- Die Retterin der Oderwerft
Elke Ruchatz hat die letzte Binnenwerft in Eisenhüttenstadt an der Oder gerettet. Seitdem genießt sie in der Gemeinde ein hohes Ansehen. Jetzt nimmt sich die Unternehmerin die Fußballer des EFC Stahl vor
Ihre Augen funkeln hinter den Brillengläsern. „Kommen Sie mir nicht mit dem großen weißen Schiff, das ich mal bauen wollte“, sagt Elke Ruchatz. Sie wird darauf häufig angesprochen. „Ein Eisbrecher wäre mir viel lieber, seine Instandsetzung ist unser Brot- und Buttergeschäft.“ Dabei hat sie selbst einst von stolzen Fahrgastschiffen geträumt, die auf ihrer Neuen Oderwerft vom Stapel laufen. Ruchatz hat die Werft in Eisenhüttenstadt 1999 übernommen.
So ist das als Unternehmerin: Träume zerplatzen, aber es muss immer irgendwie weitergehen. „Was wirklich zählt, ist das Gewordene“, sagt Ruchatz nüchtern. Geworden ist einiges, seit sie die von Treuhandmanagern heruntergewirtschaftete Traditionswerft gekauft hat und wie ein Eisbrecher in eine Männerdomäne einbrach. Nicht aus einer Laune heraus, aber doch mit einem Schuss Sentimentalität. „Ich hänge an dieser Werft“, sagt die 59-Jährige. „Sie bestimmt seit über 25 Jahren mein Leben.“
Elke Ruchatz ist ein Solitär
Angefangen hat alles, als ihr Mann, von dem sie inzwischen geschieden ist, 1987 beim damals größten Stahlwerk der DDR einen neuen Arbeitsplatz fand. Die studierte Ingenieurökonomin aus Sachsen folgte ihm mit den beiden Kindern. Als Elke Ruchatz aus dem Fenster ihrer neuen Wohnung auf die Schiffe blickte, die gleich nebenan auf der Werft lagen, ging sie spontan rüber und fragte den Chef, ob er eine Stelle für sie hätte, und erhielt den Arbeitsplatz am Wasser. Heute ist Elke Ruchatz ein Solitär: die einzige Frau in Deutschland, die eine Werft führt, die ihr auch noch gehört. Die Werft selbst ist die letzte ihrer Art an der Oder.
„Zuerst wollte niemand glauben, dass es eine Chance gibt, die Werft wiederzubeleben – zumal mit mir, einer Frau“, erinnert sich Ruchatz an ihren Start als Werftchefin. Schon der Kampf mit argwöhnischen Bankern habe ihr damals alles abverlangt. Am Ende hat sie mit ihrer „schonungslosen Offenheit“ überzeugt. Auch über ihre Ängste spricht sie, die ihr damals wochenlang den Schlaf raubten. „Einen Kredit zu bekommen, ist die eine Seite, ihn zurückzuzahlen, eine ganz andere. Und ich hatte plötzlich Schulden bis unters Dach.“
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Mit zwölf statt 500 Mitarbeitern startete sie das Unternehmen Neue Oderwerft. Zunächst sah es danach aus, dass sie gleich wieder scheitern würde. „Zwei Jahre haben wir kaum Aufträge hereinbekommen“, sagt sie, „das Mehrzweckschiff hat uns dann gerettet.“ Kein weißer Dampfer, aber ein kapitales Schiff, 32 Meter lang und sieben Meter breit, das zugleich als Autofähre, Bagger- und Notfallschiff einsetzbar ist. Es hatte ein Auftragsvolumen von zweieinhalb Millionen Euro. „Da hat es bei uns gerappelt“, sagt sie. „Seitdem sind wir nie mehr lange ohne Arbeit auf der Werft gewesen.“
Doch Schiffbau bleibt ein unsicheres Geschäft. In ihren besten Jahren hat Elke Ruchatz mehr als 40 Mitarbeiter beschäftigt und über fünf Millionen Euro im Jahr umgesetzt. Jetzt bauen gerade noch halb so viele Menschen an den Schiffen. Und auch die müssen derzeit kurzarbeiten. „Bei den staatlichen Wasser- und Schifffahrtsämtern ist das Geld knapp“, sagt die Werftchefin. Sie sind die Hauptauftraggeber für den Bau von antriebslosen Arbeitsschiffen oder die Instandhaltung von Eisbrechern.
Bisweilen fühlt sich Elke Ruchatz abgehängt – weit im Osten an der Oder, wo der Bund kaum noch Geld für den Ausbau der Schifffahrtsstraßen und die Modernisierung von Schleusen ausgibt. Aufgeben kommt für sie aber nicht infrage. „Dann bauen wir eben noch mehr Flöße für die Rheinschifffahrt“, sagt sie trotzig. Wieder funkelt es hinter den Brillengläsern.
Vielfach ausgezeichnet
Elke Ruchatz schreckt so leicht nichts mehr. An harte Zeiten für die Werft hat sie sich gewöhnt, an Erfolgserlebnisse sowieso. Nächstes Jahr wird sie mit ihrer Belegschaft, zu der jetzt auch ihre beiden Kinder zählen, das 15-jährige Jubiläum der Neuen Oderwerft feiern. „Und es wird nicht unser letztes schönes Betriebsfest sein.“
Die Frau mit dem Bubikopf ist voller Zuversicht. Erst vor wenigen Monaten erhielt sie in Berlin von Arbeitsministerin Ursula von der Leyen das Bundesverdienstkreuz. Und in Eisenhüttenstadt hat die Bürgermeisterin Ruchatz zur Botschafterin des „Regionalen Wachstumskerns“ an der Oder gemacht. Selbst die Fußballer der Stadt schwören bei ihrem Neuanfang auf sie. Sie ist jetzt Präsidentin des EFC Stahl, der in der vergangenen Saison in die Landesliga abgestiegen ist – mit darniederliegenden Männerdomänen kennt sie sich ja aus.
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