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Bundestagswahl - Merkel triumphiert an historischem Wahlabend

CDU und CSU gewinnen, die FDP fliegt aus dem Bundestag. Jetzt kommt die Große Koalition und vielleicht betritt eine neue Partei die politische Bühne in Berlin. Das Ergebnis dieser Wahl  bedeutet eine historische Zäsur. Ein Kommentar

Autoreninfo

Christoph Seils war Ressortleiter der „Berliner Republik“ bei Cicero bis Juni 2019. Im Januar 2011 ist im wjs-Verlag sein Buch Parteiendämmerung oder was kommt nach den Volksparteien erschienen.

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Was für ein Wahlkrimi nach diesem eher langweiligen Wahlkampf. Noch wird gezählt, gerechnet und gebangt. Aber wenn sich die Hochrechnungen von ARD und ZDF bewahrheiten, dann ist das Wahlergebnis ein Paukenschlag: AFD kratzt an der 5-Prozent-Hürde, die FDP draußen. Merkel deutlich vorn. Se hat sogar die absolute Mehrheit im Blick, vermutlich nicht die Grünen,  eher die SPD. Aber die Koalitionsverhandlungen werden nicht einfach werden. Vermutlich wird man an diesem Sonntag von einem historischen Wahlabend reden müssen, obwohl am Ende jene Regierung herauskommt, die die Mehrzahl der Deutschen sich gewünscht und erwartet hat.

Allerdings kennt dieser Abend nur eine Wahlsiegerin: Angela Merkel. Dank der Kanzlerin haben CDU und CSU deutlich zugelegt. Der Trend, der sich schon bei der Bayernwahl vor einer Woche andeutete, hat sich fortgesetzt. Und die Botschaft dieses Wahlergebnisses ist eindeutig: Die bürgerlichen Wähler in Deutschland wollten, dass Merkel Kanzlerin bleibt, nur diese Regierung wollten sie nicht mehr. Die Deutschen wollten die Union ohne FDP, die Kanzlerin ohne Schwarz-Gelb. Dass nun eine Große Koalition das Land regieren wird, stört sie nicht weiter, im Gegenteil.

Die FDP hingegen scheint am Ende. Nicht einmal die peinliche Leihstimmenkampagne der letzten Woche hat noch gezündet. Brüderle, Rösler und Co. konnten niemandem mehr erklären, warum man die FDP noch braucht und warum sie weitere vier Jahre regieren soll. Die Zukunft einer Partei, die über sechs Jahrzehnte die Politik in Deutschland maßgeblich mitgeprägt hat, ist ungewiss. Der politische Liberalismus in Deutschland hat keine Heimat mehr.

Selbstbewusste Demokratien können mit extremen Tendenzen umgehen


Und die Alternative für Deutschland? Noch liegt die AfD knapp unter der 5-Prozent-Hürde, und selbst wenn sie am Ende dieses spannenden Wahlabends knapp scheitert, hat damit eine neue politische Kraft die politische Bühne betreten. Noch weiß niemand, wofür die AfD steht, außer für ihre Kritik am Euro. Noch weiß niemand, welches Personal diese Partei neben dem so braven Parteivorsitzenden Bernd Lucke repräsentiert. Noch weiß niemand, wie viel Rechtspopulismus nun in die politischen Diskurse in Deutschland einfließen wird. Aber selbst als außerparlamentarische Kraft wird die AfD die etablierte Politik zukünftig unter Druck setzen können. Und bei der Europawahl im kommenden Jahr wird die Partei der Eurogegner vermutlich ein leichtes politisches Spiel haben.

Aber gleichzeitig sei etwas Gelassenheit empfohlen. Ein Blick in die Niederlande, nach Dänemark oder Schweden zeigt, dass erstens rechtspopulistische und europakritische Parteien zur europäischen Normalität gehören und dass zweitens selbstbewusste Demokratien damit leben können. Allerdings werden manche politische Debatten in Deutschland in Zukunft anders verlaufen. Vor allem die Anhänger Europas und des Euros werden sehr viel klarer Reden und handeln müssen. Herumlavieren funktioniert nicht mehr. Vor allem Merkel wird mehr Arbeit damit  haben, die Eurokritiker in den eigenen Reihen zu bändigen

Ein Wort noch zur SPD. Peer Steinbrück hat einen Achtungserfolg erzielt, der nach seinem Pannenstart kaum noch erwartbar war. Mehr aber auch nicht. Es bleibt für die SPD das zweitschlechteste Ergebnis in der Geschichte der Bundesrepublik. Die Partei wird erhobenen Hauptes in die Verhandlungen mit der Union gehen können. Aber die kommenden vier Jahre werden die Sozialdemokraten vor allem vor einer Aufgabe stehen. Sie werden das linke politische Lager in Deutschland organisieren müssen. Denn den Kanzler wird die Partei erst wieder stellen, wenn SPD, Grüne und Linke miteinander koalitionsfähig sind.

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