequenzen aufmerksam machen, fügte er hinzu, dass man jetzt wohl das „Bleiberecht” seiner Nochfrau „prüfen” müsse. Der Ehemann lässt über seinen Anwalt bestreiten, die Abschiebung von Gloria Yosores und ihres Sohnes im Sinn gehabt zu haben. „Mein Sohn und ich waren wie Spielzeug für ihn. Als er genug gespielt hatte, warf er uns auf den Müll,” sagt hingegen Gloria Yosores.
Während die Behörden bereitwillig mitspielen und auf der Ausreisepflicht von Gloria und Joseph beharren, regt sich in Krumbach der Widerstand der Bürger. Ein ehemaliger CSU-Landtagsabgeordneter interveniert bei der bayerischen Staatsregierung. „In meiner Heimatstadt Krumbach herrscht Empörung über alle Parteigrenzen hinweg, wenn Frau Yosores und ihr Sohn auf die Philippinen abgeschoben werden. Ist das christlich? Ist das menschlich? Ist das sozial?“, fragt Karl Kling in einem Schreiben an das bayerische Innenministerium und fordert eine „Ministerweisung“, um die Abschiebung zu stoppen. Krumbacher Bürger haben über das Internet bundesweit zehntausende Unterschriften gegen die Abschiebung gesammelt. Der Bürgermeister, die Arbeitgeberin von Gloria Yosores, der katholische Pfarrer – alle sprechen sich für ein Bleiberecht aus. Zu einer Mahnwache auf dem Marktplatz des kleinen Ortes kamen Hunderte Menschen.
Die Unterstützer begründen ihr Engagement mit der „guten Integration“ von Gloria und Joseph. In der Tat sind beide in Krumbach heimisch geworden, wollen dortbleiben. Die Mutter hat zwei Jobs – in einer Schlachterei und bei einem Gebäudereiniger. Der Sohn geht in die dritte Klasse der Grundschule. Scham und Verantwortungsgefühl sind diskretere, aber nicht weniger reale Triebfedern der bürgerschaftlichen Unterstützung. „Ein Mann aus unserem Ort hat sich rücksichtslos und mies verhalten, wir bügeln das aus,“ könnte man die kollektive Haltung in Krumbach beschreiben.
Positives Gegenbeispiel zu Pegida-Demonstrationen
Anstatt das Engagement als positives Gegenbeispiel zu Pegida-Demonstrationen und dem Anzünden von Asylbewerberheimen zu werten, tun es Behörden und Staatsregierung als lästiges Theater ab, das beim Vollzug von Recht und Gesetz stört.
Dabei griffe man zu kurz, reduzierte man den Fall allein auf einen klassischen Konflikt zwischen Recht und Gerechtigkeit. Ein Blick ins Gesetz genügt: nach § 31 Aufenthaltsgesetz kann nämlich von der Aufenthaltsbeendigung abgesehen werden, wenn eine „besondere Härte“ vorliegt.
„Wenn das kein Härtefall ist, was ist dann bitte schön ein Härtefall?“, fragt der CSU-Bundestagsabgeordnete Georg Nüßlein. Die Härtefallkommission des bayerischen Landtags, in der auch Kirchenmänner sitzen, hat sich mit der Causa Yosores befasst und die Abschiebung gutgeheißen. Nüßlein wirft der Kommission Totalversagen vor. Jetzt wollen die Unterstützer erreichen, dass die Kommission sich Ende Januar den Fall ein zweites Mal vornehmen muss.
Seit Wochen versucht Volksvertreter Nüßlein parallel, die bayerische Staatsregierung umzustimmen, telefoniert mit Innenminister Joachim Herrmann (CSU). Alles spreche dafür, dass der deutsche Ehemann nicht nur seine Frau, sondern auch Unterhaltsansprüche loswerden wolle, meint Nüßlein. Theoretisch hätte Gloria Yosores zwar auch auf den Philippinen Anspruch auf Unterhalt. Aber wie soll sie den von dort praktisch durchsetzen? „Wir dürfen uns nicht von dem Ehemann instrumentalisieren lassen,“ hat Nüßlein seinem Parteifreund Herrmann gesagt.
„Es ist richtig, dass nur sieben Prozent der ausreisepflichtigen Ausländer in Bayern tatsächlich abgeschoben werden,“ erläutert der Abgeordnete. „Aber müssen ausgerechnet Leute wie Frau Yosores und ihr Sohn die Statistik aufbessern? Das kann ja wohl nicht sein.“
Krise der Männlichkeit
Wie der Konflikt ausgehen wird, ist offen. Nach geltender Beschlusslage müssten Gloria und Joseph Yosores Deutschland verlassen. Dass sie es freiwillig tun, hoffen der Landrat von Günzburg und der bayerische Innenminister. Dann bräuchten sie nicht die Polizei zu schicken. Landrat Hubert Hafner hatte zu Beginn des Konflikts nur auf die „eindeutige Rechtslage“ verwiesen. Inzwischen lässt er über seinen Sprecher der Öffentlichkeit mitteilen, dass „das Schicksal von Frau Yosores nicht einfach an ihm abgleitet.“ Als wolle er Mitleid erheischen für den harten Job des Gesetzesvollzugs.
Von einer Krise der Männlichkeit zu sprechen, scheint nicht übertrieben. Ein Deutscher treibt ein übles Spiel mit einer Ausländerin und kann sich dabei auf die reflexartige Beihilfe der Männer an Behörden- und Staatsspitze verlassen.
Über die Monate hat sich der Fall Yosores zu einer Affäre mit Schadenspotential für den Minister ausgewachsen. Für Joachim Herrmann könnte es lehrreich sein, sich an das Schicksal eines früheren Amtskollegen von der CDU zu erinnern. Uwe Schünemann hatte als niedersächsischer Innenminister eine Familie aus Hildesheim durch Abschiebung auseinandergerissen. Polternd hatte er dieses harte Vorgehen vor dem Landtag als „rechtsstaatlich einwandfrei“ verteidigt. Am Ende ist Schünemann über diese Politik gestürzt. Grundlage für seine Härte – das durchschauten schließlich sogar die eigenen Parteifreunde – war ein verqueres Verständnis von Männlichkeit gewesen. Auch Joachim Herrmann wird, sollte er im Fall Yosores das Falsche tun, den Vorwurf nicht mehr loswerden, eine Memme zu sein.
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