- Die Eurokrise wird Wahlkampfthema
Die SPD will von der CDU mehr Wahrheiten hören, die AFD hat endlich wieder ein Thema: Mit dem dritten Rettungspaket für Griechenland soll sich auch die Regierung erklären. Aber kann Griechenland und die Eurokrise den Wahlkampf beleben?
Wahrscheinlich hat Gerda Hasselfeldt (CSU) am Mittwoch in die bayerische Landesvertretung bloß zur Presserunde eingeladen, weil sie mal wieder Berliner Luft schnuppern wollte. Dass der gemütliche Ausflug in die Hauptstadt zur Feuerlöschaktion ausarten würde, hat die CSU-Landesgruppenchefin nicht ahnen können. Ausgerechnet Finanzminister Wolfgang Schäuble (CDU) hat mit Streichhölzern gespielt, und das neben einem Pulverfass. „Es wird in Griechenland noch einmal ein Programm geben müssen“, hat Schäuble am Dienstagabend eher beiläufig auf einer Wahlkampfveranstaltung in Ahrensburg bei Hamburg verkündet. Sein Pech, dass nicht nur CDU-Anhänger ihm zuhörten, sondern auch Journalisten wichtiger Finanz-Nachrichtenagenturen.
Damit landete das heikle Thema da, wo es die Union nun gar nicht haben wollte: im Wahlkampf. Die Opposition griff sofort zu. Wie es der Zufall wollte, hatte Altkanzler Gerhard Schröder (SPD), der dieser Tage als Wahlhelfer für und mit Peer Steinbrück unterwegs ist, den Tenor dafür etwa zeitgleich mit Schäuble im westfälischen Detmold schon vorgegeben: „Vertuschen und Verschleiern“ wolle die Regierung die wahren Kosten der Euro-Rettung, eine „ganz große Lüge“ werde da vorbereitet.
[gallery:Eine kleine Geschichte des Euro]
Ähnlich klingt anderntags SPD-Chef Sigmar Gabriel: „Frau Merkel muss den Deutschen endlich reinen Wein einschenken.“ Auch Steinbrück fordert von Angela Merkel eine „Rechnung vor dem Wahltag“ ein. Der Grüne Jürgen Trittin wirft Merkel vor, ein „Täuschungsmanöver“ geplant zu haben, bei dem sich Schäuble nun „verplappert“ habe. Die Linke fordert mindestens eine Regierungserklärung.
Bei den Christdemokraten haben sie schon am Dienstagabend versucht, die Flamme zu ersticken: Ausgerechnet Gerhard Schröder wettere gegen Merkels Stabilitätspolitik, wetterte CDU-Generalsekretär Hermann Gröhe zurück, der Mann also, der als Bundeskanzler Griechenland überhaupt erst in die Eurozone aufgenommen habe. Doch historische Aufrechnung, das ist auch den Wahlkämpfern in der Union klar, hilft nicht weit.
Also fasst das bayerische Kabinett am Mittwoch in München den milde skurrilen Beschluss, dass man Debatten über weitere Hilfsprogramme ablehne. FDP-Generalsekretär Patrick Döring rügt „jegliche Mutmaßungen“ als „Gift für die Reformbemühungen Griechenlands“.
Und Gerda Hasselfeldt kann man bei dem Versuch zuschauen, den eigenen Finanzminister für unbeachtlich zu erklären. „Es gibt keine neuen Erkenntnisse in Griechenland“, sagt Hasselfeldt, zugleich Spitzenkandidatin ihrer Partei für die Bundestagswahl. Das derzeitige Hilfsprogramm laufe noch bis Mitte 2014, niemand wisse, wie sich die Dinge bis dahin entwickelten – es gebe mithin für Aussagen über weitere Programme nicht nur keine Notwendigkeit, „sondern auch keine Grundlagen dafür“.
Hat also Wolfgang Schäuble einfach keine Ahnung - oder weiß er vielleicht umgekehrt mehr, als er sagt? So will das die Christsoziale nun auch nicht verstanden wissen. Dass sie über Schäuble alles andere als glücklich ist, kann man aber immerhin erahnen: „Es hat zu Irritationen insgesamt geführt“, sagt Hasselfeldt.
Dabei dürfte sie vor allem Irritationen im eigenen Lager im Auge haben. Die Attacken der politischen Gegner mögen unangenehm sein; aber zumal die SPD kann keine inhaltliche Gegenposition aufbauen zu einer Politik, die sie, wenn es darauf ankam, immer mitgetragen hat.
Gefährlich würde es für CDU und CSU, wenn die eigenen Wähler ins Grübeln kämen. Gefährlich wäre es erst recht, würde sich jene Begriffsverwirrung breitmachen, die zwischen „Hilfsprogramm“ und „Schuldenschnitt“ nicht trennt. Dass es eine Gläubigerbeteiligung mit Milliardenfolgen für den Bundeshaushalt nicht geben solle, hatte Schäuble zwar bekräftigt. Aber im Eifer des Wahlgefechts versteht mancher solche feinen Unterschiede leicht falsch.
Ihre größte Sorge würden Unionspolitiker am liebsten gar nicht ansprechen: Eine Debatte darüber, ob die Deutschen demnächst für die Griechen zahlen müssen statt wie bisher nur bürgen, könnte der „Alternative für Deutschland“ aus dem Außenseiter-Status helfen. Die rechtskonservative Anti-Euro-Partei ist ein schwer kalkulierbarer Faktor bei dieser Wahl. Die üblichen Umfragen sehen die AfD weit unter fünf Prozent; aber keiner weiß, wie korrekt diese Zahlen sind.
Merkel selbst versucht derweil auf ihre Art, das Thema zu entschärfen. Im Sender Sat1 stellt sie sich im Prinzip hinter Schäuble. Ein neues Hilfspaket schließt auch die Kanzlerin, wenngleich indirekt, nicht aus: „Welche Summen gegebenenfalls notwendig sind, kann ich heute nicht sagen.“ Aber die Gewissheit ihres Ministers mag Merkel nicht teilen: Das alles werde man erst Mitte 2014 wissen.
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