- Wie viel kostet Spanien?
Spanien braucht nun offenbar doch Geld aus dem EU-Rettungsschirm. Was genau bedeutet das? Und kann der Rettungsschirm das überhaupt verkraften?
In Spanien, wo mehrere Banken ohne gigantische Milliardenhilfen vor dem Bankrott stehen, zweifelt kaum noch jemand daran, dass das Land um Hilfe des EU-Rettungsfonds EFSF bitten wird. Damit wäre Spanien das vierte Euro-Land, das die Gemeinschaftsstütze in Anspruch nähme.
Wie dramatisch ist die Situation in Spanien?
Zwar dementierte die konservative Regierung in Madrid am Freitag heftig „Spekulationen“, wonach sie schon an diesem Wochenende den offiziellen Rettungsantrag stellen werde. Dies war übereinstimmend von mehreren Nachrichtenagenturen aus „Kreisen“ vermeldet worden.
Doch Spaniens Ministerpräsident Mariano Rajoy hat bereits eingestanden, dass die Lage des Staats und seiner Bankenbranche „sehr heikel“ sei. Bevor die Regierung jedoch einen formellen Hilferuf absetze, wolle man die Berichte des Internationalen Währungsfonds (IWF) und zweier privater Bilanzprüfungs-Gesellschaften abwarten, sagte Rajoy. Der IWF will am Montag seine Erkenntnisse darüber mitteilen, mit wie vielen Milliarden Euro Spaniens marode Banken gestützt werden müssen. „Welt Online“ zitierte am Freitag bereits einen mit dem Bericht Vertrauten mit der Aussage, die vom IWF errechnete benötigte Summe läge unter 50 Milliarden Euro. Bisher wird ein Bedarf von bis zu 100 Milliarden erwartet. Die internationalen Buchprüfer wollen sich am 21. Juni äußern.
Sicher ist, dass der Finanzbedarf etlicher wankender Banken so groß ist, dass Spanien ihn aus eigenen Mitteln nicht aufbringen kann. Allein die bereits verstaatlichten Geldhäuser Bankia, Catalunya Caixa und Novagalicia müssen insgesamt mit mindestens 28 Milliarden Euro gestützt werden. Weitere Banken haben nach Verlusten durch riskante Immobilienoperationen ebenfalls Probleme.
An den internationalen Geldmärkten wird sich Spanien diese Summe nicht leihen können, da das Misstrauen gegenüber dem Land, das zudem hoch verschuldet ist, sehr groß ist. Gerade erst hatte das spanische Schatzamt versucht, am Finanzmarkt frisches Geld zu besorgen, musste aber den Investoren für zehnjährige Anleihen mehr als sechs Prozent Zinsen bezahlen – fünf Mal so viel, wie für deutsche Anleihen fällig wird. Eine horrende Risikoprämie, die das von Krediten abhängige Spanien nicht lange aushalten wird.
Der Zinsdruck auf Spanien dürfte eher noch steigen, nachdem nun auch die Ratingagentur Fitch die Kreditwürdigkeit des Königreichs um drei Stufen auf die mittelmäßige Note „BBB“ herabsetzte. Die beiden anderen Finanzagenturen Moody’s und Standard & Poor’s hatten Spanien zuvor ähnlich hart bewertet. Der weitere Ausblick für Spanien ist bei allen Analysten durchweg „negativ“ – mit einer weiteren Abstufung ist also zu rechnen.
Wie könnten die Spanien-Hilfen aussehen?
Weder der aktuelle Krisenfonds EFSF, noch der künftige ESM können den Banken direkt Finanzspritzen injizieren – stets ist die Regierung der Ansprechpartner, die dafür politische Bedingungen erfüllen muss. Der ESM-Vertrag enthält jedoch eine Passage, die eine Änderung des Werkzeugkastens einfach macht – weshalb spekuliert worden war, Spanien wolle mit einem Hilfsantrag bis Anfang Juli warten, wenn der ESM in allen Euroländern ratifiziert sein soll.
