- Keine Kollektivierung im Internet!
Der Streit ums Urheberrecht geht weiter: Mit einer neuen Initiative will die Bundesregierung das Geistige Eigentum stärken. Dazu eröffnet Kulturstaatssekretär Bernd Neumann heute den Gesprächs- und Arbeitskreis Geistiges Eigentum e.V. (engage!). Ein weiterer Unterstützer ist CDU-Fraktionsvize Günter Krings. In einem Gastbeitrag erläutert er sein Engagement
Ich bin der Überzeugung, dass das Geistige Eigentum gerade in der modernen Informationsgesellschaft wichtiger denn je ist. Die Ziele des Vereins „engage!“ und die Etablierung eines Diskussionsforums für das Geistige Eigentum halte ich daher für richtig und wichtig.
Das Internet schafft neue Nutzungsmöglichkeiten und Vertriebswege und verändert sowohl die Wirtschaft als auch unsere Gesellschaft tiefgreifend. Gerade das Geistige Eigentum ist heute aufgrund neuer technischer Möglichkeiten viel verletzlicher, weil es in digitaler Form ohne Qualitätsverlust und ohne große Investitionen beliebig oft vervielfältigt und transferiert werden kann werden. Aber auch physisches Eigentum kann auf einem virtuellen Marktplatz ganz anders gehandelt werden.
Unternehmen wie Google mit seinem „co:llaboratory workshop“, die Piratenpartei, wesentliche Stimmen bei den Grünen oder auch der Verein „Digitale Gesellschaft“ behaupten, im Internet sei die Idee des Geistigen Eigentums überholt. Weil Ideen und Inhalte leicht zu vervielfältigen seien, müssten sie als öffentliche Güter der Allgemeinheit zur Verfügung stehen. Ausschließlichkeitsrechte bzw. „geistige Monopolrechte“ seien in der digitalen Gesellschaft nicht praktikabel und daher nicht mehr zu begründen.
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Die zentrale Frage all dieser Diskussionen ist: Gelten in der digitalen Gesellschaft andere Prinzipien und Werte als in der realen Gesellschaft des analogen Zeitalters? Hat das Konzept des Geistigen Eigentums seine Bedeutung als Ordnungsidee verloren?
Geistiges Eigentum als Ausdruck von Ordnungspolitik
Eigentums- bzw. Ausschließlichkeitsrechte dienen grundsätzlich der Zuordnung von Verfügungsrechten über Sachen oder auch Rechtspositionen. Nach der volkswirtschaftlichen Theorie der Verfügungsrechte wird durch diese Zuordnung gewährleistet, dass knappe Ressourcen effizient genutzt werden können. Geistiges Eigentum ist zwar keine knappe Ressource im herkömmlichen, materiellen Sinne, aber auch eine Marke muss erst aufgebaut werden, für eine patentrechtliche Erfindung muss geforscht werden und auch ein Musikstück oder ein Film muss konzeptioniert, erstellt und anschließend vermarktet werden. Erst die Gewährleistung von Ausschließlichkeitsrechten macht die Bewirtschaftung von Rechtspositionen wirtschaftlich interessant. Von den Investitionen des Eigentümers können beim Geistigen Eigentum letztendlich aber alle profitieren.
Geistiges Eigentum ermöglicht die Monetarisierung und Handelbarkeit geistiger Leistungen. Nur so kann die Nachfrage und damit der ökonomische Wert kreativen Schaffens abgebildet werden. Zudem wird so eine Kalkulation möglich, die langfristige Investitionen und eine professionelle Arbeitsteilung zulässt. Dies ist die Grundlage unserer ausdifferenzierten Volkswirtschaft im Allgemeinen und unserer äußerst innovativen Kultur- und Kreativwirtschaft im Besonderen. Wer also das Konzept des Geistigen Eigentums ablehnt, negiert gleichzeitig die wirtschaftliche Grundlage des geistigen Schaffens in Deutschland.
