- Eine intellektuelle Zumutung mit Vorteil für Steinbrück
Das TV-Duell war steif, vorhersehbar und stellenweise peinlich. Trotzdem war es ein wichtiger Meilenstein im Werben um die Wähler und es sage keiner mehr, dieser Wahlkampf sei langweilig
Das war es also, das politische Fernsehereignis des Jahres, der lang ersehnte Schlagabtausch der Kanzlerin mit ihrem Herausforderer, die letzte Chance für den Kandidaten. Kurz gesagt, das TV-Duell war eine Enttäuschung (zum Nachschauen und Nachlesen hier die Live-Fotoreportage von Cicero Online). Steif wirkten die Diskutanten, gestanzt waren ihre Statements, eingeübt und auswendig gelernt. Die Trainer von Merkel und Steinbrück haben im Vorfeld ganze Arbeit geleistet. Den vier Moderatoren gelang nicht, aus den beiden Politikern überraschende Antworten herauszukitzeln, kritische Nachfragen Fehlanzeige.
Selbst politische Experten hatten einige Mühe, herauszuhören, wo sich Merkel und Steinbrück etwa bei Themen wie Syrien, Euro oder PKW-Maut unterscheiden. Dass Steinbrück für Gerechtigkeit steht und Merkel für finanzpolitische Seriosität, wusste man schon vorher. So kam es bei der Präsentation der Beiden mehr auf das Wie anstatt auf das Was an. Und da zeigte sich deutlich, dass sich am 22. September zwei völlig unterschiedliche Charaktere um den Einzug in das Kanzleramt bewerben. Die eine lavierend und lethargisch, der andere kämpferisch und ruhelos, sie moderiert, er spitzt zurück. Merkel ruht in ihrem Amt, Steinbrück fordert Führung ein.
Dem Fernsehgenuss und der politischen Willensbildung hätte es allerdings gut getan, wenn das TV-Duell nur zwei Moderatoren gehabt hätte und zwar solche, die auch nachhaken können. Und warum müssen die Regeln für den Schlagabtausch eigentlich so zwanghaft sein, warum soll es im TV-Duell eigentlich nicht möglich sein, Merkel und Steinbrück nacheinander und einzeln ins Kreuzverhör zu nehmen?
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Noch peinlicher geriet dann allerdings das Duell nach dem Duell. Kaum waren die Scheinwerfer aus, kaum hatte sich die politische Auseinandersetzung von der Haupt- auf die vielen Nebenbühnen verlagert, bemühten sich die Claqueure beider Seiten in Mannschaftsstärke, ihren Matadoren ins rechte Licht zu rücken. Vermutlich hätte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe seine Kanzlerin auch dann zur Siegerin gekürt, wenn sie gestottert hätte. Und für Andrea Nahles stand ihr Genosse schon als Sieger fest, bevor er überhaupt sprechen konnte. Der Kampf über die politische Deutungshoheit über das TV-Duell geriet so endgültig zur intellektuellen Zumutung.
Und zu dieser Zumutung lieferten die Meinungsforschungsinstitute beiden Seiten noch während Merkel und Steinbrück aneinander vorbei redeten, die passenden Zahlen. Bei der Forschungsgruppe Wahlen im ZDF lag Merkel vorne, bei Infratest-Dimap in der ARD Peer Steinbrück. Einmal ging das TV-Duell 40 zu 33 für die Kanzlerin aus, einmal 49 zu 44 für den Kanzlerkandidaten. Wie ein solches gespaltenes Ergebnis repräsentativ sein soll für die wahlberechtigten Zuschauer der Fernsehdebatte, lässt sich vermutlich nur mit allerlei wissenschaftlichen Verrenkungen erklären.
Natürlich geht es im Wahlkampf selten darum, wer die schönsten Locken dreht und wer die Intellektuellen im Lande unterhält. Es geht um die Demokratie und um die Macht, darum, wer in den kommenden vier Jahren dieses Land regiert. Deshalb ist es gut, dass es im Wahlkampf ein TV-Duell gibt, zwei – wie in den USA – wären besser, andere Regeln noch besser. Aber das Aufeinandertreffen der beiden wichtigsten Wahlkämpfer zur besten Sendezeit im Fernsehen ist in jedem Fall ein wichtiger Meilenstein im sonst eher flauen Wahlkampf. 17 Millionen Deutsche saßen am Sonntagabend bei dieser politischen Hardcore-Sendung vor den Bildschirmen, doppelt so viele, wie normalerweise an diesem Tag den Tatort anschauen. Darunter waren vor allem auch solche Wähler, die sich wenig oder gar nicht für Politik interessieren. Der Wahlkampf ist endlich in die Köpfe der Deutschen vorgedrungen.
Selbstverständlich bleibt das Fernsehereignis nur ein Mosaikstein beim Werben um die Wähler, wenn auch ein nicht ganz unwichtiger. Und wenn es doch jemanden gibt, dem das TV-Duell nützen könnte, dann ist es Peer Steinbrück. Selbst ein Unentschieden bringt den Sozialdemokraten, der in der Wählergunst schon abgeschlagen schien, einen kleinen Vorteil. Endlich ist nicht mehr von Nebeneinkünften, Weinpreisen und Politikergehältern die Rede, sondern von Steuern, Rente und dem Euro. Erstmals in diesem Wahlkampf konnte sich der Kanzlerkandidat dabei auf Augenhöhe mit der Kanzlerin präsentieren.
Abgerechnet wird allerdings erst am 22. September. Was die SPD aus dem Vorteil für Steinbrück machen kann, muss sich jetzt zeigen. Ein halbwegs gelungener Fernsehauftritt wird für einen Achtungserfolg sicherlich nicht reichen. Dafür dürfte die SPD jetzt keine gravierenden Fehler mehr machen. Aber auf dem Sonntag ließe sich aufbauen. Ziel der SPD muss sein, Schwarz-Gelb zu verhindern, denn dann halten die Sozialdemokraten nach der Wahl ein paar machtpolitische Trümpfe in der Hand. Und viel spricht dafür, dass es am Ende zwischen Regierung und Opposition ein Fotofinish geben wird.
Das TV-Duell ist Geschichte, drei Wochen vor der Wahl hat die Schlacht um die Macht das Land endgültig im Griff. Und es sage keiner mehr, dieser Wahlkampf wäre langweilig.
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