- Nur noch eine Zockerbude
Fast wäre er ihr Azubi geworden, als Chef der WestLB war er neidisch auf die Deutsche Bank. Heute empfindet Ludwig Poullain nur noch Abscheu für deren Profitgier. Ein persönlicher Abgesang
Eine epochale Leistung erbracht zu haben, dies muss ich dem Herrn Josef Meinrad Ackermann schon zugestehen. Aus der einstmals zu Recht hoch angesehenen seriösen Deutschen Bank eine Zockerbude gemacht und dabei den bislang auf die redliche Erbringung von Dienstleistungen ausgerichteten Sinn der Bediensteten aufs reine Geldverdienen getrimmt zu haben, also, um es in einem kurzen Satz zu sagen, den Ruf des Hauses ruiniert zu haben, ist eine nahezu säkulare Tat, mit der er der Bank ihre Seele geraubt hat. Und nun geben seine Epigonen Jürgen Fitschen und Anshu Jain mit ihrer Ankündigung, die Bank mit der Teflonschicht einer neuen Kultur zu überziehen, sie auch noch dem Gespött preis.
Und über allen diesen Handlungen schwabbelt die Arroganz der Mächtigen.
Gewiss, sie durchzog auch in den besten Zeiten der Bank die Chefgemächer. Aber einem Hermann Josef Abs stand sie noch zu Gesicht, waren doch seine ätzenden Aperçus immer von Esprit durchweht. Sein feiner Geist hat sich längst verflüchtigt.
Die Deutsche Bank ist seit ihrer Gründung im Jahre 1870 mehr als 100 Jahre lang den Maximen ihres Gründers Georg von Siemens gefolgt, Geschäfte redlich zu erledigen, eine der Wirtschaft dienende Funktion zu übernehmen und mit dem Geld, das ihr ihre Kunden anvertrauen, sorgsam umzugehen. Als Patriot und erster Chef des Hauses lebte er vor, dass der gewählte Name der Bank den sie Führenden die immerwährende Pflicht auferlegt, stets in diesem Sinne zu handeln. Dass diese seine Erwartungen hoch bis ins 20. Jahrhundert erfüllt worden sind, dafür stehe ich als Zeitzeuge. Ich war dabei, als die Ulrichs, Christians und Herrhausens der Aufforderung der jeweils Regierenden, im Interesse unseres Staates auf ein Geschäft zu verzichten, oder etwas nur für des Vaterlands Dank zu bewirken, selbstverständlich Folge leisteten.
[gallery:Die Bilder der Ära Ackermann]
Als dann aber Alfred Herrhausen, ab 1985 Vorstandschef in Frankfurt, der Bundesregierung vorexerzierte, auf welche Weise er mit der Bank Entwicklungshilfe wirksam betreiben konnte, auf Kreditforderungen gegenüber zahlungsschwachen Entwicklungsländern verzichtete und damit seinen Vorstandskollegen zumutete, Kürzungen ihrer Tantiemen hinnehmen zu müssen, begann in ihnen die kalte Wut zu brodeln. Alfred Herrhausens Tod durch das Attentat am 30. November 1989 soll bei einigen seiner Herren Kollegen nicht nur klammheimliche Freude ausgelöst haben. Doch wie tief auch immer ihre Trauer gewesen sein mag, als seinen Nachfolger bestimmten sie einen solchen aus ihren Reihen, von dem sie sicher sein konnten, dass er gänzlich anderen Sinnes als sein Vorgänger war.
Seite 2: Josef Ackermann hat den Ruf dieser Bank verdorben
Institutionen pflegen immer dann, wenn sie ihre Ziele neu definiert haben, jemanden an ihre Spitze zu berufen, dem sie zutrauen, dass er sie verwirklichen wird. In diesem Sinn operierend, berief die Deutsche Bank nach dem Tod Herrhausens Hilmar Kopper an die Spitze. Ein erster Schritt, die Bank vom Herrhausen’schen Niveauplateau auf die Tiefebene hinabzuleiten, auf der sich der höchstmögliche Profit erzielen lässt. Gewiss, der Herr Kopper war auf diesem Gebiet ein eher noch Tastender. Immerhin hat er seiner Bank den Peanuts als Hauswährung zum Geschenk gemacht.
Aber erst in Josef Ackermann fand die Bank den ihrer neuen Politik gemäßen genialen Profitsüchtigen. In der Pose eines Biedermanns Max Frisch’scher Prägung, artverfremdet durch seinen nach Blut und Boden duftenden Namen und verborgen hinter der Maske eines eingefrorenen ewigen Lächelns verkündete er sogleich nach Amtsantritt unverblümt das geschäftspolitische Ziel seiner Regentschaft: die Erzielung einer Eigenkapitalrendite von 25 Prozent. Die einem solch hehren Ziel entgegenwirkenden bisherigen Aktivitäten der Bank sollten dagegen vernachlässigt oder ersatzlos gestrichen werden, wie etwa die Kreditgewährung an den Mittelstand und andere Dienstleistungen, die einen zu kleinen Gewinnbeitrag leisteten.
