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Krise bei Stern, Spiegel und Focus - Die nervöse Medienbranche

Sparhammer beim Stern, Ringelrei in den Chefetagen: Die deutschen Magazinverlage sind hochnervös. Den intellektuellen Abgesang dazu stimmt der US-Autor Jeremy Rifkin an: In seinem vor Kurzem erschienen Buch beschreibt er den „Rückzug des Kapitalismus“ – auch in der Medienbranche. Aber er übersieht einige Realitäten

Autoreninfo

Petra Sorge ist freie Journalistin in Berlin. Von 2011 bis 2016 war sie Redakteurin bei Cicero. Sie studierte Politikwissenschaft und Journalistik in Leipzig und Toulouse.

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Mit ein bisschen Impertinenz könnte man den Spiegel-Titel zum „Bröckelstaat“ in dieser Woche auch als Fingerzeig auf die eigenen Zustände missverstehen. Denn die Macht von Chefredakteur Wolfgang Büchner bröckelt: Seine Pläne, das Blatt für das digitale 21. Jahrhundert fit zu machen, stoßen schon seit Längerem auf massiven Widerstand. In dieser Woche haben ihm die Print-Ressortleiter in einem gemeinsamen Brief geschlossen das Misstrauen ausgesprochen.

Die Stimmung zwischen Print- und Onlineredakteuren ist miserabel: Wenn Vertreter beider Seiten zufällig im Fahrstuhl aufeinander treffen, sollen sie sich nicht einmal mehr grüßen.

Dabei ist der Spiegel längst nicht das einzige Magazin, bei dem es bröckelt. Anderswo hat man sich der Chefredakteure längst entledigt: Roland Tichy von der „Wirtschaftswoche“ – ausrangiert. Jörg Quoos vom „Focus“ – weggelobt. Dominik Wichmann vom „Stern“ – herauskomplementiert. Neben Wichmann werden dort auch 26 weitere Redakteure entlassen. Insgesamt will der Verlag Gruner + Jahr einen Abbau von 400 Stellen „sozialverträglich umsetzen“, wie es heißt.

Die Verlagsbranche ist hochnervös. Einige Tageszeitungen und Wochenmagazine verlieren stetig an Auflage, Absatz, Anzeigen.

Folgt man dem Bestsellerautor Jeremy Rifkin, dann ist das nicht nur die logische Folge einer „Revolution“, die mit dem Internet begann und als erstes die Kommunikationsbranche erfasst hat. Für den US-Futurologen ist diese Entwicklung sogar wünschenswert.

Abgesang des Kapitalismus?


In seinem vor wenigen Wochen erschienen Buch „Die Null Grenzkosten Gesellschaft“ prophezeit Rifkin einen Rückzug des Kapitalismus. Mit den immer besseren Netz- und Energieinfrastrukturen sinken die Kosten für den Transport bestimmter Güter: Wo ein Buch, handgeschrieben gar, früher ein teures Luxusgut war, lassen sich dessen Inhalte übers Web heute kostenfrei verbreiten. Denn das Kopieren ist gratis. Ob Medien, Spiele oder Energie: Mit dem „Internet der Dinge“, so Rifkins Vision, liegen die Produktionskosten jeder weiteren Ausbringungseinheit im Grunde bei null, „was das Produkt nahezu kostenlos macht“. Damit „blieben der Profit und damit der Lebenssaft des Kapitalismus aus“.

Im nächsten halben Jahrhundert erwartet der Ökonom daher den Aufstieg eines neuen Organisationsmodells: das der „kollaborativen Commons“. Das sind Gemeingüter, die – angelehnt an die „Allmende“, die Viehweide der Feudalzeit – frei sind und von allen gleichsam genutzt werden können. Für Rifkin sind sie die älteste Form demokratischer Selbstverwaltung. Im Internet können Nutzer heutzutage mit Blogs, Youtube und Flickr ihre eigenen Autoren, Filmemacher, Fotografen werden. Sie werden „Prosumenten“ – Konsumenten, die selbst produzieren. Sie können an der Wikipedia mitarbeiten, an freien Werken im Internet mitschreiben.

All das ist innovativ, basisdemokratisch. Zugleich macht es der Vormarsch der Commons und die Überfülle der Gratis-Angebote im Internet offenbar einigen Magazinen schwer, noch etwas Neues für ihre Bezahl-Hefte zu finden.

