- „Wir Theaterleute tragen Schwarz“
Claus Peymann, Intendant und künstlerischer Leiter des Berliner Ensembles erzählt warum er trägt, was er trägt
Dieser Artikel ist eine Kostprobe aus der Oktober-Ausgabe des Cicero. Wenn Sie keine Ausgabe des Magazins für politische Kultur mehr verpassen wollen, können Sie hier das Abonnement bestellen.
Ich habe es nicht schwer. Ich trage ja ohnehin nur Schwarz. Wahrscheinlich ist es so, dass dieses Schwarz, was viele Theaterleute tragen, nicht und keineswegs der Ausdruck einer depressiven oder resignativen oder gar trauernden Grundhaltung wäre, sondern der Ausdruck des Komplementärs. Das heißt, die Farben, die überlassen wir den Schauspielern. Die Farben, das ist die Bühne. Die Farben, das ist die Vorstellung, die Verrücktheit, das sind die Clowns in der Szene.
Und wir selber, wir Schwarzen, wir verschwinden. Die Schauspieler fragen bei der Premiere: „Und wann kommen die Schwarzen?“ Die Schwarzen, das ist dann der Kapellmeister, der Regisseur, das sind die vom Bühnenbild, das ist die Kostümbildnerin. Bei der Kostümbildnerin, da schleicht sich auch mal ein kurzer Rock ein, aber das ist auch schon das Äußerste, was wir wagen. Das Schwarz ist so schwarz wie der verdunkelte Zuschauerraum, in dem wir sitzen. Und wir schauen raus, in die leuchtende zweite Welt, in diese wunderbare Traumwelt des Theaters, da sind dann die wirklich schrillen und wahnsinnigen Farben, die kurzen Röcke, die geilen Schuhe, die heißen Dekolletés.
Es gibt auch Theater, die unten bunt sind und auf der Bühne schwarz. Ich habe es lieber umgekehrt. Also nicht die Papageien im Parkett, die eitlen, sich zur Schau stellenden Veranstalter. Ich glaube, so ist es richtig. Und das hat bei mir auch eine Entsprechung, wie ich lebe. In meinem Haus ist auch nichts. Kahle Wände, sodass Platz ist für Träume, für Fantasien, für Bühnenfiguren, für Konzepte, für Szenen. Manchmal bevölkert sich dann dieses leere Haus mit Bühnenfiguren, an denen ich gerade arbeite.
Wenn wir neue Leute engagieren, kommen die noch so ganz hoffnungsvoll bunt. Langsam werden die dann eingeschwärzt, langsam sind wir dann alle schwarz. Es ist aber nicht angeordnet, sondern eine Geisteshaltung. Schwarz lässt so viel zu. Wir haben die wunderschönsten Frauen im Haus, die haben schwarze Kleider, dass einem der Atem wegbleibt. Schwarz ist die schönste Farbe, weil sie so viel zulässt. Mir gefällt das schwarze Königreich am BE.
Meine komplette Kleidung kaufe ich bei Thomas I Punkt am Hamburger Gänsemarkt. Ein relativ kleiner Laden, da habe ich das gefunden, womit ich gut auskomme, interessanterweise ist das auch der Laden, wo Elfriede Jelinek oder Kirsten Dene gelegentlich einkaufen. Da kaufe ich schwarze Sakkos und schwarze Hosen. Dazu trage ich T-Shirts, eigentlich durchgehend, die sind meine zweite Haut. Ich bin ein absoluter Krawattengegner. Ich denke dann, ich werde erwürgt. Manchmal binde ich mir eine um, wenn ich denke, ich muss, doch die verschwindet dann spätestens beim ersten Toilettengang.
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