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Slowenien - Bratušek: Marionette oder starke Regierungschefin?

Slowenien ist der nächste Euro-Wackel-Kandidat. Kann Alenka Bratušek ihr Land aus eigener Kraft retten? 

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Wölfl, Adelheid

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Sie ist umgeben von Fallen und Minen, der Boden unter ihr schwankt. Die slowenische Regierungschefin hat einen Hindernislauf angetreten, den man nicht gewinnen kann. Die staatsnahen Banken sind von faulen Krediten in Milliardenhöhe unterhöhlt. Der Schuldenstand wächst immer rascher. Viele Ökonomen prophezeien, dass Slowenien als nächstes Land unter den Euro-Rettungsschirm flüchten muss.

Das aber sind längst nicht die einzigen Probleme, die Alenka Bratušek plagen. Auch das Fundament ihrer Macht ist hauchdünn. Ihre Partei „Positives Slowenien“ liegt mittlerweile in den Umfragen nur an dritter Stelle. Viele Slowenen halten Bratušek für eine Marionette des Partei­gründers und charismatischen Bürgermeisters von Ljubljana, Zoran Janković. Zumindest habe er die Ministerliste erstellt und übe weiterhin Einfluss auf die Regierungschefin aus. Unterdessen versucht Bratušek, Unabhängigkeit zu demonstrieren, und wird nicht müde zu wiederholen: „Ich treffe meine Entscheidungen ganz alleine. Niemand beeinflusst mich.“
 
Innerhalb ihrer Koalition ist sie jedenfalls von den Sozialdemokraten abhängig, die – in der Gewissheit, in Umfragen vorn zu liegen – sie jederzeit mit der Androhung von Neuwahlen erpressen können. Bratušek ist geduldet von anderer Mächte Gnaden und eine Regierungschefin auf Zeit: In zehn Monaten muss sie sich einer Vertrauensabstimmung stellen. Außerdem könnte die Universität Ljubljana ihr demnächst den Magistertitel wegen Plagiatsvorwürfen entziehen. Dann müsste sie ohnehin zurücktreten. Die brünette Bürokratin kann in vielen Bereichen scheitern, andererseits hat sie genau deshalb wenig zu verlieren.
 
Als der konservative Premier Janez Janša und der Parteichef Janković im Januar durch einen Bericht der Antikorruptionsbehörde diskreditiert wurden, konnte der eine nicht an der Macht bleiben, der andere nicht nach dieser greifen. Man suchte nach jemanden aus der zweiten Reihe, vor dem sich die Koalitionspartner nicht fürchten müssten, nach einer Frau als Symbol des Wandels, nach einer Unbescholtenen, Unbeschriebenen.
 
„Wenn mich jemand vor einem halben Jahr gefragt hätte, ob Alenka Bratušek Premierministerin werden könnte, hätte ich ihn zum Arzt geschickt“, sagt der Journalist Ali Žerdin. Andererseits hätten Politiker, die aus dem Nichts auftauchten, in Slowenien Tradition. Žerdin traut Bratušek durchaus zu, an Einfluss zu gewinnen, weil sie „Talent zur Kompromissbildung“ gezeigt habe.
Es waren andere, die Bratušek in die Position hievten, nicht ihr Ehrgeiz oder Selbstdarstellungstrieb – schon gar nicht ihre rhetorischen Fähigkeiten. Seit einem CNN-Interview, das wegen ihrer mangelnden Sprachfähigkeiten vollkommen misslang, ist sie auch medienscheuer geworden. In Slowenien macht man sich seither über ihr Englisch lustig. Die 43-Jährige gilt weder als intellektuell noch als sprachgewandt, aber als energiegeladen, schnell und intelligent.
 
Als Krisenmanagerin berufen, hatte sie bisher auch keine Zeit, sich als Gestalterin darzustellen. Sie feilte stattdessen an Reformplänen für Brüssel und versuchte, auf Kapitalmärkten Geld heranzuschaffen. In Slowenien, das auf Ramschniveau herabgestuft wurde, droht jede falsche Bewegung die Märkte zu irritieren. Bratušek weiß zumindest um ihre Grenzen, delegiert und holt Expertenrat ein. Außenpolitisch hat sie das Feld ohnehin Präsident Borut Pahor überlassen, der die internationale Bühne liebt, auf der Bratušek so wenig Übung hat.
 
Die Textilingenieurin kommt aus einer Mittelschichtfamilie, gut eingebettet, aber ohne Elitebewusstsein. Der Vater, ein Bezirksrichter, war in Bratušeks Geburtsort Žalec beliebt, weil er die Fähigkeit hatte, Streit zu schlichten und dabei auf die Beziehungen zu achten, nicht nur auf das Gesetz. Die Tochter scheint es dem Vater gleichzutun. „Sie will Differenzen ausräumen“, sagt jemand aus ihrer nächsten Umgebung. „Es geht ihr um Kooperation.“
 
Vom Vater hat sie wohl auch gelernt, die Familie herauszuhalten. Weder ihr Partner Mitja Cvjetičanin noch ihre 18-jährige Tochter Nuša, die gerade Abitur macht, und der 15-jährige Sohn Oskar tauchen in der Öffentlichkeit auf. „Sie hat eine Wand geschaffen zwischen Politik und Familie“, sagt Borut Mekina vom Magazin Mladina. Selbst in ihrem Wohnort Stražišče ist sie relativ unbekannt. Die Nachbarn wissen nur dann, dass die Politikerin gerade zu Hause ist, wenn die Bodyguards um das graue Haus schleichen. Oder wenn sie sie zufällig beim Joggen zwischen den Obstbäumen erspähen.
 
Bratušek ist keine Frau großer Entwürfe und Meinungen, sondern eine ideologiefreie Pragmatikerin. Sie findet auch nichts dabei, dass sie nun Maßnahmen propagiert, die sie vor kurzem, in der Opposition, noch bekämpfte: etwa die Schuldenbremse in der Verfassung zu verankern oder Referenden einzudämmen.
 
In Ljubljana war man bisher nicht an Frauen an der Spitze der Politik gewöhnt. Die Opposition prophezeite Bratušek per Twitter, dass ihre Amtszeit so kurz werden würde wie ihre Röcke. Sie selbst möchte nicht nach ihrem Geschlecht beurteilt werden, sondern nach ihrem Erfolg. Bei ihrem Amtsantritt trug sie jedenfalls Hosen. 

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