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Screenshot Youtube, Coca Cola

Rote Weihnachten - Cola unser im Himmel

Coca Cola hat ein neues Selbstverständnis. Es reicht nicht mehr, das Leben sprichwörtlich zu versüßen. Der Konzern zeigt in einem Werbeclip, dass er gottgleich die Menschen lenken will

Autoreninfo

Vinzenz Greiner hat Slawistik und Politikwissenschaften in Passau und Bratislava studiert und danach bei Cicero volontiert. 2013 ist sein Buch „Politische Kultur: Tschechien und Slowakei im Vergleich“ im Münchener AVM-Verlag erschienen.

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Aus angesagten Bars, verrauchten Kaschemmen, ranzigen Clubs wie aus Millionen privater Kühlschränke und Speisekammern ist Coca Cola nicht wegzudenken. Mindestens ein Mal haben wohl die meisten mit dem schwarzen Gesöff einem Weizen eine andere Ethnie verpasst, sich vor einer Prüfung gepusht, über die Tanznacht gerettet oder auch einfach nur den Durst gelöscht. Und wenn’s nicht die kalte Coke war, dann eben Fanta, Powerade oder Sprite.

Irgendwie, irgendwo, irgendwann tangiert die CCC, die Coca Cola Company, mit größter anzunehmender Wahrscheinlichkeit eines der Milliarden Menschenleben – und wenn nicht geschmacklich, dann eben visuell oder auditiv in ihrer plakativen, displayten und ausgestrahlten Omnipräsenz.

Diese Allgegenwärtigkeit ist dem Unternehmen nun zu Kopfe gestiegen, wie ein Glas Coke einem Fünfjährigen. Offenbar begnügen sich die drei „C“ nicht mehr damit, Milliardenumsätze mit in Wasser gelöstem Zucker, respektive Süßstoff, zu machen: Es geht nicht mehr darum, das Leben der Menschen zu versüßen, sondern es zu lenken.

Coca Cola und die Truman Show


Ein entferntes Zischen durchdringt die Nacht. So laut, dass die Bewohner der verschneiten Stadt, die um diese Zeit noch auf den Beinen sind, ihre Gesichter – manches staunend, manches wohl wissend – gen Himmel wenden. Der ist jedoch mit Glas umspannt – fast ein Zitat der Truman Show. Denn die Stadt ist eine Miniaturwelt in einer Schneekugel, die neben anderen in einer Stube steht, in der sich der rotbäckige und -bekleidete Santa gerade eine Colaflasche geöffnet hat (bevor er seine schwere Winterkleidung in dem warm anmutenden Zimmer ablegt, trinkt er offensichtlich lieber ein kaltes Getränk).

Und nach einem Schluck kommt Santa auf einen Gedanken, greift zur Schneekugel, kippt sie und bringt damit die kleine Welt in Schräglage. Coca Cola-Laster rollen nun die schiefen Straßen entlang, ein Mädchen rutscht auf einer Parkbank an einen jungen Kerl heran, um kurz darauf leidenschaftlich mit ihm herumzuknutschen. Der Mitarbeiter eines Supermarktes fällt in einen Einkaufswagen, der schnurstracks nachhause zum gedeckten Tisch der Familie rollt (auf dem Tisch ist natürlich nichts umgefallen).

Santas gerötete Augen schauen konzentriert auf das Werk in der Glaskugel. Danach lehnt sich der Weihnachtsmann zufrieden zurück. Und als Abspann des Werbespots erscheint die Botschaft: „Hilf Santa: Mach anderen eine Freude“.

Warum sollte man überhaupt jemandem helfen, der offenbar mir nichts dir nichts das Leben der Menschen buchstäblich aus dem Gleichgewicht bringen kann? Er könnte die Freude, die ich soeben jemandem bereitet habe, ohnehin mit nur einem kleinen Schüttler zerstören.

Coca Cola transportiert in dem Werbespot eine Message: Unser Wohl liegt in der Hand eines Greises auf Koffein.

Wenn der Lust hat, bringt er zwei Menschen zusammen (#Parkbank) oder er beendet frühzeitig den Arbeitstag (#Supermarkt) oder er setzt eine LKW-Kolonne in Gang (#Logistik). Man arrangiert sich mit dem Schicksal der Entmündigung, das von der Willkür eines Mannes abhängt. Sonst richteten sich keine kleinen frohen und erwartungsvollen Menschenblicke gen Himmel. Der könnte jederzeit einstürzen.

Denn was, wenn Santa mal keine Cola mehr im Haus hat und Entzugserscheinungen bekommt, sich mal mit der schwarzen Zuckerlimo einen Jacky Cola mixt und dann die Schneekugel schüttelt? Oder wenn er wütend wird, wenn er sieht, dass die kleinen Menschen Pepsi trinken?

Wir sind einem unberechenbaren Typen mit Rauschebart und roter Mütze ausgeliefert, der obendrein schlecht sieht (#Brille). Eigentlich eine alte Idee in roter Jacke.

Cola ist Trittbrettfahrer des Christentums


Die Coca Cola Company fährt in der Weihnachtszeit nämlich mit auf dem Trittbrett des christlichen Glaubens. Er umfasst auch die Allmächtigkeit Gottes: Der Herr lenkt die Geschicke auf Erden. Das Pendant mit Sehschwäche und Winterkleidung die Geschicke in der Schneekugel.

Der christliche Glaube ist vor allem einer der Nächstenliebe. Und zumindest in deren Windschatten fährt Cola mit der Aufforderung, anderen eine Freude zu machen – um Santa zu helfen („Hilf Santa“).

Die Wohltat des Freudebereitens verliert in der Welt von Coca Cola so den Rückbezug auf den Menschen. Der wird zur Nebensache. Nicht Freude bereiten um der Freude willen – sondern für das Wesen außerhalb der eigenen Welt.

Das Eklige dabei ist nicht, dass diese Entität ein von einem amerikanischen Konzern geschaffenes Symbol zur Markenidentifikation ohne jeden metaphysischen Anspruch ist. Auch nicht, dass der bedingungslosen Nächstenliebe eine zynische Liebe der Bedingung, nämlich Santa zu helfen, entgegengestellt wird. Nein. Was die Süße von Cola in Bitterkeit verwandelt ist die Herabstufung des Menschen zum Spielzeug eines Großkonzerns.

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