- Der politische Falschspieler der CSU
Der bayerische Ministerpräsident Horst Seehofer stänkert gerne gegen die schwarz-gelbe Bundesregierung in Berlin und kokettiert regelmäßig mit einem Koalitionsbruch. Dahinter könnte mehr stecken als ein unberechenbarer Populist. Folgt der CSU-Politiker wohlmöglich einem geheimen Plan?
Über den bayerischen Ministerpräsidenten Horst Seehofer war in der vergangenen Woche in Berlin wieder einmal wenig Schmeichelhaftes zu hören. Einen „politischen Falschspieler“ nennen sie den CSU-Vorsitzenden in der Hauptstadt oder einen „Quartalsirren“. Aus dem fernen München hatte Seehofer erneut unverhohlen mit einem Bruch der schwarz-gelben Koalition gedroht. Neue Zusagen Deutschlands in der Euro-Krise könnte er „auch ganz persönlich nicht mittragen“, hatte dieser in einem Interview mit dem Magazin Stern erklärt und vielsagend hinzugefügt: „die Koalition hat ohne die Stimmen der CSU keine Mehrheit“.
Natürlich verwies Horst Seehofer anschließend darauf, er habe das Wort „Koalitionsbruch“ nicht in den Mund genommen. Doch das gehört zum Spiel, das der CSU-Politiker schon seit vielen Jahren mit Freund und Feind in der Politik spielt. Erst provoziert er mit wohlkalkulierten Worten. Anschließend freut er sich diebisch über die öffentliche Aufregung und die großen Schlagzeilen. Am Ende beteuert er mit Unschuldsmiene, er sei missverstanden, fehlinterpretiert worden.
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So war es zum Beispiel im Oktober 2011, als Seehofer demonstrativ ein Treffen mit Kanzlerin Merkel platzen ließ, nachdem sich Finanzminister Schäuble (CDU) und Wirtschaftsminister Rösler (FDP) über seinen Kopf hinweg auf ein Steuersenkungskonzept verständigt hatten. So oder so ähnlich agierte Seehofer in den letzten Monaten auch in Sachen Solarförderung oder Gesundheitsreform, Verkehrspolitik oder Betreuungsgeld, Haushaltspolitik oder Fiskalpakt. Mal kündigt er einen Alleingang Bayerns im Bundesrat an, mal verweigert er das Gespräch im Koalitionsausschuss, mal kokettiert er mit dem Ausstieg der CSU aus der Bundesregierung.
In Berlin nehmen viele Christdemokraten Horst Seehofer deshalb nicht mehr ernst. Sie haben sich daran gewöhnt, dass dieser regelmäßig seine Meinung ändere. Sie verlassen sich darauf, dass auf diesen in der schwarz-gelben Regierung immer Verlass ist, wenn es zum Schwur kommt. Und sie entschuldigen dessen Eskapaden damit, dass Seehofer im Herbst kommenden Jahres eine schwere Landtagswahl zu bestehen habe. Seit den glorreichen christsozialen Zeiten des Franz-Josef Strauß gehören zur CSU-Folklore schließlich auch deutliche bayerische Worte gegen den Bund, einst Richtung Bonn heute Richtung Berlin.
Trotzdem könnten Seehofers wiederkehrenden Drohung mit dem vorzeitigen Ende der Berliner Koalition einen wahren Kern besitzen. In CSU-Kreisen in München zumindest hält sich hartnäckig das Gerücht, Seehofer arbeite mit Blick auf die Landtagswahl im Herbst kommenden Jahres auf ein vorzeitiges Ende der schwarz-gelben Bundesregierung hin.
Horst Seehofer steht unter Druck. Er ist vor vier Jahren als bayerischer Ministerpräsident mit dem Versprechen angetreten, für die CSU die absolute Mehrheit zurückzugewinnen und die Blamage von 2008 vergessen zu machen. Damals war die CSU bei der Landtagswahl von 60,7 auf 43,4 Prozent abgestürzt. Das erste Mal seit fünf Jahrzehnten musste die CSU die Macht in Bayern wieder mit einem Koalitionspartner teilen.
Die Rückkehr zu den alten bayerischen Verhältnissen ist alles andere als einfach. Erstens zahlt auch die CSU ihren Preis für die Unzufriedenheit vieler Wähler mit der schwarz-gelben Bundesregierung, zweitens hat die SPD erstmals seit vielen Jahren mit dem Münchener Oberbürgermeister Christian Ude einen ernsthaften Herausforderer nominiert, drittens haben sich die Freien Wähler in Bayern als gefährliche bürgerlich-konservativen Konkurrenz etabliert und viertens mischen die Piraten auch in Bayern als Protestpartei die politische Landschaft auf.
