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Nach Niederlage bei US-Wahlen - Obama hat noch alle Chancen

Nach dem Repräsentantenhaus vor vier Jahren haben die Demokraten nun auch die Mehrheit im Senat verloren. Damit ist Barack Obama in der politischen Normalität angekommen. Innenpolitisch muss er sich von seiner Partei lösen und auf die Konservativen zugehen

Autoreninfo

ist Autor des „Tagesspiegel“ und berichtete acht Jahre lang aus den USA. Er schrieb die Bücher: „Der neue Obama. Was von der zweiten Amtzeit zu erwarten ist“, Orell Füssli Verlag Zürich 2012. Und „Was ist mit den Amis los? Warum sie an Barack Obama hassen, was wir lieben“. Herder Verlag Freiburg 2012.

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Das war eine schmerzliche Wahlnacht für Barack Obama. Das mäßige Abschneiden seiner Demokratischen Partei in der Kongresswahl macht ihn zur sprichwörtlichen „Lame Duck“ in den letzten zwei Jahren seiner Präsidentschaft. Vielen Republikanern wird der Sieg freilich auch nicht sonderlich schmecken, denn er verlangt ihnen eine Kursänderung mit Blick auf die Präsidentschaftswahl 2016 ab. Für Europa ist das Ergebnis ebenfalls unbequem. Wenn die Führungskraft der USA nachlässt, wird der Umgang mit IS, Russland, Ebola und anderen internationalen Herausforderungen schwieriger und in der Folge wachsen die Erwartungen, was Europa beitragen solle.

Im Abgeordnetenhaus konnten die Republikaner ihre Mehrheit um ein Dutzend Sitze ausbauen. Vor allem eroberten sie die Mehrheit im Senat, der Länderkammer des Kongresses. Unter den netto sieben Senatssitzen, die die Demokraten mit zum Teil deutlichen Einbußen abgeben mussten, waren auch Iowa, Colorado und North Carolina. Sie galten als Brandmauer gegen den Mehrheitswechsel im Senat; dort hatte Obamas Partei auf ein Kopf-an-Kopf-Rennen gehofft. Selbst der Senatssitz von Maryland, einem normalerweise „blauen“, also demokratischen Staat, ging verloren. In diesem Gesamtbild sind die Siege in New Hampshire und Minnesota, wo die Demokraten sich in harten Auseinandersetzungen behaupteten, ein geringer Trost.  

Alles in allem ist dies eine klare Niederlage für den Präsidenten. Sein Name stand zwar nicht auf dem Wahlzettel. Er ist aber die zentrale Figur. Sein gesunkenes Ansehen – 42 Prozent Zustimmung der Bürger laut Umfragen – setzte die Stimmung am Wahltag. Nach der historischen Erfahrung hätte seine Partei ausgewogene Chancen ab einem Rating von 45 Prozent Zustimmung gehabt.

Kein Debakel, sondern politische Normalität
 

Es ist jedoch übertrieben, das Ergebnis als „Fiasko“, „Debakel“ oder „Absturz“ einzuordnen. Wie ein wahrer „Erdrutsch“ in einer so genannten Mid Term Election aussieht, mussten frühere Präsidenten wie George W. Bush und Bill Clinton erfahren. Bush büßte 2006 30 Sitze im Abgeordnetenhaus ein; Clinton bei seiner ersten Zwischenwahl 1994 sogar 60 Sitze. Eine solche Demütigung blieb Obama erspart. 

Die Bürger sind eben nicht nur unzufrieden mit Barack Obama; sie sind mindestens ebenso wütend auf den Kongress. Seit 2010 haben die Republikaner wieder die Mehrheit im Repräsentantenhaus. Das Ansehen des Kongresses liegt bei 13 Prozent: ein klares Verdikt gegen die Blockade des Parlaments durch die Republikaner.

Auch das Gesamtbild der Machtverteilung ist keineswegs ein „absoluter Tiefpunkt“ für Obama, wie man mitunter lesen kann. Dass der Präsident in den letzten beiden Amtsjahren die Mehrheit in beiden Kammern des Kongresses gegen sich hat, ist vielmehr der Normalfall. Keinem Präsidenten der letzten 35 Jahre ging es anders.

Was bedeutet diese Konstellation für Obamas letzte zwei Jahre. Was kann er noch bewirken? Diese Fragen richten sich nicht nur an den Präsidenten, sondern auch an die Republikaner. Innenpolitisch muss Obama sich von seiner Partei lösen und auf die Konservativen zugehen, ihnen Kompromissangebote machen – so wie das Bill Clinton gelungen ist; seine letzten zwei Jahre sind den Amerikanern, trotz des Lewinsky-Skandals und des Amtsenthebungsverfahrens, als Zeit in Erinnerung, in denen das Zusammenwirken eines demokratischen Präsidenten mit einem republikanischen Kongress leidlich funktionierte. Freilich waren dies im Vergleich zu heute sonnige Jahre: Die Wirtschaft boomte, die internationale Lage war relativ ruhig. Und es lag in Clintons Naturell, seine politischen Gegner zu umarmen.

