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Aluminium - Die Rohstoff-Spekulanten von Goldman Sachs

In seiner Kolumne „Ökonomie und Alltag“ bewundert Til Knipper den Einfallsreichtum von Investmentbanken Kohle zu machen, dankt Jürgen Trittin für das Dosenpfand, fände es doch besser, wenn Monopoly kein Gefängnis mehr hätte.

Autoreninfo

Til Knipper leitet das Cicero-Ressort Kapital. Vorher arbeitete er als Finanzredakteur beim Handelsblatt.

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Vielleicht muss ich Jürgen Trittin doch dankbar sein für die Einführung des Dosenpfands im Jahr 2003. Bis dahin habe ich unterwegs gerne eiskalte Getränke aus Dosen getrunken. Seitdem gibt es fast nur noch Getränke aus Plastikflaschen, die aus mir unerfindlichen Gründen aber nie ganz kalt sind. So weit, so undankbar war ich, bis jetzt. Denn nach meiner Rückkehr aus dem Urlaub las ich in einem Artikel aus der New York Times, dass ich durch die Nichtnutzung von Dosen in den vergangenen Jahren viel Geld gespart habe.

Nein, die New York Times hat während meiner Ferien nicht über Jürgen Trittin berichtet, sondern herausgefunden, wie Investmentbanken beim Handel von Aluminium viel Geld verdienen, ganz vorne dabei wie immer Goldman Sachs . Man kann ja denken, was man will über diese Menschen an der Wall Street und in der Londoner City, aber ihr Einfallsreichtum Kohle zu machen. beeindruckt mich immer wieder.

Wenn die Geschichte der New York Times stimmt und ich sie richtig verstanden habe, geht das Geschäft mit dem Aluminiumhandel so: Ursprünglich war es Banken verboten, Unternehmen zu besitzen, die außerhalb des Finanzsektors tätig waren, andersrum galt das Verbot natürlich auch. Seit den Neunzigerjahren gibt es, man kennt das inzwischen, immer mehr Ausnahmen zur einst strikten Regelung, nicht nur, aber wohl auch als Folge intensivster Lobbyarbeit der Finanzindustrie.

Eine dieser Ausnahmen nutzte Goldman Sachs, um vor drei Jahren die Lagerhausgesellschaft Metro International Trade Services zu kaufen, die für ihre Kunden Aluminium in Lagern rund um Detroit aufbewahrt. Vor dem Einstieg der Banker mussten die Kunden von Metro International im Schnitt sechs Wochen warten, um ihr dort gelagertes Aluminium geliefert zu bekommen, unter der Führung von Goldman Sachs hat sich die Wartezeit auf 16 Monate verlängert, also mehr als verzehnfacht. Gleichzeitig verdoppelten sich die Lagerbestände seit 2010 auf 1,5 Millionen Tonnen.

Was heißt das für Goldman? Die ihr gehörende Lagerhausgesellschaft nimmt mehr Geld ein, weil sie mehr Aluminium länger lagert. Noch interessanter: Durch die Verzögerung der Auslieferung des Metalls wird der Aluminiumpreis künstlich nach oben getrieben, was der Bank und ihren Kunden die Möglichkeit gäbe, auf einen Anstieg des Aluminiumpreises zu setzen. Kurzer Exkurs: Das war der Grund, warum es Banken verboten war, Unternehmen zu besitzen, die außerhalb des Finanzsektors tätig waren.

Ein kleines Hindernis muss die Bank bei ihrer Aluminiumverknappungs-Strategie noch überwinden.

Die Rohstoffbörse London Metal Exchange (LME), unter deren Aufsicht die Lagerhäuser stehen, schreibt vor, dass 3000 Tonnen täglich aus den Lagerhäusern hinaus befördert werden müssen. Es gibt aber eine kleine Regelungslücke, durch die genau so viel Lastwagen passen, wie man braucht, um 300 Tonnen Aluminium von einem Lager zum anderen zu transportieren. Genau das passiert Laut New York Times bei Metro Trade International Services (MTIS) mit schöner Regelmäßigkeit, womit den Regeln der LME Genüge getan wird. Ein Mitarbeiter der MTIS flachst am Wochenende regelmäßig mit seinem Neffen, der in einem anderen Lager der Firma arbeitet: „Und hast Du alles bekommen, was ich Dir geschickt habe?“

Da viele der MTIS-Kunden Spekulanten sind, stören sie sich gar nicht an den Verzögerungen bei der Auslieferung, weil sie von der Preissteigerung durch die Verknappung ebenfalls profitieren. Die höheren Lagerkosten fallen so kaum ins Gewicht, zumal die MTIS Kunden, die ihr Aluminium bei ihr einlagern, sogar vorab Prämien gezahlt haben soll.

Goldman Sachs bestreitet, dass sie durch ihr Engagement in der Aluminiumbranche den Preis des Leichtmetalls manipulieren wollen, aber Angela Merkel bestreitet auch, dass Sie von der Abhörpraxis der NSA wusste und der HSV geht davon aus, sich in der kommenden Bundesligasaison für den Europapokal zu qualifizieren.

Und während ich mich noch frage, worüber ich mich eigentlich noch wundern oder aufregen soll, erreicht mich eine weitere Schreckensmeldung: Beim Brettspiel Monopoly gibt es bald kein Gefängnis mehr, berichtet das Wall Street Journal. Später stellt sich heraus, dass die Information wohl auf einem Missverständnis zwischen dem Autor des Artikels und der Sprecherin von Hasbro, dem Hersteller des Brettspiels beruhte. Vielleicht sollte Hasbro noch mal drüber nachdenken: Ein Spiel, das Kinder beibringen soll, wie der Kapitalismus funktioniert, ist bei der heutigen Finanzindustrie vielleicht doch realistischer, wenn es auf das Gefängnis verzichtet.

Letzter Hinweis: Falls Sie Geld übrig haben, investieren in Kupfertermingeschäfte und setzen Sie dabei auf steigende Preise. Die Giganten der Wall Street planen 80 Prozent des auf den Märkten verfügbaren Kupfers im Auftrag von Investoren aufzukaufen und in von ihnen kontrollieren Lagerhäusern aufzubewahren. Die US-Finanzaufsicht SEC hat diesen Plan inzwischen abgenickt.

Schönen Sonntag!

 

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