Im Zangengriff zwischen einem populärem SPD-Kandidaten, den Euro kritischen Freien Wählern und den Protest-Piraten, kann die CSU die absolute Mehrheit vermutlich abschreiben. Vor allem dann, wenn der bayerische Landtagswahlkampf und der Bundestagswahlkampf im Herbst 2013 zusammenfallen. Bislang ist geplant, dass die Landtagswahl am 15. September 2013 stattfinden und die Bundestagswahl entweder am selben Tag oder eine Woche später. Und eigentlich müssten beide Wahlen allein aus Kostengründen am selben Tag stattfinden, doch dann würde die Landtagswahl erst Recht von bundespolitischen Themen überlagert.
Um die Wahlchancen der CSU in Bayern zu erhöhen, so sagen nun die aus Bayern kolportierten Planspiele, könnte Horst Seehofer also geneigt sein, die schwarz-gelbe Bundesregierung vorzeitig platzen zu lassen. Zwischen einer vorgezogene Bundestagswahl und der bayerischen Landtagswahl entstünde so ein größtmöglicher zeitlicher Abstand. Egal, wie eine solche Wahl ausgeht, egal ob in Berlin anschließend eine Große Koalition, Schwarz-Gelb oder Rot-Grün regiert, könnte Seehofer in seinem Landtagswahlkampf ungehemmt die bayerische Karte spielen. Er könnte die CSU gegen Berlin und vor allem gegen die umstrittene Europa-Politik der Bundesregierung in Stellung bringen. Auch dem bayerischen Ministerpräsidenten ist schließlich nicht entgangen, dass Europa 2013 zu einem zentralen Wahlkampfthema werden könnte und die Freien Wähler mittlerweile versuchen, sich in Bayern und darüber hinaus als Partei der Euro-Kritiker zu profilieren.
Seehofer kennt diese Erwägungen und natürlich gibt es gewichtige Einwände. Ein Koalitionsbruch aus vordergründiger Parteitaktik zahlt sich in der Regel nicht aus, weil allen voran konservative Wähler einen solchen nicht goutieren. Zudem ist Kanzlerin Merkel auch für die CSU ein wichtiger Wahlkampfhelfer und die CSU-Landesgruppe in Berlin würde sich gegen solche Erwägungen allein deshalb wehren, weil sie in Berlin viel, vor allem Posten und Mandate zu verlieren hat. Überhaupt sind die Zeiten, in denen die CSU in Bayern eine Quasi-Staatspartei war, vorbei. Die Veränderungen im Parteiensystem und im Wahlverhalten, das Vielparteiensystem und die erodierten Parteienbindungen machen auch um den Freistaat keinen Bogen.
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Für die CSU stellt sich damit jedoch sehr grundsätzlich die Existenzfrage. Ihre Sonderrolle im bundesdeutschen Parteiensystem und ihre Sonderstellung als regionale Schwesterpartei der CDU verdankt sie ihrer beispiellosen Vormachtstellung in Bayern. Geht diese dauerhaft verloren, zeigt sich im kommenden Jahr, dass der Absturz 2008 kein Ausrutscher war oder landet die CSU gar in der Opposition, dann stellt sich in der Union früher oder später die Frage, warum sich die CSU im Bündnis mit der CDU mehr herausnehmen darf, als jeder x-beliebige CDU-Landesverband. Die Landtagswahl 2013 bedeutet für die CSU also eine historische Weichenstellung.
Horst Seehofer weiß das. Als Totengräber der CSU will der bayerische Ministerpräsident nicht in die Geschichte eingehen. Auch deshalb kämpft er so verbittert und mit allen Tricks. Wohlmöglich ist für die CSU und ihr politisches Überleben die ganze Macht in Bayern sogar wichtiger als ein bisschen Macht in Berlin. Und vielleicht schreckt Horst Seehofer deshalb am Ende auch vor einem Koalitionsbruch in Berlin nicht zurück. Planspiele sind diese Überlegungen, Gerüchte. Aber niemand kann ausschließen, dass sie in ein paar Monaten mehr sein werden und Horst Seehofer endgültig zu einem politischen Falschspieler wird.
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