Bislang ist mir in meinem langen Leben in keiner Branche unserer Wirtschaft ein solch simples unternehmerisches Ziel genannt worden. Doch die Wirtschaftspresse jubelte dem Verkünder zu. Endlich war da einer aus der großen weiten Welt zu uns gestoßen. Ein simples deutsches Gemüt hätte wohl nie die Gewinnerwartung in solch exorbitante Höhen schrauben können. Um solche zu erklimmen, dazu musste schon ein echter Schwyzer her.
Bis heute habe ich in der Wirtschaftspresse nicht einmal lesen können, dass sie ihre in jener Zeit verbreitete Meinung daraufhin untersucht hätte, ob sie nicht mit dem Hochjubeln solcher, die Geldgeilheit anheizenden Parolen einen eigenen, spezifischen Anteil an der Finanzkrise hat. Sie hat in diese Hosiannagesänge so lange eingestimmt, bis das Unheil nicht mehr zu verleugnen war. Erst dann schlug sie gegenüber Ackermann kritischere Töne an.
Joe Ackermann hat den Ruf dieser Bank verdorben. Der ihr von Gründer Georg von Siemens eingegebene, verantwortungsbewusste Geist ist vertrieben und durch den des Gewinnscheffelns – und dies um nahezu jeden Preis, also auch den der Gier – ersetzt worden. Der sitzt nun, so scheint es mir zumindest, den in der Bank Schaffenden fast ständig im Nacken. Er mag mal kurz von der von der Ratio gesteuerten Einsicht, man müsse wieder zu den alten Tugenden zurückfinden, überdeckt werden, doch den Naturgesetzen gehorchend, wird er wie ein Krebsgeschwür weiterwuchern.
Seite 3: Der verdorbene Geist wirkt weiterhin
Dass der verdorbene Geist auch weiterhin wirkt, zeigt mir, wie Jürgen Fitschen, einer der beiden Epigonen Ackermanns, auf ein die Bank scheinbar unverhofft treffendes Unbill reagiert hat. Dass er den hessischen Ministerpräsidenten voller Empörung über den plötzlichen Einfall einiger Hundertschaften von Staatsanwälten, Steuerfahndern und Polizisten beschwerdeführend angerufen hat, fand ich, als ich mir das Szenarium vorstellte, zunächst sogar noch verständlich. Sah doch mein geistiges Auge, wie im Parterre des Glaspalasts der Portier zum Hörer griff und aufgeregt seinen obersten Chef vom Sturm der Festung unterrichtete, worauf dieser sich dann sofort beschwerdeführend an den hessischen Regierungschef wandte.
Doch als ich lesen musste, dass Fitschens Anruf erst 24 Stunden später, also keineswegs spontan, sondern sehr wohl bedacht, erfolgt ist, und seine Klage dahingehend lautete, dass durch diese Aktion das „Image“ seiner Bank in Mitleidenschaft gezogen würde, war mir klar, dass auch Fitschen zu dieser Garde zählt.
Er war es auch, der schon bald nach seinem Machtantritt angekündigt hatte, der Bank eine neue Kultur geben zu wollen. Seitdem plagt mich die Frage, was er wohl unter Kultur verstehen mag: Große Festivals oder ein kleines Gedicht? Herbert von Karajan oder einen stillen, begnadeten Kammermusiker? Profit oder Dienstleistung? Merke: Zur Proklamierung neuer Ziele bedarf es deren glasklarer Definition. Die bloße Benennung vager und unscharfer Begriffe verwischt die Linien. Doch möglicherweise ist das ungleiche Paar Fitschen und Jain gerade hierauf bedacht.
Einen Vorfall, den der Zwischenaktler Breuer – er folgte Kopper und ging Ackermann voraus – inszeniert hat, halte ich an dieser Stelle für erwähnenswert. Herr Breuer hatte einige Wochen vor der Insolvenz der Kirch-Mediengruppe im Jahr 2002 in einem Fernsehinterview über die wirtschaftlichen und finanziellen Verhältnisse Kirchs Negatives ausgeplaudert oder – wer vermag schon hinter eines anderen Menschen Stirn zu schauen? – mit Absicht ausgesprochen.
