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(picture alliance) Merkel und Sarkozy beim G20-Gipfel in Cannes

G-20-Drama um Griechenland - Das letzte Tabu fällt

Beim G20-Gipfel in Cannes erwägen Merkel und Sarkozy erstmals den Austritt Griechenlands aus der Währungsunion. Beginnt nun das Endspiel um den Euro?

Nicolas Sarkozy hatte ein großes Ziel: Bis zum G20-Gipfel in Cannes, so verkündete der französische Staatschef im Oktober, werde die Eurokrise vom Tisch sein. Der EU-Gipfel in Brüssel letzte Woche sollte die Weichen stellen, heute und morgen in Cannes wollte sich Sarkozy dann als erfolgreicher G20-Präsident und Euro-Führer präsentieren.

Daraus wurde nichts. Erst machte ihm Kanzlerin Angela Merkel einen Strich durch die Rechnung: Beim EU-Gipfel weigerte sie sich, ein finales Rettungspaket für den Euro zu beschließen. Viele Details des Gipfelkompromisses müssen noch ausgearbeitet werden. Dann sorgte Griechenlands Regierungschef Giorgos Papandreou für einen Paukenschlag.

Seine überraschende Ankündigung, ein Referendum zum Rettungsplan für sein Land abzuhalten, stürzte die Eurozone in eine neue Krise – und wirbelte die Agenda des G20-Treffens durcheinander. Statt über Global Gouvernance müssen US-Präsident Barack Obama und Chinas Staatschef Hu Jintao nun über ein kleines Land am Mittelmeer sprechen, dessen Schulden nur einen Bruchteil der Verbindlichkeiten etwa der USA ausmachen.

Denn Sarkozy und Merkel schafften es nicht, die Krise zu entschärfen. Ein eilig einberufenes Sondertreffen der „Frankfurter Runde“, die auch die EZB und den IWF sowie die EU-Kommission einschließt, brachte keine Lösung, sondern eine neue Eskalation. Merkel und Sarkozy drehten Griechenland den Geldhahn zu und forderten Papandreou ultimativ auf, das Referendum bereits am ersten Dezember-Wochenende abzuhalten.

Dabei dürfe es nicht nur um das Hilfspaket für Griechenland gehen, sondern um den Verbleib der Eurozone. „Unsere griechischen Freunde müssen entscheiden, ob sie die Reise mit uns fortsetzen wollen“, sagt Sarkozy. „Wir sind gewappnet“, ergänze Merkel auf einer gemeinsamen Pressekonferenz an der Croisette.

Damit fiel auch das letzte Tabu: erstmals ist nun von einem Austritt Griechenlands und einem möglichen Zerfall des Euro-Clubs die Rede. Damit ist genau das passiert, was Merkel und Sarkozy um jeden Preis vermeiden wollten. Dass sie nun das bisher Undenkbare aussprechen, zeigt, wie ratlos die selbst ernannten Euro-Retter sind.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über Merkels und Sarkozys bisherige Lösungsversuche der griechischen Schuldenkrise.

Seit zwei Jahren versuchen Merkel und Sarkozy nun schon, das griechische Schuldendrama zu lösen – ohne Erfolg.

Erst legten sie der Regierung in Athen die Daumenschrauben in Form hoher Kreditzinsen und scharfer Sparauflagen an. Dies führte das Land in eine tiefe Rezession. Dann senkten sie die Zinsen und forderten, Staatsbetriebe zu privatisieren, doch nichts geschah. Danach, im Juli dieses Jahres, beschlossen sie einen ersten Schuldenschnitt – er wurde nicht umgesetzt. Weil alles nichts half, soll nun ein zweites Rettungsprogramm folgen.

Es verspricht Griechenland eine Entlastung um 100 Milliarden Euro und neue Hilfskredite in Höhe von 130 Milliarden Euro - auf den ersten Blick ein attraktives Angebot. Doch bei näherer Betrachtung ist auch dies eine bittere Pille für die krisengeschüttelten Griechen. Der geplante 50-prozentige Abschlag auf griechische Staatsanleihen trifft nämlich vor allem die griechischen Banken, die Anleihen im Wert von rund 45 Milliarden Euro halten. Auch Versicherungen und private Rentenfonds könnte der „Haircut“ treffen. Und die versprochenen Milliardenhilfen fließen nur, wenn es neue massive Kürzungen gibt.

