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AKW-Stiftung - Die Atomkonzerne haben recht

Politik und Öffentlichkeit heulen auf, weil die Betreiber der deutschen Kernkraftwerke die AKW in eine öffentlich-rechtliche Stiftung abschieben wollen. Dabei ist der Vorschlag durchaus vernünftig

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Andreas Theyssen ist einer der beiden Gründer der Website opinion-club.com, eines digitalen Debattierclubs, der auf Kommentare, Analysen und Glossen spezialisiert ist.

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Woran erkennt man, dass Energiekonzerne in Deutschland im Generalverschiss sind? Daran, dass sie machen können, was sie wollen – sie bekommen immer aufs Maul.

Anfang der Woche wurde publik, dass die drei Konzerne E.on, RWE und EnBW ihre Atomkraftwerke (AKW) einer öffentlich-rechtlichen Stiftung übertragen wollen. Diese soll die Meiler bis zum endgültigen Ausstieg aus der Kernkraft 2022 betreiben, für ihren Abriss und die Endlagerung verantwortlich sein. Im Gegenzug wollen die Konzerne rund 35 Milliarden Euro, die sie für den Abriss zurückstellen mussten, in die Stiftung einbringen und auf ihre Klagen gegen die Energiewende verzichten.

Der Staat als AKW-Betreiber?
 

Der Aufschrei war groß. Die Konzerne wollten nach altem Muster Gewinne privatisieren und Risiken vergesellschaften, so der Vorwurf. Die Politik wetterte fast unisono gegen den Vorstoß, die Umweltministerin erteilte ihm gleich eine Absage, obwohl für das Thema Energiewende der Wirtschaftsminister zuständig ist. Sigmar Gabriel aber schweigt bislang – und das ist auch gut so.

Der Vorstoß der Konzerne ist nämlich durchaus bedenkenswert. Nicht in seiner Gesamtheit, aber in entscheidenden Aspekten.

Natürlich ist es Quatsch, den Staat zum AKW-Betreiber machen zu wollen, wie die großen Drei es gerne hätten. Das können die Konzerne mit ihrem Knowhow zum einen viel besser. Zum anderen fordern doch vor allem Unternehmensvertreter gerne in Sonntagsreden, der Staat solle sich aus der Wirtschaft so weit wie möglich heraus halten. Da haben die Unternehmer völlig recht, und deshalb sollte auch im Fall der Atommeiler an diesem Prinzip festgehalten werden.

Höchst erwägenswert ist aber die Idee, eine öffentlich-rechtliche Stiftung zu gründen, die den Rückbau der AKW betreut und vor allem finanziert. Nüchtern denkende Politiker wie die frühere grüne NRW-Umweltministerin Bärbel Höhn sowie Hessens CDU-Ministerpräsident Volker Bouffier sind deshalb aus dem Entrüstungsmainstream ausgeschert und haben diesen Aspekt des Vorschlags begrüßt. „Ich mache mir Sorgen, dass früher oder später ein großer Energieversorger pleite geht“, sagte Höhn, „und dann auch die Rückstellungen nicht mehr für den Rückbau der Atomkraftwerke zur Verfügung stehen.“

Diese Sorge ist berechtigt. Denn die Energiekonzerne, die jahrzehntelang kräftig zur Kasse baten und damit in den Augen der Öffentlichkeit zu Staatsfeinden Nummer eins wurden, sind durch Angela Merkels Energiewende zur bedrohten Spezies geworden. Der Strom ihrer AKW-, Kohle- und Gaskraftwerke ist nicht mehr gefragt, mit Investitionen in regenerative Energien haben sie zu lange gezögert. Und das lässt sich inzwischen an ihren Bilanzen ablesen.

Bei E.on hat sich im vergangen Jahr der sogenannte nachhaltige Konzernüberschuss fast halbiert. Noch schlimmer sieht es bei RWE aus. Erstmals in seiner Geschichte musste das Unternehmen kürzlich für 2013 einen Verlust von 2,8 Milliarden Euro bekannt geben. Der Aktienkurs des Konzerns ist in den letzten fünf Jahren von 100 auf 26 Euro pro Aktie gefallen. Angesichts solcher Zahlen ist die Insolvenz eines Energiekonzerns also mehr als eine theoretische Option. Und die Rückstellungen für den AKW-Abriss drohen in diesem Fall verloren zu gehen. Einspringen müsste dann der Steuerzahler.

Für eine öffentlich-rechtliche Stiftung zur Abwicklung der Meiler
 

Es gibt aber noch weitere Gründe, den Energiekonzernen den AKW-Rückbau nicht ganz alleine zu überlassen. Jahrzehnte lang war es in Bundesrepublik wie DDR Staatsdoktrin, Atomstrom zu haben, ganz gleich, ob die Regierung schwarz-gelber oder rot-gelber oder sozialistischer Couleur war. Nun haben Politik und Gesellschaft es sich anders überlegt. Das ist auch gut so. Aber die Energiekonzerne mit den Folgen dieses Schwenks komplett alleine zu lassen, wäre zumindest unfair. Insofern ist es nur konsequent, wenn der Staat an einer öffentlich-rechtlichen Stiftung zur Abwicklung der Atommeiler beteiligt ist.

Und ein weiterer Grund macht es geradezu zwingend, dass der Staat beim großen Aufwischen der AKW-Epoche direkt involviert ist. Seit gut 50 Jahren eiert die Politik bei der Endlager-Frage herum, drückt sich vor einer Lösung. Atommüll wird derweil in Schuppen neben den AKW gelagert – eine sehr zweifelhafte Aktion. Wo der Strahlenschrott, zu dem noch das Material der abgerissenen AKW hinzu kommt, irgendwann einmal gelagert wird, ist völlig offen.

Die angeschlagenen Energiekonzerne mit diesem Kostenrisiko alleine zu lassen, ist unverantwortlich. Sie können bei ihren Rückstellungen nicht seriös kalkulieren, wie viel die Endlagerung einmal kosten wird – eben weil der Staat in diesem Punkt nicht seriös agiert. Außerdem: Liegt die Endlagerung in den Händen des Bundes, wächst zwangsläufig sein Interesse, bei der Endlager-Frage zu Potte zu kommen.

Es gibt also viele Gründe, den Vorstoß von E.on, RWE und EnBW ernst zu nehmen und jene Aspekte umzusetzen, die vernünftig sind. Und das bedeutet: Eine öffentlich-rechtliche Stiftung zur Abwicklung der Meiler wird gegründet, die Konzerne bringen ihre Rückstellungsmilliarden ein und verzichten gleichzeitig auf ihre Klagen gegen die Energiewende. Betreiben müssen sie allerdings die AKW selber, bis 2022 das letzte vom Netz geht. Denn das ist definitiv keine Staatsaufgabe.

 

 

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