- Rolf im Glück – Bauer müsste man jetzt sein
Der Euro scheint fürs Erste gesichert, aber das hat man schon öfter gehört. Sechs Experten erklären, was beim Verlust der Gemeinschaftswährung wirklich passierte. Antwort 6: Rolf Henke
Um zu erklären, warum ich Bauer geworden bin, erzähle ich am liebsten das Märchen von „Hans im Glück“. Hans hat für jahrelange, harte Arbeit zur Entlohnung einen großen Goldklumpen bekommen und begibt sich damit nach Hause zu seiner Mutter. Auf dem Weg dahin tauscht er den Goldklumpen zunächst gegen ein Pferd, das Pferd gegen eine Kuh, die Kuh gegen eine Gans und die Gans gegen einen Mühlstein ein, der ihm am Ende in einen Brunnen fällt. Das führt bei ihm aber nicht etwa zu riesiger Enttäuschung, sondern zu einem Glücksgefühl aufgrund der neu gewonnenen Freiheit.
So ähnlich geht es mir mit dem Gut Temmen, das ich 1997 von der Treuhand gekauft habe. Ich könnte sicherlich mehr Geld mit anderen Dingen verdienen, aber die Befriedigung und das Glück, das ich aus dem Leben als Landwirt hier ziehe, finde ich nirgendwo anders.
Mit der Eurokrise kann ich im Grunde auch deswegen gar nicht so viel anfangen, weil es mich überhaupt nicht interessiert, wer da gerade wen über den Tisch zieht. Als jemand, der in den sechziger Jahren sozialisiert wurde, kann ich bis heute nicht umhin, in Zeiten wie diesen die Systemfrage zu stellen. Ich empfehle zurzeit jedem, das kleine Bändchen „Marx für Eilige“ von Robert Misik zu lesen. Es ist immer wieder sehr erhellend, sich mit den verblüffend aktuellen Marx’schen Ideen auseinanderzusetzen.
Als Unternehmer habe ich mich immer nur dort engagiert, wo ich nach meinem Dafürhalten mit meiner Tätigkeit einen positiven gesellschaftlichen Beitrag leisten konnte. Geld war nie der Antrieb für mich. Mit dem Einstieg ins Druckereigeschäft wollte ich die Meinungsfreiheit fördern und helfen, politische Haltungen zu verbreiten, die andernorts nicht gedruckt wurden.
Mir geht es darum, Werte zu schaffen, die Bestand haben. Was ich nicht will, ist andere hinters Licht führen, sie abhängig machen, ihnen Dinge verkaufen, die sie nicht brauchen, wölfisch nach dem maximalen Profit gieren und immer und überall Rabatte erzielen, Prozente bekommen und Provisionen kassieren.
Landwirtschaft ist für mich die Urform der Tätigkeit des Menschen, und ich merke, wie mich das auch geistig anregt. Als ich das erste Mal hierher kam, gab es Pläne, einen Golf- oder einen Poloplatz hier anzulegen. Landwirtschaft zu betreiben, schien unter herkömmlichen ökonomischen Gesichtspunkten sinnlos. Heute arbeiten hier zwölf verschiedene Betriebe auf insgesamt fünf Gütern. Mit 27 000 Hektar ist das die größte zusammenhängende Fläche Europas, auf der ausschließlich ökologische Landwirtschaft betrieben wird. Das funktioniert nur, weil wir anständig miteinander umgehen und Einigkeit darüber besteht, dass diese Fläche ein naturbelassener Ort bleiben soll.
Um den Kauf dieser Flächen zu finanzieren, haben wir zusammen mit der GLS-Bank einen Fonds aufgelegt, in den Anleger investieren, die mit einer Rendite von 3 Prozent zufrieden sind und etwas Gutes unterstützen wollen. Das ist für mich sinnvolles Unternehmertum.
Es ist nicht so, dass ich nicht auch mal Angst hatte, mein Geld hier zu verlieren. Aber mittlerweile denke ich, dass der Kauf dieses Gutes die beste Entscheidung überhaupt war. Die meisten Leute versuchen in ihrem Leben möglichst viel Geld zu verdienen, um sich irgendwann später schöne Dinge leisten zu können. Ich habe hier eine Abkürzung gefunden zu den schönen Dingen.
Es gibt hier alles, was ich brauche, und ich kann den Wert meiner Arbeit real spüren, wenn ich abends einen Apfel pflücke, nachdem ich vorher ein Stück von der eigenen Wurst gegessen habe, und im Sonnenuntergang meine Kühe beobachte.
Rolf Henke gehört das Gut Temmen in Brandenburg und eine Druckerei in Berlin. Sein Fleisch gibt es u. a. in dem Berliner Restaurant „Grill Royal“
Dirk Müller │Stefan Bratzel │Falko Fecht │Max Otte │ Dirk Meyer │ Rolf Henke
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