- Des Volkes General
Der Chef des ägyptischen Militärs, Abdel Fattah al Sisi, verkündete die Absetzung von Präsident Mursi. Er gibt sich moderat, im Umgang mit seinen politischen Gegnern agiert er wie sein Vorgänger
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Seine Stimme klingt weich und warm. Wie ein Vater spricht er, ein Vater, der seine Kinder liebt, aber auch streng mit ihnen sein kann. Seit vielen Jahren ist in Ägypten die Rede davon, dass nur ein neuer starker Mann die Probleme des Landes in den Griff bekommen kann. Abdel Fattah al Sisi, Ägyptens Armeechef und Verteidigungsminister, scheint der Mann zu sein, der diese Rolle übernehmen könnte. Er ist resolut und zugleich volksnah, berühmt für seine bewegenden Reden.
„Ich musste eingreifen“
Seinen wohl eindrücklichsten Auftritt hatte al Sisi Ende Juni. Für den 30. Juni waren Massenproteste gegen den damaligen Präsidenten Mohammed Mursi geplant. Klar war, es würden Millionen Menschen auf die Straße gehen. Klar war auch, dass Mursi nicht nachgeben würde. Die Angst vor einem Bürgerkrieg wuchs. Das war al Sisis Stunde.
„Die Armee sollte sich aus den Alltagsgeschäften der Politik raushalten", sagte er und warnte gleichzeitig: „Ich glaube nach wie vor an dieses Prinzip, doch habe ich zugleich eine Verantwortung. Ich werde es nicht dulden, dass Ägypten in einem dunklen Tunnel verschwindet. Krieg zwischen seinen Bürgern darf es nicht geben." Seine Augen glänzten, er war gerührt. Mit der Sorge um den Frieden im Land begründete al Sisi dann auch, weshalb er vier Tage nach den ersten großen Demonstrationen Mursi absetzte: „Ich musste eingreifen, die Gefahr eines Bürgerkriegs war zu groß."
Al Sisi sieht sich als Wächter über Ägyptens Sicherheit
Wenn man al Sisi fragt, ob es ihm nicht vielleicht doch um das Präsidentenamt geht, reagiert er gereizt. „Sie können sich wohl nicht vorstellen, dass jemand nicht nach Macht strebt, was?", blafft er. Als Mursi zum Präsidenten gewählt wurde und er al Sisi kurz darauf zu seinem Verteidigungsminister machte, da habe die Armee hinter ihm gestanden: „Wir waren sehr am Erfolg des Präsidenten interessiert. Überhaupt, wenn wir nicht gewollt hätten, dass er regiert, dann hätten wir ja auch etwas an den Wahlen drehen können. Das haben die Regierungen vor uns ja auch getan", sagt der General.
Er sei der treue Wächter über Ägyptens Sicherheit und werde dafür sorgen, dass der Neuanfang gelingt. Das versicherte al Sisi dann auch, als er am 3. Juli vor die Kameras trat und die Absetzung Mursis bekannt gab.
Allerdings ist es eine Sache, was al Sisi sagt, und eine andere, was getan wird. Bereits Stunden nach Mursis Absetzung wurde Kairo mit riesigen Porträts des Generals geschmückt. „Er ist wie Gamal Abdel Nasser, ein starker Mann, einer, der Ägypten wieder zu Ansehen verhelfen wird", sagt ein junger Mann und salutiert vor dem Konterfei des Armeechefs. Er wünscht sich, wie so viele andere auch, dass al Sisi sich zum Präsidenten wählen lässt: „Wenn er nicht von sich aus antritt, dann werden wir ihn mit großen Demonstrationen oder einer Unterschriftenaktion dazu bringen, unser Kandidat zu werden!", erklärt der junge Mann.
Tatsächlich spielt al Sisi mit dem Populismus. So rief er zu Massenprotesten gegen die Muslimbruderschaft auf. Millionenfach sollten die Menschen auf die Straßen strömen und der Armee den Rücken stärken im Kampf gegen Gewalt und Terrorismus. Seit dieser Machtdemonstration – die Größe der Proteste war überwältigend – gilt es noch mehr als ausgemachte Sache, dass al Sisi bereitsteht.
Al Sisi gehört zu einer neuen Generation von Generälen
Was aber ist von ihm zu erwarten? Zunächst ist der 1954 in Kairo Geborene Teil des Systems Armee. Das ägyptische Militär ist ein Staat im Staate, die Generäle betreiben ein riesiges Wirtschaftsimperium und spielen auch in der Verwaltung des Landes eine entscheidende Rolle.
Al Sisi gehört zu einer neuen Generation von Generälen: Er hat im Gegensatz zu seinen Vorgängern keine Kriegserfahrung, dafür aber im Ausland studiert. Am United States Army War College in Carlisle, Pennsylvania schrieb er 2006 ein Thesenpapier zum Thema „Demokratie in der arabischen Welt". Er kritisierte darin die Diktatoren in der Region und ihren Hang, Wahlen zu fälschen. Gleichzeitig gilt er als praktizierender, gläubiger Moslem. Wäre al Sisi also womöglich ein Militärherrscher neuen Typs, religiös, zugleich demokratisch und den Menschenrechten verpflichtet? Zweifel sind erlaubt.
General al Sisi verteidigte die umstrittenen Jungfrauentests
International bekannt wurde er im Frühjahr 2011. Demonstrantinnen hatten berichtet, sie seien in Militärgewahrsam dem erniedrigenden Jungfräulichkeitstest unterzogen worden. Die Armee schwieg. Allein al Sisi wandte sich an die Presse und verteidigte die Praxis. Erst auf internationalen Druck ließ er kurz darauf die Tests verbieten. Ganz offensichtlich ging es ihm vor allem darum, den Ruf der Armee wiederherzustellen.
Am Umgang mit dem politischen Gegner hat sich indes nichts geändert: So wurden Mursi und viele Muslimbrüder direkt nach al Sisis Putsch verhaftet, Fernsehsender wurden geschlossen, und wo immer sich Mursi-Anhänger zu Demonstrationen versammelten, gab es Tote und Verletzte. Statt die Lage zu beruhigen, setzt al Sisi auf Konfrontation. Er drohte mehrfach, die Proteste gewaltsam aufzulösen. Agiert jemand so, der es ernst meint mit Demokratie und Menschenrechten?
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