Seite 2: Warum einige Internetaktivisten Sozialromantiker sind
Dies gilt auch – oder sogar ganz besonders – für das geistige Eigentum im Internet. Erfinder, Programmierer, Wissenschaftler und auch Künstler können ihre Ergebnisse inzwischen einem breiteren Publikum zugänglich machen und sie daran teilhaben lassen. Aufwand und Kosten, um diese Ergebnisse zu erzielen, bleiben jedoch trotz neuer technischer Rahmenbedingungen für das kreative Schaffen weitgehend gleich. Es ist der Zugang zu den Inhalten, der durch das Internet erleichtert wird, nicht die geistige Leistung. Es ist geradezu absurd anzunehmen, eine Leistung sei weniger wert, nur weil sie einfacher abzurufen und zu vervielfältigen ist.
Daher ist auch in der digitalen Gesellschaft das Konzept des Geistigen Eigentums nicht überholt und es gelten die Rechts- und Ordnungsmaßstäbe der realen Welt weiter. Ein Teil der „Internet Community“ träumt sozialromantisch davon, im Internet die Inhalte zu kollektivieren. Warum aber dann nur im Internet? So wie das Eigentum an Immobilien und beweglichen Sachen ein Fundament unserer Rechts- und Wirtschaftsordnung bleibt, so muss auch das Geistige Eigentum innerhalb und außerhalb des Internets gewahrt bleiben.
Aufklärung und Bewusstseinsstärkung
Allerdings: Anders als im realen Leben können unsere bewährten Grundsätze aufgrund der Anonymität des Internets immer schwerer durchgesetzt werden. Und dies ist nicht nur in eigentumsrechtlicher Hinsicht ein Problem. Das Geistige Eigentum ist lediglich die vermögensrechtliche Seite des Urheberrechts. Zusammen mit dem Urheberpersönlichkeitsrecht ist das deutsche Urheberrecht, anders als das angelsächsische Copyright, als Immaterialgüterrecht ausgestaltet. Das kontinentaleuropäische Recht stellt damit den Urheber als Werkschaffenden in den Mittelpunkt und schützt sowohl dessen Persönlichkeit als auch dessen wirtschaftliches Auskommen. Auch im Interesse dieses Persönlichkeitsrechtes sind die Regeln des Urheberrechts tatsächlich durchzusetzen.
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In unserer Marktwirtschaft sind die Verwertungsrechte deutlich in den Vordergrund gerückt. Dies hat aber auch dazu geführt, dass Kreative finanziell so unabhängig wie nie zuvor in der Geschichte des kreativen Schaffens sind. Das Urheberrecht und das geistige Eigentum ermöglichen es Journalisten, Künstlern, Musikern oder Schriftstellern frei zu berichten, neue Wege zu gehen und sich auf ihre Kunst zu konzentrieren. Das Urheberrecht und die damit verbundenen Verwertungsrechte ermöglichen verschiedenste Formen des kreativen Schaffens – vom Hobbykünstler über den Teilzeit-Kreativen bis hin zum Profi. Wir würden den kulturhistorischen Rückwärtsgang einlegen, wenn den Kreativen diese Freiheiten und diese Unabhängigkeit in der digitalen Gesellschaft wieder genommen würden. Dies würde die kulturelle Vielfalt in unserer Gesellschaft reduzieren.
Um über die Folgen der Missachtung des Geistigen Eigentums aufzuklären und das Bewusstsein für die geistige Leistung und die hohe Professionalität und Qualität des Angebots auf dem realen wie auf dem virtuellen Markt zu stärken, müssen Politik, Verwerter und Urheber zusammenarbeiten. Der Verein enGAGE! will dafür eine Plattform bieten. Wichtige Mitstreiter sind dabei Bernd Neumann, Beauftragter der Bundesregierung für Kultur und Medien, sowie die Kölner Forschungsstelle für Medienrecht an der Fachhochschule Köln. Ich hoffe, dass sich viele dieser Initiative und dem Dialog für das Geistige Eigentum anschließen.
Fotos: picture alliance/privat
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