Vor dem Oberlandesgericht München, das die gegen Breuer und die Deutsche Bank gerichtete Forderung Leo Kirchs auf Leistung von Schadenersatz verhandelt, hat Breuer den Part eines zutiefst gekränkten und zu Unrecht Verfolgten übernommen. Für sein Rollenverständnis vermag ich sogar ein gewisses Verständnis aufzubringen, wird er doch an einem Gesetz gemessen, das den Kern seines Vergehens nicht zu erfassen vermag. Mit einem Richterspruch ist sein Vergehen nicht zu sühnen, das für einen Bankier und auch Banker wichtigste ethische Gebot, über das seiner Bank von einem ihrer Partner Anvertraute zu schweigen, gebrochen zu haben. Dieses von ihm begangene Vergehen empfinde ich als nicht weniger schwerwiegend als etwa die Verletzung eines Beichtgeheimnisses durch einen Priester.
Seite 4: Das Bankgeheimnis? Wird ignoriert!
Seine dem Gericht dargebotene Erklärung, die Preisgabe der Kirch’schen Position sei ihm in einem Interview, das einem anderen Zweck gedient habe, unbedacht entfleucht, mag dem Zweck, ihn vor dem Richter zu entlasten, durchaus dienlich gewesen sein, doch es offenbart, dass ihm der hippokratische Eid der Banker, das Bankgeheimnis, nichts bedeutet. Darin liegt für mich der von Herrn Breuer begangene Frevel. Für den Zustand unserer Gesellschaft ist es bezeichnend, dass dieser Umstand bei der Darstellung des „Falles Breuer“ in den Medien keine Rolle spielt. Bezeichnenderweise geht es ihnen immer nur um die Höhe des von Breuer und der Deutschen Bank zu leistenden Schadenersatzes. Hiermit speisen sie ihre Ergüsse. Anstatt den Frevler an den Pranger zu stellen.
Die Entgleisungen der Herrhausen’schen Epigonen sind Legion. Doch nicht nur die Zahl der angeprangerten und der angeklagten Vergehen versetzt mich in Erstaunen. Auch deren Bandbreite und die Unverfrorenheit, mit der sie in Gang gesetzt und verübt worden sind, wirken frappierend.
Einige Jahre vor Ausbruch der Finanzkrise habe ich in einem Artikel der Ackermann’schen Gewinnmaximierung Kants kategorischen Imperativ entgegengestellt: „Handle so, dass die Maxime deines Willens zugleich als Prinzip einer allgemeinen Gesetzgebung gelten könnte.“
Damals dachte ich noch, dass die in dieser Bank Agierenden über einen ethischen Sensor verfügten. Heute weiß ich, dass ich mit der Zitierung der Kant’schen Forderung viel zu hoch gegriffen hatte. Doch glaube ich mich sicher, dass auch in Form und Sprache anspruchslosere Appelle, wie etwa, sich an den Regeln eines ordentlichen Kaufmanns zu orientieren, ebenso wenig bewirkt hätten. Joe Ackermann ist mit dem Wort nicht erreichbar.
Aber was vermag überhaupt das Wort zu bewirken? Es müsste schon ein recht einfaches, ein rasch begreifbares Wort sein, dazu verlockend klingen und ganz laut herausgeschrien werden, um in einer Gesellschaft Gehör zu finden, in der die Ackermanns, Fitschens und Jains kraft der von ihnen besetzten Positionen immer noch als Vor- und Leitbilder dienen. Leise Töne haben da keine Chance.
Seite 5: Beinahe wäre diese Bank auch mir zum Schicksal geworden
Aber ach, diese Bank! Beinahe wäre sie auch mir zum Schicksal geworden. Warum ich im April 1937 die Lehrstelle bei der Städtischen Sparkasse zu Remscheid der der Deutschen-Bank-Filiale im Vorort Lennep vorgezogen habe, weiß ich heute ebenso wenig zu begründen, wie ich auch damals keinen rationalen Grund für diese Entscheidung gehabt habe. Beide Lehrstellen standen mir offen. Wahrscheinlich haben mir die Typen bei den damals noch Mündelsicheren einfach besser gefallen. Vielleicht waren die Sparkassenleute einfacher, simpler als die mir damals schon reichlich hochgestochen erscheinenden Herren der Deutschen Bank.
In der Zeit, da ich als Vorstandsvorsitzender der WestLB amtierte, wähnte ich schon mal, diesen Schritt bereuen zu müssen. Ich brauchte mir nur die Zusammensetzung des Aufsichtsrats meiner Kollegen von der Deutschen Bank anzusehen. Da gab es nur kundige Industrielle, Wissenschaftler, Großhandelsherren und dergleichen mehr, dagegen hatten auf den Stühlen des Rates meiner Bank Politiker Platz genommen, die lieber darüber nachsannen, wie sich die wirtschaftliche Macht dieser öffentlich-rechtlichen WestLB politisch umsetzen ließ, als sich mit der Geschäftspolitik der Bank auseinanderzusetzen. Selbstverständlich war diese Wunschvorstellung, meine Laufbahn lieber bei der Deutschen Bank anstatt bei der Sparkasse gestartet zu haben, jeweils nur eine kurze Einblendung eines Phantombilds, hätte doch der Träger des Zeugnisses der mittleren Reife und der ohne akademische Weihen versehene Kleinbürger Poullain in der Deutschen Bank nie die Chance gehabt, über die Stellung – und da greife ich schon verdammt hoch – eines stellvertretenden Filialleiters mit eingeschränkter Kreditbewilligungsbefugnis hinauszukommen.
