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EZB-Niedrigzinspolitik - Sparer, hängt nicht an Euerm Geld!

Alle sorgen sich um die Guthaben der deutschen Sparer. Aber es gibt kein Grundrecht auf hohe Renditen

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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In Deutschland geht die Sorge um die Sparer um. „Mittel- bis längerfristig nehmen die Risiken der Niedrigzinspolitik weiter zu“, sagt Michael Kemmer, Hauptgeschäftsführer des Bankenverbands. Sparkassenpräsident Georg Fahrenschon, der es gerne drastisch mag, warnt davor, die Niedrigzinsen führten „zu dauerhaften Verlusten der Sparer, die quasi einer Enteignung gleichkommen, weil sie bei ihren Anlagen negative Realzinsen hinnehmen müssen.“ Und Handelsblatt-Herausgeber Gabor Steingart sagte kürzlich in einem Vortrag: „Die niedrigen Zinsen sind ein Paradies für Schuldner, aber die Hölle für jeden Sparer, denn seine Vermögenswerte werden aufgefressen.“

Schuld daran sei die Europäische Zentralbank (EZB) mit ihren niedrigen Zinsen, die noch unterhalb der Inflation liegen. Der Preisanstieg für Verbraucher betrug im Oktober 1,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahresmonat. Die Zeit hat ausgerechnet, dass diejenigen, die ihr Geld auf dem Sparbuch parken, einen Kaufkraftverlust von durchschnittlich 0,85 Prozent erleiden, was bei einem Guthaben von 30.000 Euro zu einem Minus von 255 Euro führt.

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Nun gehöre ich nicht zu denjenigen, die 30.000 Euro auf dem Sparbuch haben, sondern lebe eher im von Steingart beschworenen „Paradies“. Aber ganz unabhängig davon kann ich der Logik der drei Herren nicht folgen.

Was wäre denn passiert, wenn die EZB Anfang November ihre Zinsen nicht auf 0,25 Prozent gesenkt, sondern um 2 Prozentpunkte auf 2,5 Prozent erhöht hätte? Wahrscheinlich würde das ohnehin kümmerliche Wachstum in sich zusammenbrechen, die Arbeitslosigkeit stiege an, die neuen Arbeitslosen müssten an ihre Ersparnisse heran, um ihren Lebensunterhalt weiter finanzieren zu können. Wäre das nicht eher eine Enteignung?

Zinssenkung ist das Gegenteil einer Enteignung


Die Kritiker der Niedrigzinspolitik haben ein kleines, aber nicht unwichtiges Detail übersehen. Bevor Zinsen verteilt werden können, müssen sie erwirtschaftet werden. Bei niedrigem Wachstum gibt es nur niedrige Zinsen. Genau deswegen senkt die EZB ihren Leitzins doch, um das Wachstum anzuregen, wie es übrigens auch die anderen Notenbanken in den USA, Großbritannien und Japan machen. So gesehen ist die Zinssenkung eher das Gegenteil einer Enteignung, denn sobald die Wirtschaft wieder anspringt, werden auch die deutschen Sparer von steigenden Zinsen profitieren.

Von einer Enteignung kann aber ohnehin nicht die Rede sein, weil es Alternativen zum Sparbuch gibt. Die Aktienbörsen boomen. Wer Anfang des Jahres 1000 Euro in den Dax investiert hat, ist heute um 180 Euro reicher. Selbst wem es an der Börse zu riskant ist, erzielt mit Bundesanleihen mit einer Laufzeit von zehn Jahren zurzeit eine Rendite von 1,77 Prozent. Um das Tatbestandsmerkmal der Enteignung zu verwirklichen, fehlt da noch ein halber Prozentpunkt.

Daher möchte ich stellvertretend für alle Kritiker der Niedrigzinspolitik, Gabor Steingart, dem Meister der schiefen Metapher, einen weiteren Satz aus seiner Rede entgegenhalten: „Weinerlichkeit ist ein für Journalisten unzulässiger Aggregatzustand.“ Abgesehen davon, dass Weinerlichkeit kein Aggregatzustand ist, gilt das für Sparer natürlich auch.

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