- Warum Paarbeziehungen unglücklich machen
Man muss nur den richtigen Partner, die richtige Partnerin finden, dann sind alle Bedürfnisse dauerhaft erfüllt. Falsch, sagt Christiane Rösinger. Paarbeziehungen bringen immer die schlechtesten Eigenschaften des Einzelnen hervor und produzieren unglückliche Menschen
Das Pärchen an sich ist eigentlich eine ganz niedrige Lebensform und steht in der Artentabelle nur knapp über dem Einzeller oder dem Pantoffeltierchen. Aber diese biologische Tatsache darf man in unserer Pärchen zentrierten Gesellschaft nicht laut aussprechen, denn sonst gilt man als verbittert und nicht liebesfähig. Dabei steht doch ohne Zweifel fest: Das Pärchentum bringt immer die schlechtesten Eigenschaften des Einzelnen hervor und produziert deshalb am laufenden Band unglückliche Paare, die wie geprügelte Hunde nebeneinander durchs Leben schleichen. Trauerumflorte Gestalten, die man nur in wenigen Augenblicken, wenn der Partner nicht da ist, kurz und heimlich aufatmen sieht. Menschen, die wie Steine nebeneinander sitzen, die in Pizzerien verzweifelt das Besteck streicheln, um sich nicht anschauen und miteinander sprechen zu müssen.
Als professionelle Paarkritikerin wird man natürlich oft angefeindet. Stellt man das Paar an sich in Frage, stürzen ganze Lebenslügen wie Kartenhäuser zusammen. Am Pärchenwesen, an der heiligen Ehe, daran hängen Lebensprojekte, Firmen, Bausparverträge, Doppelhaushälften Finanzierungsmodelle. Und natürlich die Kinder! Die Kinder, die Kinder, die Kinder, die Kinder, die Kinder!!
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Auf dem Arbeitsfeld Liebe gibt es zahlreiche Spezialisten, die mit der Arbeit an dem Mythos Liebe und Beziehung ihren Lebensunterhalt verdienen. Der größte Einfluss auf Partnerschaftsbilder geht heute nicht mehr von kirchlicher und staatlicher, sondern von psychologischer, therapeutischer und medialer Stelle aus.
Zur Liebe haben eben alle etwas zu sagen, da gibt es Experten aus allen Berufszweigen: Therapeuten, Biologen, Psychologen, Psychoanalytiker, Hirnforscher, Chemiker, Soziologen, Wissenschaftsjournalisten, Geistliche, Ratgeberautoren, Anthropologen, Chemiker, Liebesforscher, Sexualwissenschaftler, Feng-Shui-Berater, Flirt-Coaches, Single-Trainer, Tantra-Lehrer. Um in Zukunft den Lügen und Halbwahrheiten der Pärchenlobby etwas entgegensetzen zu können, ist es daher wichtig, sich der allgegenwärtigen Pärchenlüge bewusst zu werden.
Die Pärchenlüge umfasst eigentlich einen ganzen Lügenkomplex. Sie ist das Haus der Lüge, unter dessen Dach sich mehrere andere Lügen eingenistet haben: Fassen wir also an dieser Stelle einmal die größten Pärchenlügen zusammen.
Die zehn Pärchenlügen
1. Die Paarlüge:
Das Paar an sich ist die beste Lebensform, der Mensch kann sich nur als Teil eines Paares voll entfalten.
Die Realität:
Das Pärchentum ist eine sehr anfällige, unstabile, auf wackeligen Kompromissen beruhende Organisationsform, die in den meisten Fällen nur aufrecht erhalten werden kann, wenn einer der Partner seine Bedürfnisse unterdrückt und sich dem anderen unterordnet.
2. Die Partnerschaftslüge
Das Paar, wie es sein soll, bleibt ein Leben lang zusammen, ist sich gegenseitig Stütze und bester Freund/beste Freundin und genießt auch nach zwanzig Jahren Beziehung immer noch mehrmals wöchentlich leidenschaftlichen Sex miteinander.
Die Realität:
Dieses Ideal wird natürlich so gut wie nie erreicht, denn die Idee dauerhaft leidenschaftlicher Partnerliebe ist ja a priori ein unauflöslicher Gegensatz.
3. Die Kinderlüge
Auch wenn die Beziehung keinen Spaß mehr macht und mühsam ist – wegen der Kinder muss man zusammenbleiben. Sie bekommen sonst einen Schaden.