Zu jener Zeit, ich meine damit die siebziger Jahre des vergangenen Jahrhunderts, als ich mit der WestLB gegen die Deutsche Bank in den Wettbewerb um die deutsche Industriekundschaft zog, habe ich die organisch gewachsene, in sich ruhende Deutsche Bank über alle Maßen bewundert.
Damals waren die Deutsche Bank und die deutsche Industrie eng miteinander verbandelt, waren sie doch in den zurückliegenden Jahren Stück um Stück zusammengewachsen. Ohne diese Bank hätte der Wiederaufbau der deutschen Industrie in der vollzogenen Weise nicht gelingen können. Nach der Währungsreform verfügte kaum ein Unternehmen über nennenswertes Eigenkapital. Mit jedem Kredit ging die Bank ins unmittelbare unternehmerische Risiko, und da, wo die Kapitalbasis für eine Kreditgewährung zu schmal war, finanzierte sie den Wiederaufbau direkt durch Erwerb von Gesellschaftsanteilen. Das waren verkörperter Geist, Haltung und Größe der Deutschen Bank.
Seite 6: Einmal Investmentbanker – immer Investmentbanker
Heute ist sie nur noch systemrelevant. Und dies nicht etwa durch Geist und Haltung, sondern allein durch pure Größe. Allem Anschein nach empfinden die beiden Herren an der Spitze der Bank dies als Auszeichnung. Wenn sie nur begreifen könnten, dass diese Stellung einzig aus der Angst der Regierenden herrührt, sie vermöchten noch größeren Schaden anzurichten, als dies ihrem Vorgänger in der ersten Bankenkrise von 2008 bereits gelungen war.
War Ackermann so gewichtig, dass es zweier Nachfolger bedurfte? Dieses Kosystem hat die Bank schon mehrmals exerziert, zum ersten Mal, als Hermann Josef Abs zwei Herren im Vorstandsvorsitz folgten. Hieran rankt sich ein Erinnern an ein Gespräch, das ich, in die Form eines Antrittsbesuchs gekleidet, mit dem alten Herrn geführt habe. Darin gab er erst einmal unumwunden seiner Unzufriedenheit darüber Ausdruck, dass, gemessen an der Bilanzsumme der beiden Institute, die WestLB das größere war. Nachdem ich diesen Vergleich relativiert hatte, wollte ich die Bedeutung seiner Bank zusätzlich noch mit dem Hinweis unterstreichen, dass mein Vorgänger sich mit einem Nachfolger, eben mir, zufriedengeben konnte, während er, der große Herr Abs, deren zwei benötigte.
Nach dieser meiner Aussage lieferte mir Hermann Josef Abs ein Kabinettstückchen seiner Selbstdarstellungskunst. Erst einmal zauberte er die Reflexe des großen Erstaunens auf sein Gesicht, die, nach gehöriger Dauer, dem Anflug eines leisen, scheinbar verschämten Lächelns wichen, um dieses dann schließlich, als er zum Sprechen anhub, in ein süffisantes Grinsen zu verwandeln: „Wenn ich mir die beiden so anschaue“ – kunstvoll gestaltete Pause – „mindestens drei hätte ich haben müssen.“
Nein, für Ackermann hätte einer durchaus gereicht – wenn es denn der Rechte gewesen wäre. Aber so? Die Wahl eines Investmentbankers zum Ko‑Chef ist Programm. Der Ankündigung, die Geschäftspolitik zu alten Ufern zurückzuführen, wirkt diese Berufung diametral entgegen. Auch wenn Anshu Jain diese Politik mittragen will, er wird es nicht können. Einmal Investmentbanker – immer Investmentbanker. Von einem solchen zu einem normalen Brot- und Buttergeschäftsbanker zu werden, ist nicht so einfach, wie auf einer Laute eine andere Saite anzuschlagen. Man muss dann schon die Harfe spielen lernen.
Doch diese Erkenntnis gilt nicht nur für einen Einzelnen, sie gilt auch für diese Bank.
Ludwig Poullain war Präsident des Deutschen Sparkassen- und Giroverbandes und von 1969 bis 1977 Vorstandschef der WestLB
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