- Auf dem Weg zur Postdemokratie?
Ein viel diskutiertes Thema in den Sozialen Medien waren in der vergangenen Woche die Plakate der großen Parteien. Angesichts unverfänglicher Bilder und einfallsloser Slogans überwiegt der Spott, doch mancher sorgt sich auch um die Demokratie
Seit dieser Woche präsentiert Cicero das „Twitter-Duell“ zwischen Merkel und Steinbrück. In Kooperation mit Tame analysieren und gewichten wir hier die wichtigsten Tweets zu beiden Wahlkämpfern.
Beschwerden über die Austauschbarkeit der großen politischen Parteien sind wahrlich nichts Neues. So lag wohl auch die Wahlniederlage von Frank-Walter Steinmeier bei der letzten Bundestagswahl nicht zuletzt an der Schwierigkeit, sich eindeutig vom ehemaligen Koalitionspartner abzugrenzen.
Auch der jetzige Wahlkampf unterstützt bisher die These, dass eine klare Unterscheidung der großen Parteien immer schwieriger wird. Besonders deutlich wird dies beim Blick auf die Wahlplakate, deren deutschlandweites Erscheinen am letzten Wochenende den Straßenwahlkampf einleitete.
SPD geht auf Nummer sicher
Schon am Dienstag vergangener Woche hatte Peer Steinbrück zusammen mit Andrea Nahles die Motive der SPD-Kampagne vorgestellt. Präsentiert werden typisch sozialdemokratische Themen wie Kitaplätze, bezahlbare Mieten und gesetzlicher Mindestlohn.
Die Online-Wahlkämpfer der CDU, in vorderster Front Generalsekretär Herman Gröhe, konzentrierten sich dabei besonders auf ein Plakat, das scheinbar die Forderung nach dem Mindestlohn mit einem Bild von Gebäudereinigern verknüpft. Das Argument der Kritiker: Besonders für diese Berufsgruppe bestünde schon ein Mindestlohn, der mit 9 Euro sogar über den geforderten 8,50 Euro der SPD läge. Die SPD-Pressestelle reagierte auf die Vorwürfe mit dem Hinweis, dass es sich bei der abgebildeten Person um einen (echten) Hausmeister handelt. Eine inhaltliche Beschäftigung mit der Kritik bietet Blogger Thomas Wieczorek in einem in den Sozialen Medien oft geteilten Artikel.
Nun war nach der Enttäuschung über die recht platten Slogans der SPD-Plakate zwar nicht zu erwarten, dass die CDU-Kampagne deutlich revolutionärer ausfällt. Dass es aber noch inhaltsloser geht, überrascht dann doch.
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CDU-Kampagne aus dem Plakat-Generator?
Auch die am Montag von Gröhe präsentierten CDU-Motive zeigen glückliche Menschen in verschiedenen Kontexten. Besonders das Bild einer Familie in der Küche mit dem Slogan „Jede Familie ist anders.“ provozierte im Netz diverse Nachfragen, was genau an dieser Familie eigentlich anders sein soll, da das Plakat ein typisch konservatives Familienbild von Vater-Mutter-Kind zeigt. In Anlehnung an die Debatte um den sogenannten „Veggie Day“ der Grünen vermutet z.B. Twitter-Nutzer Till Westermeyer als Antwort, dass die Familie anscheinend rein vegetarische Pfannkuchen backt.
Mehr noch als über die Bilder wird im Netz jedoch über die Slogans gelästert. Wo die schon sehr allgemein gehaltenen SPD-Parolen zumindest Kernforderungen nennen, dreht es sich bei der CDU um noch grundsätzlichere Themen. Forderungen nach „guter Arbeit“, „soliden Finanzen“ und einem „starken Deutschland“ kann wohl kaum jemand widersprechen, daraus konkrete politische Absichten abzuleiten wird jedoch fast unmöglich.
Gewohnt ironisch bringt das Satiremagazin Titanic den Duktus der CDU-Plakate auf den Punkt. Der im Social Web sehr populäre CDU-Wahlplakat-Generator mischt die Original-Botschaften, die sich „keinesfalls beliebig austauschen lassen“ wild mit ausgedachten Thesen und fügt diese in Plakatmotive ein. Dabei ergeben sich teilweise entlarvende Plakate, die erst auf den zweiten Blick von den Originalen zu unterscheiden sind.
Politische Brisanz erhalten die falschen CDU-Plakate, da Twitter-User beginnen, diese weiter zu verbreiten und dabei absichtlich oder unabsichtlich den Hinweis auf das Satiremagazin unter den Tisch fallen lassen. Auf Twitter kursieren deshalb schon einige angebliche CDU-Plakate mit Aufschriften wie „Jeder Bürger ist käuflich. Und wird uns gehorchen.“
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Auch wenn momentan noch der Spott über die Inhaltsleere und Austauschbarkeit der großen Volksparteien dominiert, sind besonders im Netz zunehmend auch Stimmen zu hören, die darin eine ernstzunehmende Gefahr für die Demokratie sehen. So schreibt z.B. Jan Schnorrenberg in einem lesenswerten und bei Twitter und Facebook sehr populären Blogbeitrag über die Krise der deutschen Politik. Schnorrenberg beschreibt den Politikstil Merkels und den Wahlkampf insgesamt als prägnantes Beispiel für die Entwicklung hin zur Postdemokratie, in der eine entmündigte Bevölkerung angesichts „alternativloser Politik“ keine Unterschiede mehr zwischen den Parteien erkennen kann.
Nun hat der Wahlkampf gerade erst begonnen und es besteht durchaus die Hoffnung, dass sich in den Wochen bis zur Wahl noch einige Reibungsflächen offenbaren, besonders auch im Hinblick auf zu diskutierende Koalitionsaussagen. Interessant wird hier auch die Beobachtung sein, ob es die kleinen Parteien besser schaffen, ein klares Profil ihrer Politik zu entwerfen, so dass sich der Wähler nicht nur zwischen „Das WIR entscheidet“ (SPD) und „Gemeinsam erfolgreich“ (CDU) entscheiden muss.
Das Twitter-Duell zwischen Angela Merkel und Peer Steinbrück gibt es hier.
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