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Von Nationalitäten und Reisepässen - „Was bist du zum Teufel?“

Ein irischer Südafrikaner aus Österreich: Wie ich in Kapstadt einmal daran erinnert wurde, dass die Wahrheit über einen Menschen nicht im Reisepass steht

Autoreninfo

ist Violinist und für seine Einspielungen von Musik des 18. und 19. Jahrhunderts berühmt. Zuletzt erschienen sein Buch „ Toi, Toi, Toi - Pannen & Katastrophen in der Musik“ und die CD „The Romantic Violinist“.

Foto: Harald Hoffmann / Deutsche Grammophon

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Die Dame bei der Einreise am Flughafen Kapstadt schaute skeptisch. „Sie haben keinen südafrikanischen Pass?“ Ich verneinte. „Aber Sie sind in Südafrika geboren.“ Ich nickte, sie lächelte doch: „Welcome home, Sir.“ Du wunderbares Wort „Zuhause“! Die Frage von Nationalität und Zugehörigkeit stelle ich mir, seit ich weiß, dass meine jüdischen Urgroßeltern mütterlicherseits in Berlin lebten und sich als Deutsche fühlten.

Eigentlich müsste ich sagen, ich bin Südafrikaner. Ich könnte auch überzeugend argumentieren, ich bin Engländer, denn in England verbrachte ich Kindheit und Jugend. Englisch ist meine Muttersprache. Wie wäre es mit Österreicher, in Wien lebe ich seit Jahren. Oder Ire, meine Familie väterlicherseits stammte aus Irland. Ich habe einen irischen Reisepass.

Den Iren habe ich es zu verdanken, dass wir damals in England bleiben konnten. Als unsere Aufenthaltsgenehmigung auszulaufen drohte, hätte dies eine Rückkehr nach Südafrika bedeutet. Für meine Eltern aber war das Leben im Südafrika der siebziger Jahre mit der abscheulichen Rassentrennung unerträglich geworden. Mein Vater hatte das kritische Literaturmagazin Bolt gegründet und erregte die Aufmerksamkeit der Behörden, indem er die Gedichte eines Schwarzen, des damaligen Präsidenten von Senegal, ­Léopold Senghor, darin veröffentlichte.

Eines Sonntags läuteten zwei Telefontechniker. „Wir haben keine Probleme, und außerdem ist Sonntag“, sagte meine Mutter. Dennoch installierte der Monteur vor den Augen meiner Eltern im Telefonhörer eine Wanze. Von diesem Zeitpunkt an wurden alle Telefonate überwacht. Wenn meine Eltern das Haus verließen, wurden sie beschattet. Die Beamten der Sicherheitspolizei verheimlichten ihre Anwesenheit nicht, sondern winkten zynisch. Kuverts wurden aufgerissen, Briefe gelesen und wieder in die Umschläge gesteckt.

Wir alle wurden Iren


Mein Vater hatte zu dieser Zeit eine Reihe von schwarzen Freunden, aber unter der Apartheidsregierung war es fast unmöglich, Kontakt zu halten. Wenn Gäste zum Abendessen in die Wohnung kamen, mussten sie heimlich den Dienstbotenlift nehmen. Die Benutzung des „Weißenlifts“ und der Aufenthalt im Gebäude nach Einbruch der Dunkelheit waren ihnen verboten.

Wir flüchteten nach England, wo uns schnell das Geld ausging. Eines Tages erfuhr meine Mutter, dass man mit einem irischen Pass in England dauerhaft leben und arbeiten konnte. Sie wühlte sich durch das Taufregister im irischen Waterford, bis sie einen Taufschein meines Urgroßvaters ausfindig machte. Wir alle wurden Iren.

Wenn ich sehe, wie viel Blut vergossen wurde im Namen unzähliger Nationalitäten, bin ich froh, in so vielen Ländern friedlich aufgenommen worden zu sein. Die eigene Nationalität scheint mir keine Frage des Reisepasses zu sein, sondern dieses Gefühl, Anker schlagen zu dürfen. „Was bist du zum Teufel?“, fragte mich neulich jemand. Ich bin überzeugter Europäer. Fragen Sie mich bitte nur nicht nach meinem Pass ...

 

 

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