- „Ich habe einen Traum“
„Israelis und Palästinenser können nur im Frieden siegen“: Tagesspiegel-Redakteur Peter von Becker gibt die Hoffnung angesichts des Krieges in Gaza nicht auf. Er hat eine fiktive Rede verfasst, die der israelische Ministerpräsident im Mai 2018 vor den Vereinten Nationen in New York halten könnte
Wir feiern heute den 70. Jahrestag unserer Staatsgründung und wollen diesen Tag künftig – endlich – in Frieden feiern. Frieden ist neben der Freiheit das höchste Gut aller Völker. Deswegen reichen wir hier, vor den Vertretern der Weltgemeinschaft, unseren bisherigen Feinden die Hand zum Frieden.
Geschichte lässt sich nicht zurückdrehen. Als das moderne Israel im Mai 1948 „kraft des natürlichen und historischen Rechts des jüdischen Volkes und aufgrund des Beschlusses der UN-Vollversammlung“, wie es in unserer Unabhängigkeitserklärung heißt, in die Völkergemeinschaft eintrat, wurde dies von der großen Mehrheit der Völker anerkannt und begrüßt.
Nur die Führer unserer arabischen Nachbarn haben dieses Faktum der Geschichte nicht akzeptiert. Sie herrschen über die hundertfache Landfläche Israels, mit unvergleichlichen Bodenschätzen, aber sie wollten das Fleckchen israelischer Erde unserem Volk nicht lassen. Sie wollten die Juden, von denen viele gerade erst dem größten Völkermord in der Geschichte der Menschheit entkommen waren, „zurück ins Meer jagen“. Das ist ihnen nicht gelungen. Der kleine Staat Israel ist ein starker Staat geworden. Aber wir haben in 70 Jahren keinen einzigen Tag Frieden gehabt. Nur Ägypten und Jordanien haben Separatfrieden mit uns geschlossen, das ist die Ausnahme. Und sie wäre ein Vorbild.
Wir reichen heute die Hand zum Frieden, nach allen gescheiterten Verhandlungen und kurzfristigen Abkommen. Wir reichen den Palästinensern, reichen unseren arabischen Nachbarn und auch dem Iran die Hand zum Frieden. Trotz aller gescheiterten Versuche, trotz aller gegenseitiger Wunden der Vergangenheit.
Wir wissen, dass auch den Palästinensern in den vergangenen 70 Jahren Unrecht und Leid geschehen ist. Auf beiden Seiten haben wir Fehler gemacht. Wenn nun jede Seite nur ihre eigene Position behauptet und selbstgerecht recht behalten will, dann können wir hierüber auch noch weitere 70 Jahre streiten. Aber haben das die betroffenen Menschen in Palästina und in Israel verdient?
Alle Menschen, die nicht von politischen Führern oder ideologischen Fanatikern verführt werden, wollen eigentlich Frieden. Frieden, Sicherheit und Wohlstand als Grundlage für das Glück ihrer Familien, ihrer Freunde, ihrer künftigen Kinder.
Jede Feuerpause bedeutet ja nur ein Intervall zwischen zwei tödlichen Schrecken. Auch ein Waffenstillstand heißt nicht Frieden, denn Waffen bleiben eine Drohung und Stillstand hindert den Fortschritt.
70 Jahre Unfrieden mit immer neuen Toten und Verwundeten in unserer Region sind ein paranoider Zustand, das müssen wir alle, auf allen Seiten, endlich begreifen. Wir müssen aus diesem Albtraum, der auch den Frieden in anderen Teilen der Welt gefährdet oder verhindert, erwachen und einen anderen, neuen Traum wahr machen.
Aus scheinbar unheilbaren Feinden können Freunde werden. Das haben andere Völker bewiesen. Auch wir wollen mit Palästina zusammenleben, zusammenarbeiten, wie es heute zum Beispiel Polen und Deutsche, Italiener und Franzosen, Spanier und Portugiesen tun. In unserer Unabhängigkeitserklärung vom 14. Mai 1948 steht, dass der Staat Israel sich unabhängig von Religion, Rasse und Geschlecht auf die Ideale von „Freiheit, Gerechtigkeit und Frieden“ stützt. Das soll auch im Verhältnis zu unseren Nachbarn, vor allem zum Staat Palästina gelten.
Wenn uns Palästina offiziell anerkennt, wie wir es nun mit dem Staat Palästina tun, dann könnten wir gemeinsam ein Zeichen setzen für eine neue Zeit. Für unsere gemeinsame Zukunft. Israelis und Palästinenser sind die Bewohner des uns verbindenden Heiligen Landes. Den ewigen Krieg kann dort keiner von uns gewinnen, wir können nur den Frieden gewinnen.
Ich habe den Traum, dass bei uns eines Tages Mauern fallen und offene Grenzen eine gemeinsame Zukunft eröffnen. Jerusalem, Israels Hauptstadt, wird dann eine offene Stadt für Juden, Muslime, Christen und alle Menschen friedlicher, freiheitlicher Gesinnung sein. Unsere ganze Region hat das Potential für eine beispielhafte wirtschaftliche und kulturelle Entwicklung. Wir könnten zusammen ein Magnet sein für internationale Investitionen, für den Tourismus, für die Entwicklung neuer Technologien und Wissenschaften. Israel hat seinen Teil der Wüste bereits zum Blühen gebracht. Doch das ist erst ein Anfang.
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