- Die deutschen Banken brauchen den Euro nicht
Der Euro scheint fürs Erste gesichert, aber das hat man schon öfter gehört. Sechs Experten erklären, was beim Verlust der Gemeinschaftswährung wirklich passierte. Antwort 4: Max Otte
Falls der Euro zusammenbräche, würde eine Kapitalflucht nach Deutschland einsetzen. In den Südländern, aber vielleicht auch in Deutschland wären Kapitalverkehrskontrollen erforderlich. Deutschland hätte einen massiven Aufwertungsschock zu verkraften, der zunächst zu fallenden Exporten und höherer Arbeitslosigkeit führte.
Viele deutsche Banken, Kreditversicherer und Versicherungen müssten Teile ihrer Kredit- und Anleihenportfolios abschreiben oder wertberichtigen. Dies wäre schmerzhaft, aber wahrscheinlich verkraftbar, da die deutsche Wirtschaft global exportiert, und Staatsanleihen der Südländer aufgrund der Interventionspolitik der EZB zunehmend von den Banken dieser Länder gehalten werden. Die Desintegration des europäischen Finanzmarkts findet auf diese Weise bereits seit einiger Zeit im Verborgenen statt.
Das deutsche Bankensystem könnte mit seinem Drei-Säulen-Modell unter Umständen gestärkt aus einer solchen Entwicklung hervorgehen. Gegebenenfalls müssten gewisse Banken, die diesen Schock aufgrund eines schwachen Geschäftsmodells oder geringer Eigenkapitalbasis nicht verkraften, reorganisiert oder fusioniert werden. Man denkt automatisch an die Commerzbank.
Die Deutsche Bank wäre für solche Turbulenzen wahrscheinlich gut positioniert. Es ist nicht ausgeschlossen, dass sie als weltgrößter Devisenhändler von einem Auseinanderbrechen des Euro sogar profitieren würde.
Volks- und Raiffeisenbanken sowie Sparkassen betreiben noch überwiegend ein regionales Geschäft. Die Kundenguthaben und die Kredite würden auf D‑Mark umgestellt. Für gewisse Auslandskredite müssten Abschreibungen hingenommen werden, aber insgesamt würde ein Auseinanderbrechen des Euro die Position der Volks- und Raiffeisenbanken und Sparkassen stärken. Im neuen Umfeld würde regionale Kreditvergabe wieder wichtiger, und die Dominanz der großen internationalen Kapitalmarktakteure wäre nicht mehr so stark.
Die Kundenersparnisse wären wieder auf D‑Mark umgestellt worden, die Geldwertstabilität wieder Aufgabe der Bundesbank. Langfristig wären also Kundenersparnisse sicherer als im Euro. Allerdings ist der realwirtschaftliche Schock durch das Auseinanderbrechen des Euro nicht zu unterschätzen. Gegebenenfalls müssten die Bundesbank und der Staat etliche Banken auffangen. Das würde die Steuerlast für Bürgerinnen und Bürger erhöhen.
Max Otte ist neben seiner Tätigkeit als Wirtschaftsprofessor in Graz auch Autor zahlreicher Bücher und Fondsmanager
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