„Frei“ wie in „Meinungsfreiheit, nicht wie in Freibier“


Zwar erinnert Rifkin mehrmals an den Spruch des Open-Source-Veteranen Richard Stallmann, der „frei“ wie in „Meinungsfreiheit, nicht wie in Freibier“ verstehen wollte. Aber so ein bisschen vergoren riecht das Ganze dann doch.

In Rifkins Lesart nämlich sind Verlage zwangsläufig „Kapitalisten“, die an den Rand gedrängt werden (müssen). Sie haben sich über das „geistige Eigentum“ und das „Copyright“ einen Hebel geschaffen, um vormals freie Güter ausbeuten zu können.

Zwar deutet er kurz an, dass „das Phänomen der Nahezu-null-Grenzkosten (…) in den Verlags- Kommunikations- und Entertainmentbranchen bereits enorme Schäden angerichtet hat“. Nirgends aber zeigt er eine Lösung aus dem Dilemma auf.

Rifkin träumt sich in eine Idealwelt, in dem der Kollaboratismus die neue Wirtschaftsform wird, in dem die „Sharing Economy“, das Gemeinwohl und das Peer-to-Peer triumphieren. Die Schwarmintelligenz ist in einigen Wissensbereichen eindeutig überlegen – nicht umsonst ist der Brockhaus vor der Wikipedia in die Knie gegangen.

Aber heißt die Konsequenz dann Abwicklung aller Verlage, Kommunikations- und Entertainmentbetriebe? Noch mehr Aderlass bei Spiegel, Stern & Co.?

Was Rifkin übersieht, ist, dass am Ende genau jene gewinnen könnten, die den Kollaboratismus für sich zu nutzen wissen – und die Illusion einer Gemeinschaft ökonomisieren. Den Auftakt dazu machte im vergangenen Oktober die deutsche Huffington Post, die Blogger als Gratis-Autoren engagiert. Nach nur sechs Monaten stieg das Portal mit 2,09 Millionen Unique Usern in die Top 20 der hiesigen News-Angebote auf. Und das mit knallharten kapitalistischen Methoden.

Monopole als digitale Gewinner


Ihr folgten Seiten, die das scheinbar wohlige Online-Zusammengehörigkeitsgefühl noch weiter zuspitzten. Viral-Webseiten, die auf soziale Netzwerke setzen, auf das Liken, Twittern, Teilen der Fangemeinde. Eine solche ist etwa Heftig.co, die ihre Busen-und-Miezen-Geschichten regelrecht hinausschreit: „Der Ehemann findet ihre Affäre im Kleiderschrank! Aber seine Ausrede ist genial!“ Im April verdrängte die Seite aus dem Stand heraus Spiegel Online von Platz 1 der Facebook-Charts. Mit nur 90 Beiträgen erreichte das Portal knapp 2,36 Millionen Reaktionen in den sozialen Medien, während Spiegel Online und Bild.de mit ihren gesamten Inhalten – 6000 Artikel – demnach zusammen nur auf 2,62 Millionen kamen. Im August zählte „Heftig“ 25,6 Millionen Besucher.

Rifkin räumt immerhin einen Gegentrend ein: Um gegen die sinkenden Grenzkosten anzukämpfen, versuchen Marktführer, sich zunehmend ein Monopol zu sichern. Damit könnten sie dem Markt höhere Preise abtrotzen, als ihre Produkte eigentlich wert sind.

Gerade hat Axel Springer, einer der größten digitalen Verlage Europas, sich mit Politico, der führenden politischen Publikation in Washington, zusammengeschlossen, um ein „Politico“-Magazin für europäische Politik in Brüssel zu eröffnen. Während die Nachricht einen durchaus erfreulichen Gegentrend zu den Problemen deutscher Magazine signalisiert, könnte sie auch ein Hinweis darauf sein, dass sich auch im digitalen Medienbereich eher die Monopole durchsetzen.

Die Konzerne der Internetindustrie machen es vor: Google, Facebook, Twitter. Sie alle beherrschen das Web – und machen die Daten der Nutzer zu Geld. Sie bieten ihre Dienste „frei“ an. Allerdings „frei“ wie in „Freibier“: Erst machen sie ihre Nutzer trunken, dann abhängig.

Vielleicht wird die Welt so schön kollaborativ, wie Rifkin hofft. Vielleicht auch nicht. In letzterem Fall müssen die Bürger selbst entscheiden, welcher Sorte Kapitalisten sie die Zukunft anvertrauen wollen.

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