„Strikte Konditionalität“ nennt sich dies im Brüsseler Jargon, und sie schlägt nun auf ihre Urheber zurück. Denn die Griechen lehnen den Spar- und Privatisierungkurs ab – 60 Prozent sprechen sich in Umfragen gegen den jüngsten Rettungsplan aus. Doch wenn Griechenland nicht mitspielt, fließen auch keine Hilfen. Die nächste Tranche von acht Milliarden Euro werde wegen des geplanten Referendums zurückgehalten, hieß es in Cannes.

Doch damit stellen sich die Euro-Retter selbst ein Bein. Ohne Hilfen für Griechenland zweifeln die Finanzmärkte wieder an der Euro-Rettung – und fordern höhere Zinsen von anderen Krisenländern wie Italien, Spanien oder neuerdings auch Belgien. Die Börsen schmieren ab, der Euro gerät unter Druck – wie in den letzten Tagen, nach der Ankündigung Papandreous. Die „strikte Konditionalität“ erweist sich als Krisenverstärker.

Begründet wird sie damit, dass es keine Alternativen zum Rettungsplan gebe. Das Euro-Paket sei „der einzig mögliche Weg“ zur Stabilisierung Griechenlands, behauptete Sarkozy  vor dem G20-Treffen in Cannes.

Doch das stimmt so nicht. Schließlich hatte Sarkozy selbst vor dem jüngsten EU-Gipfel in der vergangenen Woche Alternativen formuliert. Er wollte den Euro-Rettungsschirm EFSF mit unbegrenzter Feuerkraft ausstatten, indem er ihm Zugang zur Europäischen Zentralbank (EZB) gewähren wollte – doch Merkel lehnte ab.

Lesen Sie auf der nächsten Seite über die doppelte Botschaft der Euro-Retter.

Ein stärkerer Rettungsschirm hätte weniger Nervosität der Märkte bedeutet – und weniger Aufmerksamkeit für das kleine Griechenland. Hilfreich wäre auch eine Zinssenkung durch die EZB, wie sie viele Ökonomen fordern. Oder ein Konjunktur-Programm für Athen – Vorschläge dazu liegen, etwa vom Brüsseler Thinktank Bruegel, seit Monaten auf dem Tisch.

Doch Berlin und Paris konnten sich nicht auf weitergehende Maßnahmen einigen. Sie waren schon froh, vergangene Woche überhaupt zu einem Gipfel-Ergebnis zu kommen. Deshalb tun Merkel und Sarkozy nun so, als sei ihr Plan alternativlos. Natürlich wissen sie, dass dies nicht stimmt. Doch darum geht es längst nicht mehr.

Fast verzweifelt wollen die beiden Euro-Retter eine doppelte Botschaft übermitteln: nach außen, dass sie die Eurozone verlässlich und unerschütterlich führen – und nach innen, dass jeder gnadenlos bestraft wird, der sich nicht an die Spielregeln des Euro hält.

Es geht um Autorität und Abschreckung, nicht um Alternativen. Im Falle Griechenlands könnte dies nun zum Endspiel um den Euro führen. Nach „Merkozys“ Ultimatum geriet Papandreou unter Druck seines Finanzministers Evangelos Venizelos. Der hält nämlich nichts von der geplanten Volksabstimmung.

Schon wird über einen Sturz der Regierung Papandreou spekuliert. Sollte es so weit kommen, dürfte Griechenland noch tiefer in die Krise rutschen – und die Eurozone mit ihr. Der G20-Gipfel in Cannes könnte dann nicht als Ende der Krise, sondern als Anfang vom Ende der Eurozone in die Geschichtsbücher eingehen.

Und der stolze Weltenlenker Sarkozy müsste hinterher erklären, wieso er nicht einmal ein so kleines Land wie Griechenland in den Griff bekommt.

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