- Ronald Pofalla wechselt vom Staat zum Staat
Der ehemalige Kanzleramtsminister Ronald Pofalla geht Anfang 2015 zum Staatskonzern Bahn. Die medialen Tugendwächter heulen auf - doch bei der eigenen Zunft nehmen es die Journalisten nicht ganz so genau
Jetzt ist es also amtlich: Ronald Pofalla, bis Dezember 2013 Kanzleramtsminister und seitdem nur noch einfacher CDU-Abgeordneter, geht Anfang nächsten Jahres zur Deutschen Bahn. Er wird Konzernbevollmächtigter für Kontakte zu Politik und Wirtschaft. Bahnchef Rüdiger Grube teilt dies am Mittwoch dem Aufsichtsrat offiziell mit, obwohl Pofalla – zunächst – nicht Mitglied des Vorstands wird. Grube braucht deshalb das Plazet des Gremiums für diese Berufung gar nicht. Aber die Personalie Pofalla hat schon für so viel Wirbel gesorgt, dass der Bahn-Chef die Aufsichtsräte lieber informiert und somit einbindet.
Die Opposition, selbst ernannte Tugendwächter wie „LobbyControl“ und nicht zuletzt die Medien empören sich schon seit Monaten, dass Pofalla so einfach aus der Politik „in die Wirtschaft“ wechsle. Hier kaufe sich ein Konzern Insiderkontakte zur Regierung, lautet ein Standard-Vorwurf. Eine Drehung weiter auf der Verleumdungsspirale heißt es, Pofalla habe schon als Kanzleramtsminister seinem künftigen Arbeitgeber zu Vorteilen verholfen, lasse sich jetzt quasi für bisherige Handlangerdienste belohnen.
All die empörten Wächter über politische Moral vergessen freilich das Entscheidende: Der CDU-Politiker wechselt gar nicht die Seiten. Die Deutsche Bahn AG gehört zu 100 Prozent der Bundesrepublik Deutschland. So besehen wechselt Pofalla lediglich von einem staatlichen Arbeitgeber zum anderen: von der Bundesregierung in die Bahn-Gesellschaft des Bundes. Anders ausgedrückt: Als Regierungsmitglied war Pofalla „beim Staat“ und als Bahn-Manager bleibt er „beim Staat“. Die Vorstellung, Pofalla helfe mit seinen politischen Beziehungen künftig dem Staatsunternehmen Bahn, den Eigentümer Staat zu schädigen, ist so abstrus, dass man darüber schon wieder lachen kann.
Journalistische Seitenwechsel
Die mediale Empörung bei solchen Seitenwechseln ist stets groß. Das war beim Wechsel des früheren Staatsministers Eckart von Klaeden (CDU) zu Daimler-Benz nicht anders. Dabei schwingt meistens der latente Vorwurf mit, jeder Politiker, der sich „an die Wirtschaft verkauft“, habe schon vorher als Einflussagent seines künftigen Arbeitgebers gewirkt. Nicht auszuschließen, dass es so etwas schon gegeben hat. Aber die Regel ist das sicher nicht.
Apropos Seitenwechsel: Die journalistischen Kritiker solch schrecklicher Vorgänge übersehen oder verdrängen, dass der Wechsel zwischen Wirtschaft und Politik bei Journalisten gang und gäbe ist. Mit einem Unterschied: Da regt sich so gut wie niemand auf. Ein paar Beispiele gefällig:
Da ist Christiane Wirtz, die neue stellvertretende Regierungssprecherin. Sie war erst bei der „Süddeutschen Zeitung“, wurde 2003 Sprecherin der Justizministerin Brigitte Zypries (SPD). Von dort wechselte sie 2007 wieder zurück in den Journalismus, um vor kurzem auf dem SPD-Ticket ins Bundespresseamt einzuziehen. Oder nehmen wir Steffen Hebestreit. Der war Hauptstadtkorrespondent der „Frankfurter Rundschau“ und der DuMont-Gruppe. Inzwischen ist er stellvertretender Sprecher der SPD.
Besonders wechselfreudig sind offenbar BILD-Redakteure. Ex-BILD-Mann Rolf Kleine sprang im Bundestagswahlkampf als Nothelfer und Sprecher dem SPD-Kandidaten Peer Steinbrück bei. Jetzt schreibt er wieder für BILD, auch über die SPD. Ganz ähnlich ist es bei seinem Redaktionskollegen Hans-Jörg Vehlewald. Der wechselte im März 2012 von BILD als Kommunikationsberater zum SPD-Parteivorstand und im Juni 2013 wieder zurück in die Redaktion. Der Chef von Kleine und Vehlewald ist übrigens Bela Anda. Der ging 1998 von BILD zur Regierung Schröder und war bis 2005 Regierungssprecher. Seit 2012 ist er wieder bei BILD – nach einer siebenjährigen Karenzzeit in der Finanzbranche.
Würden an die Seiten wechselnden Journalisten so harte Maßstäbe angelegt wie an Politiker, müssten man jetzt beispielsweise dem neuen SPD-Sprecher Hebestreit unterstellen, er habe bei der „FR“ bewusst so geschrieben, dass dereinst ein SPD-Job für ihn abfalle. Auf solchen Unsinn kommen Journalisten bei Journalisten nicht – nur bei Politikern. Ob das für uns Journalisten spricht?
Bei älteren Beiträgen wie diesem wird die Kommentarfunktion automatisch geschlossen. Wir bedanken uns für Ihr Verständnis.