Doch auch sein Vorgänger EFSF kann Banken rekapitalisieren. Die Bedingungen, die der betreffende Staat dazu erfüllen muss, sind bei Weitem nicht so umfassend wie etwa in Griechenland, Portugal oder Irland. In den EFSF-Richtlinien ist von „institutionenspezifischer Konditionalität“ die Rede – für Bankenhilfe wird also eine Reform des Bankensektors verlangt. Aufsichtsstrukturen müssen verändert werden, vor allem aber müssen die EU-Beihilferegelungen beachtet werden. Zentraler Bestandteil sind Anreize für eine schnelle Rückkehr zu Marktkonditionen sowie die Übermittlung eines Restrukturierungsplans nach Brüssel, wo geprüft wird, ob das Konzept tragfähig ist.
Zudem könnte im Fall Spanien auch erstmals das „Vorsorgeprogramm“ des Rettungsschirms greifen, dessen Prozeduren „weniger beschwerlich“ sind, wie es in den Statuten heißt. Ziel ist demnach, Mitgliedstaaten zu unterstützen, die sich „noch am Markt refinanzieren können“, aber den „möglichen negativen Beigeschmack eines Programmlandes zu vermeiden“. Ob die Marktfinanzierung noch gegeben ist, ist freilich fraglich.
Zusätzlich macht die Eurozone die Anfrage dadurch schmackhaft, indem sie signalisiert, alle Konditionen seien nicht in Stein gemeißelt und generell Verhandlungssache zwischen Spanien und der Eurozone.
Wie viel hält der Rettungsschirm noch aus?
Die bereits laufenden Hilfsprogramme für Griechenland, Irland und Portugal summieren sich auf rund 200 Milliarden Euro. Etwa die Hälfte der 440 Milliarden Euro an Notkrediten steht also noch bereit. Insgesamt garantieren die Euro-Länder über den EFSF für insgesamt 780 Milliarden Euro. Allein Deutschland bürgt mit bis zu 250 Milliarden.
Die Bankenrettung in Spanien könnte nun bis zu 100 Milliarden kosten. Den Betrag würde der Fonds locker wegstecken. Dennoch ist es nicht ausgeschlossen, dass der Fonds und sein mit 700 Milliarden Euro ausgestatteter Nachfolger ESM, der noch nicht von allen Mitgliedsstaaten ratifiziert ist, irgendwann an seine Grenzen stößt. Das könnte der Fall sein, wenn Euro-Staaten mit größerer Wirtschaftskraft wie etwa Italien oder Frankreich in Not geraten sollten.
Dennoch halten Fachleute den europäischen Rettungsschirm für das richtige Instrument, um die Stabilität der Euro-Zone zu sichern. „In Bezug auf die Endlichkeit des Fonds wäre es aber sicher sinnvoll, wenn sich die EZB hinter ihn stellt“, sagt Ferdinand Fichtner, Konjunkturchef des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) in Berlin.
Das würde ihm zum einen nahezu unbegrenzte Schlagkraft verleihen und die Nationalstaaten von Bürgschaften entlasten. Zum anderen würde – anders als wenn die EZB direkt Geld an Staaten oder Banken gibt – das Prinzip des Fonds erhalten, Leistungen nur gegen strenge Auflagen zu gewähren. Griechenland beispielsweise muss massiv sparen, um vereinbarte Mittel zu bekommen.
Wie geht es weiter?
Im Vorfeld des EU-Gipfels Ende des Monats ist zur Zeit viel von einer Bankenunion die Rede. Diese sollte Fälle wie den aktuellen künftig verhindern, weil es zum einen eine gemeinsame europäische Bankenaufsicht mit weit reichenden Durchgriffsrechten gäbe und zum anderen einen gemeinsamen Einlagensicherungsfonds, der Schieflagen wie derzeit abfedern und somit Staaten und Steuerzahler entlasten würde. „Eine Bankenunion ist in jedem Fall sinnvoll“, sagt DIW-Experte Fichtner. „Spanien zeigt das exemplarisch.“
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