Die Realität:
Das Unglücksdreigestirn Vater – Mutter – Kind ist oft der Quell einer traurigen Kindheit. Viele Eltern verstehen sich nach der Trennung besser und begegnen einander mit größerem Respekt, das freut auch das Kind.
4. Die Neidlüge
Paarkritikerinnen und Singles sind ja nur neidisch, weil sie Pech gehabt haben, weil sie nicht fähig sind, eine Beziehung zu führen. In Wirklichkeit wünscht sich jeder Mensch nichts sehnlicher, als Teil eines Paares zu sein.
Die Realität:
Wie kann man oder frau neidisch auf eine unterentwickelte Lebensform sein, bei deren Anblick man nur immer wieder ein tief empfundenes „Aber so leben – Nein Danke!“ ausrufen will?
5. Die Naturlüge
Das Pärchentum – die Einehe – ist die natürliche Lebensform des Menschen. Das war schon immer so.
Die Realität:
Man weiß doch längst: Sexualität und Partnerschaft gehören nicht unauflöslich zusammen, sondern richten sich nach ökonomischen Notwendigkeiten. Die Idee der romantischen Liebe entstand erst im 18. Jahrhundert.
6. Die Tierlüge
Selbst Tiere leben als Paar zusammen und bleiben sich manchmal ein Leben lang treu!
Die Realität:
Während aber 90 Prozent aller Vogelarten monogam leben, ist die Einehe unter Säugetieren – zu denen bekanntlich auch der Mensch gehört – eher die Ausnahme. Lediglich 3 Prozent aller Säugetiere leben in einer festen Paarbeziehung. Und bei unseren engsten Verwandten, bei den wie wir zu den Primaten gehörenden Menschenaffen, leben fast alle Arten polygam.
7. Die Techniklüge
Durch Praktiken und Übungen kann jedes Paar zu einer erfüllten Sexualität kommen. Sex kann mit gutem Willen und Anstrengung unter der Aufsicht von Sexualwissenschaftlern, Psychotherapeuten und Esoterikern erarbeitet werden.
Die Realität:
Wenn das Begehren fehlt, hilft auch die beste Technik nix. In der Geschichte der Liebe wird von jeher die eheliche von der leidenschaftlichen Liebe getrennt. Auch die Einehe funktionierte nur mit angeschlossenem Konkubinat.
8. Die Erlösungslüge
Die gemeinste aller Pärchenlügen:
Man muss nur den richtigen Partner, die richtige Partnerin finden, dann sind alle Bedürfnisse ganz gleich, ob geistiger, emotionaler oder erotischer Natur dauerhaft erfüllt, dann macht alles Sinn. Endlich im Pärchenhimmel angekommen, kann eigentlich nichts mehr schief gehen im Leben.
Die Realität:
Dem Tod kann niemand entrinnen. Die Betriebsamkeit der Welt dient nur dazu, die Tatsache zu verschleiern, dass wir alleine geboren sind und alleine sterben müssen. Man kann sich in Liebesabenteuer oder Pseudofreundschaften flüchten, um der Einsamkeit abzuhelfen – es wird nicht gelingen.
9. Die Arbeitslüge
Liebe ist Arbeit. Nach der kurzen Zeit der Verliebtheit muss man sich die wahre Liebe erarbeiten.
Die Realität:
Ganze Berufszweige leben von der Arbeitslüge. Tatsache ist aber, wenn Liebe zur Arbeit wird, macht sie unglücklich.
10.Die Sexlüge
Liebe und Sexualität sind untrennbar miteinander verbunden. Wer den Anderen oder die Andere nicht begehrt, liebt ihn oder sie nicht wirklich.
Die Realität:
Sex wird, wie Liebe, oft überbewertet. Das Thema „Kein Sex“ ist so tabuisiert, dass kaum jemand offen über die tatsächliche Sexfrequenz spricht. Fest steht: Gerade in längeren Beziehungen spielt Sex so gut wie keine Rolle mehr.
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Ein interessanter Artikel. Zynisch natürlich. Meiner Meinung nach ist eine stabile Partnerschaft, dann gegeben, wenn beide Partner es schaffen sich auf das positive in der Partnerschaft zu fokussieren.Und Und zu sagen: ich bleibe trotz der vielen Schwierigkeiten und Herausforderungen denen wir begegnen.Und wir arbeiten dran: The grass is not Greener on the other side.its Greeer where you water it.