Obama muss den Clinton machen
 

Obama ist kein Clinton. Ihm fehlt diese Gabe offenbar – oder, falls er sie besitzt, hat er dies bisher nicht gezeigt. In seinen ersten beiden Amtsjahren hatte er die Mehrheit im Kongress; damals setzte er in relativ kurzer Zeit vieles durch, auch Historisches: die Gesundheitsreform, die Reform der Finanzaufsicht, den atomaren Abrüstungsvertrag mit Russland, zwei neue Verfassungsrichterinnen, darunter die erste Latina, einen neuen Umgang mit Homosexuellen im Militär. Er führte die USA aus der tiefsten Rezession seit den 1930er Jahren wieder auf Wachstumskurs und halbierte die Arbeitslosenrate. Auch die Rate der Neuverschuldung ist zuletzt zurückgegangen.

Nach dem Verlust der Mehrheit im Repräsentantenhaus 2010 verlegte sich Obama darauf, die Republikaner mit öffentlichen Forderungen unter Druck zu setzen – und dies oft mit Erfolg. Bis 2013 wechselte die Meinungsführerschaft immer wieder. Obamas Ansehen lag phasenweise nahe 50 Prozent oder darüber. So gelang ihm auch die Wiederwahl 2012 mit klarer Mehrheit.

Die Hoffnung auf zwei letzte Jahre einer Kohabitation wie unter Clinton wird geweckt,  freilich auch gleich wieder begrenzt, wenn man die Lage mit den Augen der Republikaner betrachtet. Einerseits, so argumentiert ihr rechter Flügel, hat die Verweigerungshaltung Erfolg gehabt und ihnen den Wahlsieg in dieser Woche beschert. Soll man diesen Kurs dann nicht fortsetzen?

Andererseits gilt: Nach der Wahl ist vor der Wahl. Nun richten sich die Blicke nach vorn auf die Präsidentschaftswahl 2016. Wenn die Republikaner in vier Jahren das Weiße Haus gewinnen wollen, wird effektive Oppositionsarbeit nicht reichen. Fundamentale Blockade schadet dem Ansehen sogar. Sie müssen vielmehr ihren Gestaltungswillen und ihre Mitverantwortung für das Wohl des Landes beweisen.

Republikaner müssen ihre Blockade aufgeben
 

Radikalaktionen wie die Verweigerung des Budgets und den „Government Shutdown“ wie in den jüngsten Jahren werden damit unwahrscheinlicher. Sie sollten auch besser gar nicht erst versuchen, ihr liebstes Wahlversprechen der letzten Jahre – die unpopuläre Gesundheitsreform rückgängig zu machen – in die Tat umzusetzen. Der Präsident hat ein Vetorecht gegen Gesetzesentwürfe, die er für falsch hält. Und die Republikaner verfügen nicht über die qualifizierten Mehrheiten im Kongress, um sein Veto zu überstimmen.

Es öffnen sich also Spielräume für begrenzte Kooperation. Aber wirklich nur begrenzte Kooperation. Die USA und ihre Bürger sind politisch weiter tief gespalten, die Polarisierung der Lager ist hoch. Soweit Zusammenarbeit möglich wird, gründet sie sich nicht auf ein Gefühl der Partnerschaft, sondern auf kleine Inseln, wo sich die strategischen Interessen der Republikaner mit denen der Demokraten überschneiden.

An solchen Vorzeigebeispielen praktizierter Mitverantwortung haben insbesondere jene Konservative Interesse, die für die Präsidentschaft 2016 kandidieren wollen. Zum Beispiel mit Blick auf die überfällige Reform des Einwanderungsrechts. Die Latinos sind die am schnellsten wachsende Gesellschaftsgruppe und werden womöglich zum Schlüssel für den Wahlsieg 2016. Beide Lager benötigen ihre Stimmen im Kampf um das Weiße Haus. Das ist keine Garantie, dass die Einwanderungsreform kommt, aber es erhöht die Chancen.

Im Übrigen wird sich Barack Obama in seinen letzten zwei Jahren verstärkt der Außenpolitik widmen. Auch das hat Tradition. US-Präsidenten, die in der Innenpolitik kaum noch etwas bewegen können, verlegen sich auf die Außenpolitik. Der Kongress fällt ihnen dabei in der Regel nicht in den Arm. Die meisten Abgeordneten und Senatoren scheuen davor zurück, sich bei so komplizierten und unpopulären Fragen wie dem Umgang mit dem IS, dem Ukrainekrieg oder zuvor Syrien und Libyen aus der Deckung zu wagen.

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